Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 5 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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ihre Jungen verstoßen und nichts mehr von dem Partner wissen wollen. Es ist nun mal so in der Natur und auch bei den Menschen. Treue läßt sich nicht erzwingen. Ich war acht, als mein Vater uns verließ und mich bei meiner Mutter zurückließ. Ich war maßlos enttäuscht und böse auf ihn, sehr böse. Sechs Jahre später erfuhr ich, daß meine Mutter an einer unheilbaren Krankheit litt und meinem Vater deshalb nicht nach Deutschland folgte. Da habe ich es ihr verübelt, daß sie mir nicht die Wahrheit gesagt hat. Sie erklärte mir, daß sie es mir ersparen wollte, immer zu denken, daß sie plötzlich sterben könnte. Sie hat meinen Vater und auch mich geliebt, aber ich habe daraus gelernt, daß man sich immer die Wahrheit sagen soll. Es ist leichter, auch schwere Zeiten zusammen zu ertragen, als von Zweifeln geplagt zu werden. Ich war dadurch meinem Vater entfremdet.«

      »Aber du verstehst dich gut mit ihm? Man muß sich einfach mit ihm verstehen. Er ist so voller Güte.«

      »Er kann alles verzeihen, ja, er ist der beste Vater, aber ich wäre gern immer bei ihm gewesen.«

      Beate wollte keine Fragen nach seiner Mutter stellen. Sie spürte, daß es ein heikles Thema war. Es machte sie auf eine besondere Weise glücklich, daß er so offen mit ihr sprach. Als er ihr dann behutsam aufs Pferd half, sie hatte sich für Jolly entschieden, einen zutraulichen Haflinger, strömte wieder eine wärmende Kraft von ihm zu ihr, die eine unbekannte Sehnsucht in ihr weckte.

      Sie sah ihn an. Ihre Blicke tauchten ineinander, und ein elektrisierendes Gefühl durchzuckte sie jetzt. Es war fast so, als würde es sich Jolly mitteilen, denn er wollte gleich lostraben.

      »Hoppla, nicht so schnell, Jolly«, sagte Tim, »wir müssen schön aufpassen auf Beate.«

      »Ich fühle mich wundervoll«, sagte sie aufatmend.

      »Du mußt dein Bein schonen. Ich bekomme es mit Dad zu tun, wenn du dich überanstrengst.«

      »Davon kann gar nicht die Rede sein. Ich brauche doch nichts zu tun. Jolly geht von allein.«

      »Und wenn er plötzlich seinen Koller kriegt? Für den Anfang machst du dich sehr gut, aber auch Pferde sind manchmal unberechenbar.«

      Jolly zeigte sich von einer sehr braven Seite, und Tim konnte sehen, welchen Spaß es Beate machte, im Kreis zu gehen und dann zu traben. Sie saß im Sattel, als hätte sie das schon oft getan. Aber sie widersprach auch nicht, als Tim Halt gebot. Er half ihr auf den Boden, paßte auf, daß sie nicht mit Schwung aufkam, aber Jolly war ja nicht so hoch.

      Beate klopfte Jolly den Hals. »Morgen bringe ich dir eine Möhre mit«, versprach sie. »Da bin ich besser vorbereitet.«

      »Erst mal sehen, wie es dir bekommt«, meinte Tim.

      »Und dann möchte ich es auch gern auf Lovely probieren.«

      »Nur nichts übertreiben. Ich werde mir mal dein Bein anschauen, wie es dem bekommen ist.«

      »Verstehst du davon auch etwas?«

      Er lachte leise. »Mein Studium ist abgeschlossen, mir fehlt nur noch der Doktor, aber wenn ich mich mit dir befasse, kann ich nicht daran arbeiten. Das soll aber kein Vorwurf sein. Ich bin gern mit dir zusammen.«

      »Wirklich?« Sie wagte nicht, ihn anzusehen.

      »Ich würde es sonst nicht sagen. Das gibt es eben, Beate, daß man sich gleich mag. Ich denke, es trifft auch auf dich zu.«

      Sie nickte. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, kam Thea schnellen Schrittes näher. »Wir brauchen dich mal, Tim«, sagte sie. Es klang gereizt.

      »Wer braucht mich?« fragte er spöttisch.

      »Jens hat Magenkrämpfe.«

      Tim runzelte die Stirn.

      »Komisch, daß das immer passiert, wenn du ihn behandelst«, stellte er fest.

