Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
ich nicht lache! Sensibel soll der sein? Unverschämt ist er. Ich möchte wissen, was er über mich gesagt hat.«
»Nichts hat er gesagt. Du scheinst ein verdammt schlechtes Gewissen zu haben. Aber jetzt ist darüber genug geredet. Der Fall ist erledigt.«
Er ließ sie stehen, und diesmal lief sie ihm nicht nach. Er ging zur Schwimmhalle, wo gerade Wassergymnastik im Gange war. Es waren sechs ältere Patienten, die dabei sichtlich Spaß hatten. Überall herrschte Harmonie, der einzige Fremdkörper schien tatsächlich Thea zu sein. Aber Tim war es auch bewußt, daß man sie nicht einfach auf die Straße setzen konnte, wenn sonst keine Klagen gegen sie vorlagen. Er war plötzlich besorgt, daß sie gegen Beate intrigieren würde.
*
Wie es Beate vorausgesagt hatte, rief Andy abends an. Beate verließ gleich das Zimmer, damit Janine ungestört mit ihm reden konnte.
Als sie in die Halle kam, wurde sie dort ans Telefon gerufen.
»Gut, daß du gerade kommst, deine Mutter ruft an«, sagte Schwester Rosi. »Euer Zimmertelefon ist besetzt.«
»Janine telefoniert.« Beate nahm den Hörer aus Rosis Hand. »Du kannst auch ins Büro gehen«, sagte Rosi.
Beate schüttelte den Kopf. »Hallo, Mama, wie geht es euch?« fragte sie. Inge wollte lieber wissen, wie sie sich fühle, und ob ihr die Therapie bekäme.
»Ich bin heute schon ein Weilchen geritten, es war herrlich, und es ist überhaupt alles bestens. Ihr braucht euch keine Gedanken zu machen.«
Tim kam von draußen herein, und gleich geriet Beate ins Stocken. »Ich schreibe euch alles mal ausführlich, sag Papa liebe Grüße und sei nicht ärgerlich, wenn er später kommt.«
Das hätte sie sich schon abgewöhnt, sagte Inge noch.
Tim war ins Büro gegangen, aber als Beate in den Park ging, folgte er ihr.
»Ich möchte dir sagen, daß du dir Theas Benehmen nicht zu Herzen nimmst. Ich habe ihr die Meinung gesagt.«
»Ich mache mir darüber keine Gedanken.«
»Wirklich nicht?«
»Nein, was war mit Jens?«
»Er reagiert auch allergisch auf Thea. Sie wird ihn nicht mehr behandeln.«
»Thea erinnert irgendwie an Janines Mutter, das hat Janine selbst gesagt. Ich würde sicher auch nicht gern von ihr behandelt werden, wenn ich das sagen darf.«
»Natürlich darfst du es sagen. Es ist besser, man weiß vorher Bescheid, dann kann man sich danach richten. Du wirst bestimmt nichts mit ihr zu tun haben, das habe ich mit Dad schon besprochen. Außerdem hast du schon wieder eine gute Kondition, hat er gesagt.«
»Ich bleibe aber so lange wie Janine«, erklärte sie hastig.
»Das will ich auch hoffen.« Seine Stimme klang ganz weich und war wie ein sanftes Streicheln.
»Ich muß jetzt wieder zu Janine gehen. Sie hat mit Andy telefoniert, da wollte ich nicht stören.«
»Ist es die erste Liebe?« fragte er lächelnd.
»Die erste und einzige. Sie werden heiraten, ganz gleich, wie sich bei Janine alles entwickelt.«
»Dann ist es Liebe«, sagte Tim betont. »Aber hoffen wir das beste für Janine.«
»Ich könnte endlich wieder ganz glücklich sein, wenn wir zusammen wandern könnten.«
»Seid ihr viel gewandert?«
Beate nickte. »Wir haben alles gemeinsam gemacht, auch dann, als Janine Andy kennenlernte.« Sie lachte leise. »Wir haben immer gesagt, daß ein Mann das in Kauf nehmen muß, und Andy hat es akzeptiert.«
»Das ist selten der Fall«, sagte Tim.
