Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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Das Dach erstarrter Firnenschnee,

       Der seine Wucht von Wand zu Wand

       Wie eine weite Wölbung spannt.

      Gerd.

       Ja, nennt's nur Fels- und Gletscherloch;

       Das macht nichts; Kirche bleibt es doch.

      Brand.

       Geh nicht dorthin; ein Wind erwacht, –

       Die Kruste bricht, die Decke kracht, –

       Ein Schrei, ein Schuß schon ist genug –

      Gerd (ohne auf ihn zu hören.)

       Komm mit; dort liegt ein Renntierzug,

       Der, abgestürzt, erst wenn es taut,

       Im Lenz, die Freiheit wiederschaut.

      Brand.

       Geh nicht dahin, wo Tod Dir droht!

      Gerd (nach unten weisend.)

       Geh nicht dahin; denn dort ist Tod!

      Brand.

       Gott sei mit Dir.

      Gerd. So komm doch, komm!

       Dort singt Lawin' und Fall Dich fromm,

       Dort predigt Dir der Gletscherwind,

       Daß es Dich heiß und kalt durchrinnt.

       Und fürchte nicht des Habichts Zorn;

       Der setzt sich auf das schwarze Horn; –

       Da hält der grause, finstre Gast

       Als Hahn auf meinem Kirchturm Rast.

      Brand.

       Wild ist Dein Weg, Dein Geist ist wild,

       Zersprungner Laute traurig Bild.

       Gar leicht wird bös in gut verkehrt, Nur Schlechtes ändert nie den Wert.

      Gerd.

       Da rauscht sein Flügelschlag heran!

       Jetzt heißt es heimwärts, fremder Mann!

       Die Kirche ist mein sichres Haus, –

       Hu, wie er ankommt, arg und graus!

       (Schreit.)

       Komm mir nicht nah! Laß mich in Ruh!

       Hackst Du nach mir, so schlag' ich zu!

       (Flüchtet den Berg hinauf.)

      Brand (nach einer Pause.)

       Bist auch ein Kirchgast. Der im Eis – Und der im Tal –! Wem ziemt der Preis? Wer tollt am wildesten hinaus, Wer flieht am weitsten Heim und Haus, – Der Leichtsinn, der mit Laub im Haar Dahintanzt, allen Ernstes bar, – Der Stumpfsinn, der des Weges trollt, Weil's schon die Väter so gewollt, – Der Wahnsinn, der so grausam irrt, Daß ihm schier gut aus böse wird? Wohlan denn! Auf zum grimmen Tanz Mit dieser Tripelallianz! Hell grüßt mich mein Beruf –: So bricht Durch aufgestoßne Fenster Licht! Kein Rasten, bis dem Weh der Welt Zur Sühne dieser Trollbund fällt! Erst wenn das Grab die drei empfahn, Dann ist die Pest von uns getan. Auf, Seele! Schwert heraus! Es gilt Den Kampf für Gottes Ebenbild! (Er steigt nach dem Dorf hinab.)

      Zweiter Akt

       Inhaltsverzeichnis

      (Unten an dem von schroffen Bergwänden umschlossenen Fjord. Auf einer kleinen Anhöhe in der Nähe die alte, verfallene Kirche. Ein Unwetter zieht herauf.)

      (Volk, Männer, Weiber und Kinder, teils am Strande, teils weiter oben in Gruppen. In ihrer Mitte sitzt der Vogt auf einem Stein; ein Schreiber hilft ihm bei der Verteilung von Korn und Lebensmitteln. Ejnar und Agnes stehen in einiger Entfernung, von einer Anzahl Leute umringt. In dem von der Ebbe freigelegten Sande liegen ein paar Boote. Brand wird auf dem Kirchenberg sichtbar, ohne zunächst noch von der Menge bemerkt zu werden.)

      Ein Mann (arbeitet sich durch das Gedränge.)

       Macht Platz!

      Ein Weib. Ich war zuerst da!

      Der Mann (schubst sie zur Seite.) Pack'

       Dich weg!

       (Drängt sich zum Vogt vor.)

       Herr, gebt mir meinen Sack!

      Der Vogt.

       Geduld.

      Der Mann.

       Daheim ist bittre Not;

       Da hungern vier sich – fünf sich tot!

      Der Vogt (spaßend.)

       He? Zählen ist ein schwierig Ding!

      Der Mann.

       Eins lag im Sterben, als ich ging.

      Der Vogt.

       Die Liste, Schreiber!

       (Zu dem Bauern, während er in seinen Papieren blättert:)

       Tritt zurück!

       Du stehst doch drin –? Ja. 's war Dein Glück.

       (Zum Schreiber.)

       Der Nummer Dreißig ausgeteilt! –

       Na, Leute, nur nichts übereilt!

       Niels Schneesumpf!

      Ein Mann. Hier!

      Der Vogt. Dein Teil heut macht

       Nur halb so viel als vordem, da

       Ihr nun doch weniger –

      Der Mann. Ja, ja.

       Mein Weib starb akkurat heut nacht.

      Der Vogt (notiert.)

       Fällt weg. Gespart wird nie genug.

       (Zu dem sich Entfernenden.)

       Doch bloß nicht jetzt in vollem Zug

       In eine neue Eh'!

      Der Schreiber (kichert.)

       Hi, hi!

      Der Vogt (scharf.)

       Worüber lachen Sie?

      Der Schreiber. Weil Sie,

       Herr Vogt, so spaßig reden.

      Der Vogt. Wie –?

       Mir ist durchaus nicht so zu Mut.

       Doch macht ein Scherz gar manches gut.

      Ejnar (tritt mit Agnes aus der sie umgebenden Gruppe.)

       Nun gibt die letzte Tasch' nichts mehr, –

       Notizbuch, Beutel, alles leer; –

       Ein Bettler schier komm' ich an Bord

       Und helf' mit Uhr und Stock mir fort.

      Der Vogt.

       Ja, Ihr zwei kamt zur rechten Stund'.

       Was ich gesammelt, ist zum Lachen.

       Ein jeder weiß, es macht nicht satt,

       Wenn leere Hand, halbvoller Mund

       Mit dem, der nichts zu beißen hat,

       Ihr karges Mahl gemeinsam machen.

       (Bemerkt Brand und zeigt auf ihn.)

       Willkommen! Trieb Sie der Bericht

       Der Hungersnot nach dieser Küste,

       So schonen Sie Ihr Ränzel nicht!

       Wir nehmen jeglichen Betrag,

       Denn unser Vorrat geht zur Rüste; –

       Zween Fischlein in der Armut Wüste

       Sind keine Mahlzeit heutzutag.

      Brand.

      


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