Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
(indem sie und Margit abermals zurückkommen.) Aber so sag' mir doch, Margit, –
Margit. Mehr darf ich Dir nicht sagen.
Signe. Da will ich ehrlicher gegen Dich sein. Aber antworte mir zuerst auf eins. (Verschämt, zaudernd.) Hat Dir – hat Dir niemand etwas über mich gesagt?
Margit. Über Dich? Nein; was denn?
Signe (wie vorhin, schlägt die Augen nieder.) Du hast mich heut morgen gefragt: wenn nun ein Freier erschiene –?
Margit. Jawohl. (Leise.) Knut Gaesling – sollte er schon –? (Gespannt, zu Signe.) Nun? Und dann?
Signe (leise, jubelnd.) Der Freier ist gekommen! Er ist gekommen, Margit! Damals ahnt' ich nicht, wen Du meinst: aber jetzt –!
Margit. Und was hast Du ihm geantwortet?
Signe. O, das weiß ich nicht. (Schlingt die Arme um ihren Hals.) Aber die Welt dünkt mich so schön und reich von dem Augenblick an, da er mir sagte, er hätte mich lieb.
Margit. Aber Signe, Signe, ich begreife nicht, daß Du so bald –! Du hast ihn ja bis heute kaum gekannt.
Signe. O, ich versteh' mich ja noch so wenig auf Liebe; aber eins weiß ich, wahr ist das, was in dem Liede steht:
Sie keimt so leicht; in der flüchtigsten Stund'
Faßt sie Wurzel im Herzensgrund –
Margit. Mag sein. Ist es aber so, dann hab' ich nicht länger nötig, Dir etwas zu verheimlichen. Ah –
(Sie hält plötzlich inne, da sie Knut und Gudmund näherkommen sieht.)
Knut (vergnügt.) Schau', das gefällt mir, Gudmund. Hier ist meine Hand.
Margit (leise.) Was ist das?
Gudmund (zu Knut.) Und hier die meine. (Sie schütteln einander die Hände.)
Knut. Aber nun wollen wir uns auch beide sagen, wen wir –
Gudmund. Gut. Hier auf Solhaug, unter all den schönen Weibern, hab' ich sie gefunden, die –
Knut. Ich auch. Und ich entführe sie noch heut Nacht, wenn's vonnöten ist.
Margit, (die sich unbemerkt genähert.) Alle Heiligen!
Gudmund (nickt Knut zu.) Dasselbe ist auch meine Absicht.
Signe, (die ebenfalls zugehört hat.) Gudmund!
Gudmund und Knut (flüstern miteinander, während sie beide auf Signe zeigen.) Die dort!
Gudmund (wird stutzig.) Ja, meine.
Knut (ebenso.) Nein, meine.
Margit (leise, halb verwirrt.) Signe!
Gudmund (wie vorher, zu Knut.) Was meinst Du damit?
Knut. Ich will doch Signe –
Gudmund. Signe! Signe ist meine Braut vor Gott.
Margit (mit einem Aufschrei.) Sie war's! Nein, nein!
Gudmund (sie erblickend, leise.) Margit! Sie hat alles gehört!
Knut. Alle Wetter! Steht es so? – Hört, Frau Margit, Ihr habt nicht nötig, so verwundert zu tun; ich durchschaue jetzt das Ganze.
Margit (zu Signe.) Aber Du hast doch eben gesagt –? (Erfaßt plötzlich den Zusammenhang.) Gudmund meintest Du!
Signe (verwundert.) Ja, wußtest Du das nicht? – Aber was fehlt Dir, Margit?
Margit (mit fast tonloser Stimme.) O nichts, nichts.
Knut (zu Margit.) Und heut früh, da Ihr mir mein Wort abnahmt, heut abend keinen Unfrieden hier zu stiften, – habt Ihr also gewußt, daß Gudmund Alfsön zu erwarten war! Haha, bildet Euch nur nicht ein, daß Ihr mit Knut Gaesling Possen treiben könnt! Signe ist mir lieb geworden. Noch am Vormittag war es nur mein unbesonnenes Gelübde, das mich trieb, um sie zu freien; aber jetzt –
Signe (zu Margit.) Er? Das war der Freier, an den Du dachtest?