      Sie sah ihn empört an. »Was willst du damit sagen?« zischte sie.

      »Daß es mir aufgefallen ist, daß er bei der Heilgymnastik Krämpfe bekommt.«

      »Ich mache nichts falsch«, begehrte sie auf. »Ich brauche mir das nicht sagen zu lassen.«

      »Ich sehe ihn mir an, aber erst bringe ich Beate zum Doc.«

      Thea kniff die Augen zusammen.

      Beate spürte den giftigen Blick, obgleich sie Thea nicht ansah.

      »Ich finde mich schon allein zurecht«, sagte sie leise.

      Thea drängte sich an Tims Seite, er ging noch schneller, aber sie ließ sich nicht abschütteln.

      Beate hatte plötzlich das Gefühl, daß das eine Kampfansage bedeuten konnte, aber sie blieb unbeeindruckt, obgleich sie nicht hören konnte, wie Tim zu Thea sagte: »Tu nicht so, als würden wir zusammengehören. Das wird niemals der Fall sein. Mir wäre es peinlich, wenn ich das offiziell erklären müßte.«

      »Ich habe mir gleich gedacht, daß du etwas mit der Neuen angefangen hast«, sagte sie unbeherrscht.

      »Ich verbitte mir diese Unterstellung. Ich weiß nicht, was du dir einbildest, aber ich muß es wohl nochmals wiederholen, daß du dich vergeblich bemühst, etwas bei mir zu erreichen. Ich habe mir anfangs nichts dabei gedacht.«

      »Wir haben uns doch so gut verstanden«, bohrte sie weiter.

      »Das hast du wohl so gesehen. Bei uns herrscht das Prinzip der Freundlichkeit zueinander, ohne Ausnahme.«

      »Ich finde allemal eine andere Stellung«, sagte sie, und es klang drohend.

      »Das bleibt dir unbenommen.«

      »Deinem Vater wird es aber nicht gefallen.«

      »Wenn ich ihm sage, wie ich denke, wird er dir keine Steine in den Weg legen.«

      *

      Jens war dreizehn, durch einen schweren Sturz beim Skifahren durch einen komplizierten Beinbruch schon ein paar Monate gehandicapt. Hinzu kam, daß er von einer schlimmen Akne geplagt wurde, die hier endlich auch behandelt wurde und sich langsam besserte. Er war dadurch hochgradig empfindlich, und wie Tim bei einem langen Gespräch herausfand, regelrecht allergisch gegen Thea.

      Tim erwies sich auch als guter Psychologe. Er untersuchte ihn erst, konnte aber keine gravierenden Verspannungen im Bauchbereich feststellen.

      »Wahrscheinlich hast du gegen irgend etwas eine starke Abneigung«, meinte er. »Was kann das sein? Verrätst du es mir?«

      »Ich mag nicht, wenn Thea mich anfaßt«, stieß Jens hervor. »Ich kann sie nicht leiden, sie hat manchmal so blöde Sprüche drauf.«

      »Was für blöde Sprüche?«

      »Ich mag das nicht sagen, ich will sie auch nicht hinhängen, vielleicht ist sie einfach so, ich kenne das auch von der Schule her. Aber die Behandlung bringt nichts, weil ich sie nicht mag.«

      »Das hättest du doch schon sagen können.«

      »Das wollte ich eben auch nicht, weil es sonst wirklich nichts auszusetzen gibt. Und der Doc ist einfach große Klasse, und ich will auch nicht, daß sie erfährt, was ich sage, weil sie es abstreiten würde.«

      »Es ist schon okay, Jens, wir werden das ändern. Ich werde täglich ein paar Übungen mit dir machen, die den Muskel kräftigen. Bist du einverstanden?«

      »Na klar doch«, erwiderte Jens. »Vielen Dank. Jetzt geht es mir gleich besser.«

      Er hatte keine Magenkrämpfe gehabt, er hatte nur so getan. Tim war das gleich klargewesen, Thea anscheinend auch.

      »Hat er wieder mal simuliert?« fragte sie, als Tim aus dem Raum kam.

      »Wir streichen die Bewegungstherapie, ich werde mich selbst um ihn kümmern«, erwiderte Tim ruhig.

      »Versuchst du jetzt, mir etwas anzuhängen?« echauffierte sie sich.

      »Nein, ich halte nur eine andere Behandlung für Jens besser.«

      »Er


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