Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Lieben Klagen!
Agnes.
Grüss' sie! Wird die Seele ruhn,
Klär' ich ihnen selbst mein Tun.
Ejnar.
Draußen auf der Flut, der blanken,
Eilen Segel weiß vom Strand;
Ziehn wie sehnende Gedanken
Hohe Bord', in Schaumgewanden,
Jagen, fliehn dahin, zu landen
Fern in einem Zauberland!
Agnes.
Laß Du nur den Wimpel steigen;
Denk, daß ich begraben wär'.
Ejnar.
So sei schwesterlich mein eigen!
Agnes (schüttelt den Kopf.)
Uns zwei trennt ein Weltenmeer.
Ejnar.
O, dann heim zum Mutterherzen!
Agnes (leise.)
Lehrer, Bruder, Freund verscherzen?
Brand (kommt einen Schritt näher.)
Junges Weib, bedenk Dich fein.
Zwischen Stein und aber Stein,
Unter kahlen Felsenzinnen,
In der Halbnacht ewigem Spinnen
Wird mein Tag fortan hier innen
Wie ein düstrer Herbsttag sein.
Agnes.
Daß sich Dunkel tragen lerne,
Brechen durchs Gewölk die Sterne.
Brand.
Wisse, daß ich viel begehre,
Alles fordre oder nichts; Wichest Du vom Weg des Lichts, Wärst Du wie ein Wrack im Meere. Hoffe nichts mir abzudingen, Keine Nachsicht abzuringen; – Trägt Dich's Leben nicht zum Ziel, Mußt Du's stumm zum Opfer bringen!
Ejnar.
Fliehe dieses wilde Spiel!
Laß der finstren Dogmen Mann.
Leb', wie Dein Gefühl es kann!
Brand.
Wähle; – heilig sei Dein Wille!
(Ab.)
Ejnar.
Wähle zwischen Sturm und Stille!
Wenn Du jetzt Dich wirst erheben,
Wählst Du zwischen Glück und Sorgen,
Wählst Du zwischen Nacht und Morgen,
Wählst Du zwischen Tod und Leben!
Agnes (steht auf und sagt langsam:)
In die Nacht denn. Durch den Tod. –
Fernher dämmert Morgenrot.
(Sie folgt Brand auf seinem Wege. Ejnar blickt ihr eine Weile wie verloren nach, dann beugt er das Haupt und geht in der Richtung nach dem äußeren Fjord zu wieder ab.)
Dritter Akt
(Drei Jahre später. Ein kleiner, mit Steinen eingezäunter Garten am Pfarrhof, am Fuß einer hohen Bergwand. Der Fjord liegt eng und eingeschlossen im Hintergrund. Die Haustür geht in den Garten. Nachmittag.)
(Brand steht auf der Treppe vor dem Hause. Agnes sitzt auf der Stufe darunter.)
Agnes.
Geliebter Mann, – die Stirne kraus,
So spähst Du Tag um Tag nun aus –!
Brand.
Ich wart' auf Botschaft.
Agnes. Du bist bang!
Brand.
Ich wart' auf Botschaft von zuhaus.
Ich warte nun drei Jahre lang
Auf diesen Tag, der niemals tagt.
Und morgen, ward mir angesagt,
Ist es vielleicht um sie geschehen.
Agnes (sanft und zärtlich.)
Du solltest ohne Botschaft gehen.
Brand (schüttelt den Kopf.)
Bereut sie selbst nicht ihr Gebrest,
So bleib' auch ich im Schweigen fest.
Agnes.
's ist Deine Mutter.
Brand. Hab' ich Recht
Zu Götzendienst, weil's mein Geschlecht?
Agnes.
Brand, Du bist hart!
Brand. Zu Dir?
Agnes. O, nein!
Brand.
Ich warnte Dich, mein Freund zu sein.
Agnes (lächelt.)
Du sahst zu schwarz; Du hieltst nicht Wort!
Brand.
O doch; dies ist für Dich kein Ort.
Dein Aussehn ist nicht guter Art;
Für so viel Frost bist Du zu zart.
Um unser Haus hat nichts Bestand
Als Firn und Fels und Schutt und Sand.
Agnes.
Doch um so sichrer lugt's empor.
So weit schob sich der Gletscher vor,
Daß, wenn der Lenz ihn talwärts führt,
So überschreitet uns der Schwall,
Und unser Haus steht unberührt
Wie unter einem Wasserfall.
Brand.
Und keine Sonne weit und breit.
Agnes.
Sie bringt doch so voll Zärtlichkeit
Dem Berg da drüben ihren Gruß.
Brand.
Drei Wochen, ja, – zur Sommerszeit, –
Doch nie erreicht sie seinen Fuß.
Agnes (blickt ihn aufmerksam an, steht auf und sagt:)
's ist etwas, das Dich bangen macht!
Brand.
Nein, Dich!
Agnes. Nein, Dich!
Brand. Du schnürst Dich zu,
Du hehlst mir etwas!
Agnes. Brand, auch Du!
Brand.
Dir schwindelt wie vor Abgrundsnacht!
Was ist's?
Agnes. Was eben Sorgen sind – –
Brand.
Du sorgst! Um wen?
Agnes. Um unser Kind.
Brand.
Um Alf?
Agnes. Du auch!
Brand. Ja, dann und wann!
Doch nein, das tut uns Gott nicht an.
Gott ist ja gut! Mein Jungchen macht
Sich noch heraus – und wie! gib acht!
Wo ist er jetzt?
Agnes. Er schläft.