MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1). Robert Mccammon

MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1) - Robert Mccammon


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Matthew, den Fensterladen zu entriegeln.

      Matthew gehorchte. Laut sprang der Riegel frei. Matthew drückte den Fensterladen nach draußen in den Regen hin auf.

      »Die kommen aus'm Fenster raus!«, schrie Onkel Abner, der genau darunter stand. Matthew sah, dass er in einer Hand eine Laterne und in der andern eine Mistforke hielt.

      Hinter Woodward krachte es gewaltig: Die Tür brach nach innen auf. Kreidebleich wirbelte er in dem Moment herum, als Shawcombe mit einem Zahnstummel entblößenden Grinsen über die Türschwelle trat. Hinter ihm stand Maude mit einem Kerzenhalter, dessen zwei Wachsstücke flackerndes Licht auf ihre wilden weißen Haare und ihr dämonenhaft zerfurchtes Gesicht warfen.

      »Oho!«, sagte Shawcombe spöttisch. »Na, schau mal einer an, Maude! Die wollen sich aus dem Staub machen, ohne ihre Rechnung zu begleichen!«

      »Was soll diese Unverschämtheit?«, herrschte Woodward ihn an und versteckte seine wahren Gefühle – blanke, panische Angst – hinter einer Maske des Zorns.

      Shawcombe lachte und schüttelte den Kopf. »Tja«, sagte er und hob die rechte Hand, um den Holzschlegel zu inspizieren, mit dem Maude am Abend die schwarze Ratte erschlagen hatte. »Das soll, dass Ihr und Euer Büttel heute Abend rein nirgendwo mehr hinfahrt, Ihr dämlichen Esel. Außer vielleicht zur Hölle.« Er entdeckte das heiß begehrte Stück Stoff. »Aha, da ist es ja! Her damit.« Er streckte seine schmierige linke Hand aus.

      Woodward starrte auf die schmutzigen Finger und dann auf die Weste, die ihm so lieb war. Sein Blick wanderte wieder zu Shawcombes gieriger Hand. Dann drückte er die Schultern zurück und atmete tief ein. »Sir«, entgegnete er. »Ihr werdet mich töten müssen, um davon Besitz zu erlangen.«

      Shawcombe lachte erneut – diesmal war es ein eher schweineähnliches Grunzen. »Oh, ich lege Euch schon um!« Er verengte die Augen. »Dabei hätte ich gedacht, dass Ihr wie 'ne Maus und nicht wie ein Mann sterbt. Hab gedacht, Ihr würdet quieken wie der andere besoffene Vogel, als ich ihm eine übergebraten hab.« Im Nu schwang er den Schlegel knapp an Woodwards Gesicht vorbei. Der Richter zuckte zusammen, versuchte aber nicht zu fliehen. »Ha. Ihr zwingt mich also dazu, was? Na dann, mir soll's egal sein.«

      »Es wird bloß jemand anderes geschickt werden«, mischte Matthew sich ein. »Aus Charles Town. Die werden …«

      »Noch ein elender Richter? Nur zu, nur zu! Je mehr sie herschicken, desto mehr bringe ich um!«

      »Die werden die Miliz schicken«, ergänzte Matthew, was in Wirklichkeit keineswegs so beeindruckend war, wie es klang, und vermutlich sowieso nicht stimmte.

      »Die Miliz!« Shawcombes Zähne glitzerten im schummerigen Licht. »Die werden die Miliz ganz aus Charles Town schicken? Aber sie ist nicht geschickt worden, um nach Kingsbury oder den anderen zu suchen, die ich unter die Erde gebracht hab, oder?« Sein Grinsen verzog sich zu einem Zähnefletschen. Er hob den Holzhammer in Schlagposition. »Ich glaube, dich lege ich als erstes um, du dürres Ar…«

      Woodward schlug zu. Hart klatschte er Shawcombe die Weste in die Augen und stürzte sich auf den Mann, packte sein Handgelenk, bevor der Holzhammer niederfahren konnte. Shawcombe fluchte laut. Maude begann zu kreischen – ein Geräusch, das selbst die Ratten in der Wand in die Flucht schlug. Shawcombes linke Hand ballte sich zur Faust und knallte dem Richter unters Kinn. Woodwards Kopf fiel nach hinten und seine Augen wurden trübe, doch er ließ Shawcombes rechtes Handgelenk nicht los.

      »Abner! Abner!«, schrie die alte Frau.

      Woodward schlug Shawcombe ins Gesicht. Shawcombe sah es kommen, warf sich zur Seite, und Woodwards Faust streifte lediglich die Wangenknochen des Mannes. Daraufhin packte Shawcombe den Richter mit seiner freien Hand am Hals und drückte zu, während er versuchte, Gebrauch von dem Holzschlegel zu machen, und Woodward sich bemühte, das zu verhindern.

