Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Margrete wiegt und singt.
Nun schweben Dach und Decke
Zum Sternendom hinauf;
Nun schwingt der kleine Håkon
Ins Träumereich sich auf.
Es raget eine Leiter
Von Erden himmelan;
Die steigt der kleine Håkon
Mit Engeln nun hinan.
Das Wiegenkindlein hüten
Die Engel Gottes sacht;
Gott schütz' Dich, kleiner Håkon, –
Auch Deine Mutter wacht.
Kurze Pause. Herzog Skule tritt ein durch die Mitte.
Margrete springt mit einem Freudenschrei auf und eilt ihm entgegen. Mein Vater! – O, wie hab' ich geseufzt und mich gesehnt nach dieser Begegnung!
Herzog Skule. Gottes Frieden mit Dir, Margrete! Wo ist der König?
Margrete. Beim Bischof Nikolas.
Herzog Skule. Hm, – ja, dann muß er bald hier sein.
Margrete. Und Ihr wollt miteinander reden und Euch vergleichen, – wieder Freunde werden, wie in alten Tagen?
Herzog Skule. Das wollt' ich gern.
Margrete. Håkon will es auch gern; und ich bete jeden Tag zu Gott, daß es geschehen möge. O, aber komm her und sieh –
Sie ergreift seine Hand und führt ihn an die Wiege.
Herzog Skule. Dein Kind?
Margrete. Ja, das liebe Kind ist mein; – ist das nicht wunderbar ? Er heißt Håkon, wie der König! Sieh nur, seine Augen – nein, Du kannst sie jetzt nicht sehen, – er schläft; – aber er hat große blaue Augen; und er kann auch lachen und die Hände ausstrecken und nach mir haschen, – und er kennt mich schon! Sie legt die Wiegendecken sorgfältig zurecht.
Herzog Skule. Håkon bekommt Söhne, weissagte der Bischof.
Margrete. Dies Kindlein ist mir tausendmal lieber als Land und Reich, – und auch Håkon geht es so. – Nein, mir ist, als könnt' ich immer noch nicht recht an das Glück glauben; ich habe die Wiege vor meinem Bette stehen; jede Nacht, wenn ich aufwache, seh' ich nach, ob sie noch da ist, – ich fürchte schier, es möchte ein Traum sein –
Herzog Skule lauscht und tritt ans Fenster. Ist das nicht der König –?
Margrete. Ja, er geht die andere Treppe hinauf; ich will ihn holen. Sie ergreift die Hand des Vaters und führt ihn scherzend wieder zur Wiege. Herzog Skule! Stellt unterdessen Wache beim Königskinde, – ja, denn er ist auch ein Königskind – das vergess' ich immer wieder! Und wenn er erwacht, so verneige Dich tief und grüss' ihn, wie man Könige grüßen soll! Jetzt hol' ich Håkon. O Gott, Gott! so soll nun endlich Freude und Frieden dem Geschlecht beschieden sein! Ab nach rechts.
Herzog Skule nach kurzem und düsterem Schweigen. Håkon hat einen Sohn. Sein Geschlecht wird fortleben nach ihm. Stirbt er, so ist ein Anwärter da, der dem Throne näher steht als alle anderen. Alles glückt Håkon. Vielleicht ist er der unrechte; aber sein Glaube an sich selbst steht fest nach wie vor; der Bischof wollte ihn erschüttern, aber der Tod ließ ihm keine Zeit, Gott gab es nicht zu. Gott schirmt Håkon, – er ließ ihm den Stärkegürtel. Es ihm jetzt sagen? Jetzt schwören auf des Bischofs Aussage? Was würd', es nützen? Keiner würde mir glauben, nicht Håkon, nicht die andern. Dem Bischof hätte er in der Sterbestunde geglaubt; der Zweifel hätte ihn vergiftet; aber es sollte nicht sein. Und so unerschütterlich wie die Zuversicht bei Håkon ist, so unerschütterlich ist bei mir der Zweifel. Welcher Mensch auf Erden vermöchte ihn auszujäten? Keiner, keiner. Die Eisenprobe ward bestanden, Gott hat gesprochen, und dennoch kann Håkon der unrechte sein, während ich mein Leben verspiele. Er setzt sich finster brütend an einen Tisch zur Rechten. Und wenn ich nun Land und Reich gewänne, würde dann nicht der Zweifel dennoch dableiben und nagen und bohren und mich aushöhlen mit seinen ewigen Eistropfen? – Ja, ja; aber es ist besser, auf dem Königssitze oben zu sitzen und an sich selbst zu zweifeln, als unten in der Menge zu stehen und an dem zu zweifeln, der oben sitzt. – Es muß ein Ende haben zwischen mir und Håkon – Ein Ende? Aber wie? Steht auf. Du