Margit. Still, still!
Knut (ernst und bestimmt.) Frau Margit, – Ihr seid Signes ältere Schwester; eine Antwort sollt Ihr mir geben.
Margit (mit sich selbst kämpfend.) Signe hat ihren Bräutigam schon gewählt; – mehr kann ich nicht sagen.
Knut. Gut! So hab' ich auf Solhaug nichts weiter zu schaffen. Aber nach Mitternacht – merkt's Euch – da ist der Tag um! Da dürftet Ihr mich wohl wiedersehen, und dann mag das Glück entscheiden, wer Signe heimführt, Gudmund oder ich.
Gudmund. Ja, versuch's nur! Es soll Dich eine blutige Stirn kosten!
Signe (voll Angst.) Gudmund! Bei allen Heiligen –!
Knut. Hab' Geduld, hab' nur Geduld, Gudmund Alfsön! Eh' die Sonne aufgeht, bist Du in meiner Gewalt. Und sie – Deine Braut –. (Geht zur Tür, winkt und ruft leise.) Erik! Erik, komm! Fort zu unsern Gesippen! (Drohend, während Erik sich in der Tür zeigt.) Ja, – weh' Euch allen, wenn ich wiederkomme!
(Er und Erik gehen links im Hintergrund hinaus.)
Signe (leise zu Gudmund.) Ach, aber so sag' mir doch, – was soll das alles bedeuten?
Gudmund (flüsternd.) Wir müssen beide noch heut nacht Solhaug verlassen.
Signe. Gott steh' mir bei! – Du willst –!
Gudmund. Verrate uns nicht! Kein Wort zu irgend einem Menschen; nicht einmal zu Deiner Schwester.
Margit (für sich.) Sie – sie ist es! Sie, an die er kaum gedacht hat bis zum heutigen Tag. Wär' ich frei gewesen, so weiß ich wohl, wen er gewählt hätte. – Ja, frei!
(Bengt und die Gäste, Männer und Weiber, kommen aus dem Hause.)
Junge Mädchen und Bursche (singen:) Auf! Weiter hier draußen gescherzt und gelacht Auf blumigem Wiesenraine, Daß rings der Vögelein Volk erwacht Im Birkenhaine!
Auf! Weiter erbaue nun Tanz und Sang
Die fröhlichste Festgemeine, –
All Leid muß enden beim Fiedelklang
Im Birkenhaine!
Bengt. Recht, so soll es sein! Das gefällt mir! Ich bin lustig und mein Weib ist lustig; und darum sollt auch Ihr lustig sein alle miteinander.
Einer von den Gästen. Ja, laßt uns ein Versturnier veranstalten!
Viele (rufen.) Ja, ja, ein Versturnier.
Ein anderer Gast. Nein, laßt das lieber bleiben; das bringt nur Unfrieden in die Gesellschaft. (Mit gedämpfter Stimme.) Bedenkt, daß Knut Gaesling heut auf dem Schloß ist –!
Mehrere (untereinander flüsternd.) Ja, ja, das ist wahr! Ihr erinnert Euch noch an das letzte Mal, da er –. Man sei auf der Hut – das ist das Beste!
Ein alter Mann. Aber Ihr, Frau Margit –; ich weiß, Euer Geschlecht war allzeit sagenkundig, und Ihr selbst wußtet viele schöne Geschichten, da Ihr noch ein Kind wart.
Margit. Ach, ich habe sie alle, alle vergessen. Doch fragt meinen Vetter Gudmund Alfsön; der singt Euch gern eine lustige Geschichte.
Gudmund (leise, bittend.) Margit –
Margit. Ei, was setzest Du für ein kläglich Gesicht auf! Lustig, Gudmund! Lustig! Ja, ja, es fällt Dir nicht so leicht, glaub's wohl. (Lachend, zu den Gästen.) Er hat heut abend die Waldelfe geschaut. Sie wollt' ihn verführen; aber Gudmund ist ein treuer Gesell. (Wendet sich wieder zu Gudmund.) Nun ja, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Wenn Du Dein Herzlieb übers Gebirg' und durch die Wälder entführst,