»Du würdest es nicht akzeptieren?«
»Es kommt auf die Freundin an. Leider ist es doch häufig der Fall, daß da dann doch Eifersucht mitspielt und es auch andere Störfaktoren gibt.«
»Das war bei uns nie ein Thema. Wir waren wie Zwillinge. Das wird sicher ein bißchen anders, wenn Janine und Andy verheiratet sind und Kinder haben. Sie wünschen sich Kinder, und ich werde dann Patin.«
»Aber wahrscheinlich heiratest du auch und wirst auch Kinder haben. Wenn die Freundschaft dann noch hält, kann man ihr Seltenheitswert zubilligen. Aber ich finde es schön, daß ihr euch so gut versteht. Ich habe immer die Erfahrung gemacht, daß Mädchen oberflächlich sind und Frauen intrigant.«
»Du hast also keine gute Meinung von Mädchen und Frauen?«
»Ich kann unterscheiden, Beate, von euch beiden habe ich eine sehr gute Meinung, obgleich wir uns erst so kurz kennen.«
»Das freut mich«, sagte sie leise.
Er hätte sie am liebsten in die Arme genommen, so sehr rührte es ihn, wie jung und scheu sie vor ihm stand.
»Jetzt darf ich Janine aber nicht mehr länger warten lassen«, sagte sie hastig. »Ich wünsche dir einen schönen Abend, und danke für das Gespräch.«
Er sah ihr gedankenverloren nach und merkte gar nicht, wie sein Vater nahte.
»Sie ist ein bezauberndes Mädchen«, sagte Jonas Albrecht, »aber das hast du ja anscheinend auch schon festgestellt.«
»Sie ist aus einer anderen Welt, Dad, einer Welt, in der es noch Ideale gibt und Träume und ethische Werte. Man möchte sie beschützen, und ich will nicht, daß Thea sie verletzt.«
»Warum denkst du das?«
»Weil Thea spürt, daß ich sehr gern mit Beate zusammen bin. Ich habe ihr eindeutig zu verstehen gegeben, daß sie sich keine Hoffnung machen soll, bei mir zu landen.«
»Ich habe nicht gedacht, daß sie es darauf anlegt.«
»Du siehst ja auch nur immer das Gute in den Menschen, Dad. Aber leider sind Güte und Liebe nicht ansteckend, dazu muß die innere Bereitschaft vorhanden sein.«
»Mein kluger Sohn, als ob ich das nicht weiß! Ich bin halt immer bemüht, das Positive in den Mitmenschen zu wecken und habe damit ja auch Erfolg.«
»Ich widerspreche nicht, aber du willst nicht wahrhaben, wenn jemand boshaft, gehässig und intrigant ist, wenn er im Beruf tüchtig ist.«
»Manchmal übersehe ich auch etwas«, stellte der Doc schmunzelnd fest. »Mir hat Thea auch noch nie so schöne Augen gemacht.«
»Du hast es nur nicht zur Kenntnis genommen, lieber Dad. Sie versucht es bei jedem, das ist so ihre Natur, aber auf mich hat sie es abgesehen. Seit Beate hier ist, geht sie in die Offensive. Ich hoffe nur, daß sie sich jetzt zurückhält, aber ich traue ihr zu, daß sie sich was einfallen läßt, um Beate zu provozieren.«
»Was ihr nicht gelingen wird. Sie wird Beate nicht behandeln, auch Janine nicht. Das tue ich selbst.«
»Oder ich. Soviel verstehe ich auch, ich bin schließlich dein Sohn.«
*
»Du hättest nicht so lange fortbleiben müssen, Bea«, empfing Janine die Freundin. So teure Telefonate können wir nicht führen.«
»Ich habe mich mit Tim verplaudert«, erklärte Beate beiläufig.
Janine warf ihr einen forschenden Blick zu. »Er ist sehr nett, das findest du wohl auch?«
»Er ist gescheit, man kann gut mit ihm reden. Er ist übrigens auch Arzt, macht gerade seine Doktorarbeit.«
»Und er versteht auch etwas von Pferden«, sagte Janine lächelnd.
»Außerdem gefällt es ihm, daß wir so gute Freundinnen sind. Das sei sehr selten, meint er.«
»Das hat Andy auch schon gesagt. Er hat sehr viel zu tun, aber am Wochenende kommt er. Ich muß mich mal erkundigen, wo er in der Nähe übernachten kann.«
Das