Allmächtiger, der das über mich verhängt hat, Du mußt die Schuld auf Dich nehmen für das, was daraus folgt! Er geht auf und ab, bleibt stehen und sinnt. Es gilt alle Brücken abzubrechen, nur eine zu behalten und da zu siegen oder zu fallen, – sagte der Bischof auf der Königshochzeit in Bergen, das ist nun an die drei Jahre her, und in all der Zeit hab' ich meine Kräfte vergeudet und zersplittert, indem ich alle Brücken verteidigte. – Rasch. Jetzt muß ich dem Rat des Bischofs folgen; jetzt oder nie! Wir sind beide hier in Oslo; ich bin diesmal an Mannen stärker als Håkon; warum also nicht das Übergewicht ausnutzen – es ist so selten auf meiner Seite. Schwankend. Aber diese Nacht – sofort –? Nein, nein! Nicht diese Nacht! – Ha, ha, ha, – da ist sie wieder, die Überlegung, – die Unschlüssigkeit! Håkon kennt so etwas nicht! Der geht gerade drauf los, und so siegt er! Geht einige Schritte durch die Stube und bleibt plötzlich vor der Wiege stehen. Das Königskind! – Welch eine Schöne Stirn! Er träumt. Deckt das Kind besser zu und schaut es lange an. So einer wie Du kann in einer Mannesseele vieles aufrecht erhalten. Ich habe keinen Sohn. Beugt sich über die Wiege. Er sieht Håkon ähnlich. – Fährt mit einem Mal zurück. Das Königskind, sagte die Königin! Verneige Dich tief und grüss' ihn, wie man Könige grüßen soll! Stirbt Håkon vor mir, so wird dies Kind auf den Königssitz erhoben; und ich – ich soll unten stehen und mich tief verneigen und es als König grüßen! Mit wachsender Erregung. Dieses Kind, Håkons Sohn, soll oben auf dem Königsstuhl sitzen, auf den ich–vielleicht–ein größeres Anrecht habe, – und ich soll vor dem Schemel seiner Füße stehen, mit weißem Haar, gebeugt von Alter, soll mein ganzes Lebenswerk ungetan sehen, – sterben, ohne König gewesen zu sein! Ich bin an Mannen stärker als Håkon, – es bläst ein Sturm heut nacht, der Wind geht fjordwärts –. Wenn ich das Königskind entführte? Auf die Trondhjemer kann ich mich verlassen. – Was dürfte Håkon wohl wagen, wenn sein Kind in meiner Macht wäre! Meine Mannen werden mir folgen, werden für mich kämpfen und siegen. Ich will sie königlich belohnen, dann tun sie's. – Wohlan! Vorwärts denn! Hinweg über die Kluft – zum ersten Mal! –– Könnt' ich doch sehen, ob Du Sverres Augen hast – oder die Augen von Håkon Sverresson –! Er schläft. Ich kann es nicht sehen. Pause. Der Schlaf ist eine Waffe. Schlaf in Frieden, Du kleiner Königserbe! Er geht zum Tische hinüber. Håkon soll entscheiden; einmal noch will ich mit ihm reden.
Margrete tritt mit dem König von der rechten Seite ein. Der Bischof tot! O, glaube mir, aller Unfriede stirbt mit ihm.
Håkon. Geh zu Bett, Margrete – Du wirst müde sein von der Reise.
Margrete. Ja, ja! Zum Herzog. Vater, sei sanft und willfährig, – Håkon hat mir versprochen, es auch zu sein! Tausendmal Gutnacht Euch beiden!
Sie begibt sich an die Tür zur Linken, winkt und geht ab; ein paar Mägde tragen die Wiege hinein.
Herzog Skule. König Håkon, wir dürfen diesmal nicht als Widersacher scheiden. Alles Böse würde daraus entspringen; eine Zeit des Schreckens würde über das Land kommen.
Håkon. Daran ist das Land jetzt Geschlechter hindurch gewöhnt gewesen. Aber Ihr sehet, Gott ist mit mir; jeder Feind fällt, der mir in den Weg tritt. Es gibt nicht Bagler, nicht Slittunger, nicht Ribbunger mehr; der Jarl Jon liegt erschlagen, Guthorm Ingesson ist tot, Sigurd Ribbung ebenso, – alle Ansprüche, die auf der Reichsversammlung zu Bergen geltend gemacht wurden, haben sich als kraftlos erwiesen, – durch wen sollte die Schreckenszeit jetzt also kommen?
Herzog Skule. Håkon, ich fürchte, sie könnte durch mich kommen!
Håkon. Als ich König wurde, gab ich Euch den dritten Teil des Reiches –
Herzog Skule. Ihr selbst habt zwei Dritteile behalten!
Håkon. Immer dürstetet Ihr nach mehr; ich vergrößerte Euren Teil – jetzt ist das halbe Reich