Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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ist hoher Tag. Der Fjord liegt blank und still. Agnes sitzt unten am Strande. Gleich darauf tritt Brand aus der Tür.)

      Brand.

       Er ist tot. Nun, wie geborgen

       Vor den Schrecken des Gerichts,

       Stillen, großen Angesichts,

       Liegt er, licht und frei von Sorgen.

       Wie der Tod doch Nacht in Tag

       Trügrisch umzuglühn vermag!

       Seinem höllischen Vergehen

       Sah er nicht bis auf den Grund, –

       Sah nicht mehr, als was ein Mund

       Nennt, was man mit Händen tastet,

       Was auf seinem Namen lastet:

       Was dem Kind von ihm geschehen.

       Doch die beiden, die voll Graun

       Ihre Augen an ihn hängten

       Gleich zwei Vögeln, eng gedrängten,

       Die vom Herddach niederschaun, –

       Sie, die blöd' und ratlos sahn,

       Was für Dinge da geschahn, –

       Deren Seele sich ein Fleck

       Einfraß, den kein glühend Eisen,

       Keine Säure aus ihr weg

       Tilgt, – und würden sie zu Greisen, –

       Deren Keime aus den Schollen

       Solchen Erdreichs brechen sollen, –

       Deren Wachstum, Zoll um Zoll,

       Solch ein Fluch beschatten soll, –

       Sie, die dieser Nachtgedanke

       Nimmermehr verlassen kann, –

       Sie, sie sah er nicht, der Kranke,

       Nicht, wie seiner Tat Geranke

       Sich um sie als Erben spann. –

       Und das Schuldbuch wird vielleicht

       Weiter fort und fortgereicht,

       Weil, – o Abgrund, der hier ruht! –

       Weil sie ihres Vaters Blut!

       Was wird still gestrichen werden,

       Was mild ausgeglichen werden?

       Wie weit schreibt sich eines jeden

       Haftpflicht für ererbte Schäden?

       Wer wird zeugen, wer wird richten,

       Wenn es gilt, den Stoff zu sichten?

       Wer wird dann die Wahrheit wissen,

       Wo ein jeder Delinquent?

       Wer darf weisen sein zerschlissen,

       Übertragen Dokument?

       Schwindeltiefe Rätselnächte,

       Wer Euch je zum Reden brächte!

       Doch von Sinnen und Verstande

       Tanzt der Schwarm an Abgrunds Rande; –

       Alle sollten zittern, beben, –

       Doch nicht einer sieht von tausend, Welch ein Berg von Schuld sich grausend Auftürmt auf dem Wörtlein: leben.

      (Einige Männer aus dem Dorfe kommen hinter dem Hause hervor und nähern sich Brand.)

      Ein Mann.

       Wir treffen uns zum zweiten Mal.

      Brand.

       Zu spät; zu End' ist seine Qual.

      Der Mann.

       Mag sein; doch ist's mit ihm vorbei, –

       Drin in der Stube sind noch drei.

      Brand.

       Nun, und –?

      Der Mann. Wir haben von dem da,

       Womit man uns im Dorf versah –

      Brand.

       Und gäbst Du alles – außerm Leben, So wisse, Du hast nichts gegeben.

      Der Mann.

       Hätt' ihm, der jetzt da drinnen tot,

       In seinem Nachen Not gedroht,

       Und hätt' er dort um Hilf' geklagt,

       Weiß Gott, ich hätt' mich dran gewagt.

      Brand.

       Doch Seelennot, – sie hat kein Recht?

      Der Mann.

       Wir sind ein arm, geplagt Geschlecht.

      Brand.

       So kehrt auch Eure Augen ganz

       Von Sonnenschein und Firnenglanz!

       Laßt nicht das linke aufwärts zücken

       Und hängt das rechte unverwandt

       Ans Tal, wo Ihr, mit krummen Rücken,

       Euch selber habt ins Joch gespannt.

      Der Mann.

       Ich hatt' gedacht, Dein Rat wird sein,

       Wir sollten uns daraus befrein.

      Brand.

       Ja, könntet Ihr's!

      Der Mann. Das steht bei Dir.

      Brand.

       Bei mir?

      Der Mann. Schon mancher wies uns hier

       Den Weg und sprach uns mahnend zu; –

       Doch keiner ging den Weg, wie Du.

      Brand.

       Du meinst –?

      Der Mann. Es prägt sich eine Tat Mehr ein denn tausendfacher Rat. In uns geht unser Dorf Dich an; – Denn, was uns not tut, ist ein Mann.

      Brand (unruhig.)

       Was wollt Ihr?

      Der Mann. Unser Pfarrer sei!

      Brand.

       Ich? Hier!

      Der Mann. Daß unsere Pfarrei

       Vakant ist, fand ja wohl Dein Ohr.

      Brand.

       Ja, jetzt besinn' ich mich –

      Der Mann. Vor Zeiten,

       Da konnt' der Sprengel viel bestreiten.

       Doch Mißwachs kam, das Korn erfror,

       Von Seuchen fielen Volk und Vieh,

       Den Rest warf Armut auf die Knie,

       Daß jedermann den Mut verlor; –

       Kaum daß man noch sein Brot bestritt!

       Da fiel denn auch der Pfarrer mit.

      Brand.

       Heisch' was Du willst, doch solches nicht!

       Mein wartet eine höhre Pflicht.

       Ich brauch' des Lebens großes Führen,

       Ich brauch' der Erde offne Türen.

       Doch hier? In einem Felsenkerker

       Hat Menschenzunge nicht Gewalt.

      Der Mann.

       Antworten Felsen, hallt nur stärker

       Das Wort, das voll und kraftig schallt.

      Brand.

       Wer schlöss' sich ein in finstrer Zellen,

       Besäß' er weit und breit das Land?

       Wer ackerte Geröll und Sand,

       Wär' ihm ein Erbgut zu bestellen?

       Wer wollt'


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