Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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       Wer sich in stumpfem Tagwerk töten,

       Winkt' ihm ein Weltkreis aufgetan?

      Der Mann.

       Dein Tun war klarer als Dein Wort.

      Brand.

       Was drängt Ihr mich! An Bord, an Bord!

       (Will gehen.)

      Der Mann (vertritt ihm den Weg.)

       Ist dieser Ruf, der an Dich geht,

       Das Werk, danach Dein Wille steht,

       Dir wirklich wert?

      Brand. Dies Werk ist mir

       Mein Leben selber!

      Der Mann. So bleib hier!

       (Mit Nachdruck.)

       Und gäbst Du alles – außerm Leben, So wisse, Du hast nichts gegeben.

      Brand.

       Dein Selbst, das kannst Du nicht verschenken,

       Nicht Deinen innersten Beruf.

       Umsonst, den Sturzbach abzulenken,

       Wenn Gott ihn der Bestimmung schuf,

       Den Lauf zum offnen Meer zu senken!

      Der Mann.

       Ob Sumpf und Teich sich widersetzt,

       Als Tau erreicht er's doch zuletzt.

      Brand (sieht ihn fest an.)

       Wer lehrte solches solchem Munde?

      Der Mann.

       Du selbst, in jener großen Stunde,

       Da Du Dich, spottend unsrer Angst,

       Durch Wind und Wellen vorwärts rangst,

       Da 's Dich, der armen Seel' zulieb,

       Durch Wogenbraus und Sturmgraus trieb; –

       Da überlief's uns, jung und alt,

       Wie Wind und Sonne, heiß und kalt,

       Da klang's wie Osterglockenchor – –

       (Senkt die Stimme.)

       Doch morgen ist's wohl wie zuvor.

       Da ziehn wir wieder, trüb, allein,

       Die Auferstehungsfahnen ein.

      Brand.

       Unkraft ist nimmer zukunftsvoll.

       (Hart.)

       Wer das nicht sein kann, was er soll, – Der sei nur ernstlich, was er kann, Sei ganz und gar der Erde Mann.

      Der Mann (sieht ihn eine Weile an und sagt dann:)

       Weh' Dir, der auslosch, da er ging;

       Weh' uns, die kurzer Tag umfing!

       (Er geht; die übrigen folgen ihm still.)

      Brand (sieht ihnen lange nach.)

       Schweigend, mit gebeugten Rücken,

       Zieht der stille Haufe fort;

       Seine schweren Füße rücken

       Müd' und matt ihn kaum vom Ort.

       Jeder geht, den Leib zusammen-

       krümmend, furchtgeschwächten Knies, –

       Geht wie der, von dem wir stammen,

       Da der Cherub ihn verstieß, –

       Beut, wie er, den Finsternissen

       Schläfen schuld- und kummerschwer, –

       Trägt sein harterkauftes Wissen,

       Sein verloren Glück wie er.

       Menschen hab' ich schaffen wollen,

       Neu und ganz und hehr und rein; –

       Was ist diesen Makelvollen

       Noch mit Gottes Bild gemein!

       Fort! Zu reichern Möglichkeiten!

       Helden können hier nicht streiten.

       (Will gehen, bleibt jedoch beim Anblick der am Strande sitzenden Agnes stehen.)

       Wie sie lauscht! Als schwängen Saiten

       Ihr nur hörbare Akkorde!

       Lauschend so, saß gischtumstaubt sie,

       Da das Boot den Sturm durchstampfte, –

       Lauschend hielt sie sich am Borde, –

       Lauschend schüttelte das Haupt sie,

       Wenn's die Flut zu dicht umdampfte.

       Als ob Ohr mit Auge tauschte,

       Ist's – und mit dem Aug' sie lauschte!

       (Nähert sich ihr.)

       Sind es, Mädchen, wohl des Strandes

       Linien, drauf Dein Auge feiert –?

      Agnes (ohne sich umzuwenden.)

       Nicht des Strandes noch des Landes;

       Beide liegen mir verschleiert.

       Eine größre Welt erspäh' ich;

       Scharf zur Luft steht ihre Ründung;

       Meere, breiter Ströme Mündung,

       Sonnengold durch Nebel seh' ich;

       Seh' um wolkendunkle Gipfel

       Purpurlohe ziehn und schwinden,

       Seh' die endlos öden Watten

       Einer Wüste; Palmenwipfel

       Schwanken dort in heißen Winden,

       Werfen lange, schwarze Schatten;

       Lebens ist kein Hauch zu finden, –

       Still ist's wie am Schöpfungstage;

       Und ich höre Stimmen klingen,

       Höre Zungen mir befehlen:

       Wirf Dein Alles in die Wage!

       Schweres steht Dir zu vollbringen, –

       Diese Welt sollst Du beseelen!

      Brand (mitgerissen.)

       Sag', was siehst Du mehr?

      Agnes (legt die Hand auf die Brust.)

       Hier innen

       Merk' ich Kräfte heimlich brauen,

       Spür' ich Quellen schwellend rinnen,

       Schau' ich Dämmerungen grauen.

       Wie ein All, nach allen Seiten

       Fühl' ich mein Gemüt sich weiten,

       Und ich höre mir befehlen:

       Diese Welt sollst Du beseelen! Was an Taten und Gedanken Alles kommen soll, erhebt sich, Flüstert, atmet, regt, belebt sich, Drängt nun in des Lebens Schranken; Und ein Ahnen mehr als Sehen Zeigt mir Ihn dort oben stehen, Wie er niederblickt, das Herz Voller Liebesglut und Schmerz, Licht und mild wie Morgenrot, Und betrübt doch bis zum Tod; Und ich höre Stimmen klingen: Auf zum neuen Schöpfungstage! Nun steigt oder sinkt die Wage; – Schweres steht Dir zu vollbringen.

      Brand.

       In – ja – in Dich! Dahin weist es! Dahin rollt das Rad des Geistes! Du, Dein Herz, – das sei die Sphäre, Die sich göttlich neugebäre, – Da des Willens Geier sterbe, – Die der neue Adam erbe! Geh' die Welt denn ihren Gang Unter Seufzen oder Sang; – Aber prallen wir zusammen, Trachtet sie mir Untergang, Dann, beim Himmel, setzt es Flammen! Eins begehrt ein Mann allein: Bahn frei, ganz er selbst zu sein; – Mag er alles sonst entbehren, – Dies Recht soll ihm keiner wehren. (Verstummt auf eine Weile in Gedanken und sagt dann:) Ganz er selbst! Doch das Gewicht Ihm vererbter Schuld und Pflicht? (Hält inne und blickt auf.) Wer ist die dort mit dem Stecken? Keuchend kommt, verkrümmt, verschrumpelt,


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