      Sie stolperten gegen das Bett. Aus dem Augenwinkel erspähte Shawcombe eine Bewegung neben sich und schaute im gleichen Moment zur Seite, in dem Matthew ihm die richterlichen Stiefel vor den Kopf schlug, die er sich vom Fußboden geschnappt hatte. Der nächste Schlag mit den Stiefeln traf Shawcombes Schulter. Matthew entdeckte in den Augen des Mannes einen Schimmer der Verzweiflung. Shawcombe, dem inzwischen klar geworden war, dass der Richter gefährlicher war, als er wirkte, brüllte wie ein wütender Tiger und rammte Woodward sein Knie in die Hoden.

      Der Richter schrie auf und klappte zusammen. Der Holzschlegel war nun einsatzbereit. Shawcombe umklammerte den Griff mit beiden Händen und schwang ihn hoch in die Luft, um Woodward den Kopf einzuschlagen.

      »Nein!«, rief Matthew. Er hatte bereits wieder mit dem Stiefel ausgeholt, und schlug Shawcombe mit aller Kraft, die hölzernen Hacken auf die Nase.

      Der Schlag klang genau wie eine Axt, die eine Eiche fällte – knirschend brach Shawcombes Nase. Der Wirt schrie erstickt auf und stolperte zurück, jetzt mehr damit beschäftigt, sich sein verwundetes Gesicht zu halten als dem Richter die Schädeldecke zu öffnen. Matthew folgte ihm, um ihm den Holzhammer zu entwenden, wurde aber plötzlich von dem kreischenden alten Weib angefallen. Sie packte ihn mit einer Hand am Mantelkragen und stieß ihm mit der andern die Kerzenflammen vor die Augen.

      Reflexartig schlug Matthew ihr ins Gesicht. Doch dann musste er den Rückzug antreten, denn Abner kam mit seiner Laterne und der Mistforke ins Zimmer.

      »Bringt sie um!«, heulte Shawcombe wie mit Stockschnupfen. Er war an der Wand angekommen und glitt mit vor das Gesicht gehaltenen Händen zu Boden. Der Holzschlegel lag neben ihm, und Blut, das im Laternenlicht fast schwarz glänzte, strömte ihm zwischen den Fingern hervor. »Abner! Bring sie beide um!«

      Der alte Mann, dem der Regen vom Bart tropfte, hob die Mistgabel und bewegte sich auf Woodward zu, der noch immer stöhnte und sich aufzurichten versuchte.

      Matthew war sich des offenen Fensters bewusst. Sein Kopf arbeitete schneller, als sein Körper handeln konnte. »Du sollst nicht töten«, rief er.

      Abner blieb wie angewurzelt stehen. Er blinzelte, als habe ihn etwas vor die Stirn getroffen. »Was?«

      »Du sollst nicht töten«, wiederholte Matthew. »Das steht in der Bibel. Du kennst doch die zehn Gebote, oder nicht?«

      »Ich … die zehn Gebote? Ja, ich denke …«

      »Abner! Verdammt noch mal, bring sie um!«, schrie Shawcombe.

      »So steht es in der Bibel geschrieben, stimmt's? Mr. Woodward, würdet Ihr bitte aus dem Fenster klettern?«

      Dem Richter rannen Tränen des Schmerzes übers Gesicht. Immerhin war er sich seiner Situation so weit bewusst, dass er die Notwendigkeit sofortigen Handelns begriff.

      »Scheiße! Helft mir hoch!« Shawcombe versuchte aufzustehen, aber seine Augen färbten sich bereits lila und schwollen an. Es fiel ihm schwerer als erwartet, nicht umzufallen. Er sank wieder auf den Fußboden. »Maude! Lass sie nicht raus!«

      »Gib de elendige Schweinepiekser her!« Maude schnappte sich die Mistforke und zog, doch Abner ließ nicht los.

      »Der Junge hat recht«, sagte Abner. Seine Stimme war so ruhig, als sei ihm gerade eine tiefe Wahrheit enthüllt worden. »Das steht in der Bibel. Du sollst nicht töten. Das sind die Worte Gottes.«

      »Du blöder Ochse! Her mitte Schweinepiekser!« Maude versuchte, ihm die Mistforke zu entreißen – doch vergeblich.

      »Schnell«, sagte Matthew und half dem Richter, über den Fenstersims nach draußen zu gelangen. Wie ein Mehlsack plumpste Woodward in den Matsch. Dann machte Matthew sich daran, aus dem Fenster zu klettern.

      »Weit kommt ihr nicht!«, versprach Shawcombe, dessen Stimme heiser vor Schmerz war. »Wir kriegen euch!«

      Matthew warf noch einen Blick zurück ins Zimmer, um sicherzugehen, dass Maude nicht die Mistgabel in der Hand hatte. Doch der nachdenklich dreinschauende Abner hielt sie immer noch umklammert. Matthew nahm an, dass die religiöse Pietät des alten Mannes nicht mehr allzu lange anhalten würde. Er war ein Mörder, genau wie die anderen beiden, und Matthew hatte ihm lediglich ein paar Steine in den Weg gelegt. Kurz


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