Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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Sieh her!

       Er träumt von keiner Erdbeschwer.

       Die kleine Hand ist drall und rund –

      Agnes.

       Doch bleich.

      Brand. Das wird sich wieder fügen.

      Agnes.

       Wie süß er schläft, mit tiefen Zügen!

      Brand.

       Gott segne Dich; schlaf Dich gesund!

       (Schließt die Tür.)

       Mit Dir und ihm sank Fried' und Licht

       Auf meines Tagwerks strenge Pflicht;

       Der Taten Last, der Sorgen Ring

       Ward zwischen Euch ein leichtes Ding;

       Dir dank' ich's, wenn mein Fuß nie fiel,

       Und Trost ward mir sein kindlich Spiel.

       Erst sah ich mich als Märtyrer; –

       Doch sieh, wie milde hat der Herr

       Mein ganzes Los in Glück verkehrt –

      Agnes.

       Ja, doch Du bist des Glücks auch wert.

       O Brand, hast Du gekämpft, entsagt, –

       Gedarbt, geduldet, Dich zerplagt; –

       Ich weiß, still hast Du Blut geweint –

      Brand.

       Ich trug es leicht, mit Euch vereint.

       Mit Dir zog hier die Liebe ein

       Wie lichter Frühlingssonnenschein.

       Ich hatt' ja nie um sie gewußt;

       Kalt war's an Vaters, Mutters Brust;

       Und wenn einmal ein Funke glomm,

       So fand er frostigen Willkomm.

       Es ist, als hätt' die ganze Glut

       Nur darum all die Zeit geruht,

       Zwiefache Glorie nun um ihn

       Und Dich, mein süßes Weib, zu ziehn!

      Agnes.

       Nicht nur um uns! Wer immer jetzt

       Den Fuß auf Deine Schwelle setzt,

       Wer ratlos, wer kopfhängerisch,

       Wer leidvoll, streitvoll, schwank und krank,

       Sie finden alle Speis' und Trank

       An Deines Herzens reichem Tisch.

      Brand.

       Allein durch Euch. Durch Euch erst fand

       Mein Herz der Güte himmlisch Land.

       Kein Mensch kann alle Menschen lieben, Eh' er nicht einen liebte. Ich Ward früh in Einsamkeit getrieben, – So härtete mein Herze sich –

      Agnes.

       Und doch, – Dein Lieben ist nicht weich; Und wenn Du streichelst, wird's ein Streich.

      Brand.

       Bei Dir auch?

      Agnes. Nein! Wie könnt' ich klagen! Mir gabst Du, Lieber, leicht zu tragen; – Doch mancher läßt Dich angesichts Der Fordrung: Alles oder nichts!

      Brand.

       Was rings die Welt als Lieb' anspricht,

       Das will ich nicht und kenn' ich nicht.

       Mir strahlt der Gottesliebe Bild,

       Und die ist weder sanft noch mild;

       Die macht kein Todesgrausen weich,

       Und wenn sie streichelt, wird's ein Streich.

       Was tat Gott in der Ölbergstunde,

       Da ihn der Sohn, verzweifelnd schier,

       Anflehte: Nimm den Kelch von mir!

       Nahm er dem Sohn den Kelch vom Munde?

       Nein, leeren mußt' er 'n bis zum Grunde.

      Agnes.

       O, üb' solch strenges Richteramt,

       So ist die ganze Welt verdammt.

      Brand.

       Wer weiß, wen einst Verdammnis trifft?!

       Doch steht in ewiger Flammenschrift:

       Nur dem, der treu, wird Licht zum Lohne,

       Kein Feilschen schafft des Lebens Krone!

       Du darfst der Prüfung Feu'r nicht fliehen,

       Denk nicht, daß Du's mit Angstschweiß stillst.

       Daß Du nicht kannst, wird Dir verziehen, Doch nimmermehr, daß Du nicht willst.

      Agnes.

       Ja, ja, laß alles andre schweigen!

       O, hilf mir, hilf mir mit Dir steigen;

       Lehr' mich Dein hehres Aufwärtswallen;

       Mein zager Mut will oft nicht mit;

       Oft schlägt mich Angst, mich bangt zu fallen,

       Und müd' und erdschwer schleppt mein Schritt.

      Brand.

       Den Wahlspruch, Agnes, nie vergiß:

       Nur keinen feigen Kompromiß!

       Verurteilt ist all Handeln Dein,

       Wenn Du es halb übst und zum Schein.

       Das soll man zum Gesetz erheben,

       Durch Worte nicht, doch durch sein Leben.

      Agnes (wirft sich an seine Brust.)

       Wo Du gehst, folg' auch mein Fuß schwach!

      Brand.

       Für zwei ist kein Geschröff zu jach.

      (Der Doktor ist den Weg herabgekommen und bleibt vor dem Zaun außen stehen.)

      Der Doktor.

       Ei, schnäbeln sich verliebte Tauben

       In diesen grauen Felsenlauben!

      Agnes.

       Mein altes Doktorchen! Du hier!

       O, komm doch zu uns!

       (Läuft hinab und öffnet die Gartentüre.)

      Der Doktor. Nicht zu Dir!

       Du weißt recht gut, was in mir gärt.

       An solcher Stätt' zu hausen, Kind,

       Wo Firnenhauch und Winterwind

       Eiskalt durch Leib und Seele fährt!

      Brand.

       Nicht durch die Seele.

      Der Doktor. Nicht? Nein, nein!

       Es wirft ja wirklich fast den Schein,

       Als ständ' der jähgeschlossne Bund

       Trotzdem auf festem, sicherm Grund,

       Wiewohl 's nach alter Rede heißt,

       Daß, was gebaut in hastiger Stund',

       Auch von Bestand sich kurz erweist.

      Agnes.

       Ein Sonnenkuß, ein Glockenschlag

       Weckt oft zu einem Sommertag.

      Der Doktor.

       Lebt wohl für heut! Mich ruft die Pflicht.

      Brand.

       Zu meiner Mutter?

      Der Doktor. Gehn Sie mit?

      Brand.

       Nicht jetzt.

      Der Doktor.

       Sie waren schon?

      Brand.


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