Erich Mühsam: Verse eines Kämpfers (151 Gedichte in einem Band). Erich Muhsam
steht eklig da das Luder
und faucht und stinkt.
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Den Schnürleib sittlicher Kultur
warf sie zum Kunstkorsette.
Statt Rippen Bajonette
hält feil die Hur.
Europa, mach das Hemde zu!
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Der Anblick deiner Nacktheit
ist Gift und Abgeschmacktheit.
Krepiere, Du!
Ghasel
März 1916
Euer Schicksal sind stets eure Taten, Menschen!
Will des Schaffens Glück euch nicht geraten, Menschen,
klagt euch selber nur der Unterlassung an.
Schwer von Brotfrucht prangten eure Saaten, Menschen.
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Doch die Friedensarbeit ließ euch unbeglückt,
und aus freien Brüdern wurden Staatenmenschen.
Normen gabt ihr und Gesetze euerm Neid,
wurdet selbst zu Knechten und Soldaten, Menschen;
und ihr setztet in die Welt Gewalt und Krieg,
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und durch blutige Leichenfelder waten Menschen.
Haltet ein! Besinnt euch auf den Gottberuf!
Heil und Trost stiebt nicht aus den Granaten, Menschen!
Auf den Weg, von euerm Eifer ausgeschürft,
drängen schlitzgeäugelt die Asiatenmenschen. –
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Leidvoll mahnend ruft der Weltenfreund euch zu:
Werdet ewigen Erdenfriedens Paten, Menschen!
Denn es werden vor den Künftigen nur bestehn
die dem dritten Reich im Geist genahten Menschen.
Klage
April 1916
Wir haben den Frieden erstrebt und gewollt.
Da ist der Krieg in die Welt gerollt.
Und der Brand hat gezehrt, und der Tod hat gesenst,
und der gütige Gott ward zum Haßgespenst.
Wehe!
Wir boten den Menschen Glück und Vernunft.
Der Habgier gaben sie Unterkunft.
Sie trauten des Neides unheiliger Schrift.
Neid goß ihnen Kugeln; Neid mischt' ihnen Gift.
Wehe!
Wir sangen den Völkern ein Freiheitslied.
Sie traten für ihre Beherrscher ins Glied.
Sie kämpften für ihrer Beherrscher Macht
und wähnten sich ihrer Kinder Wacht.
Wehe!
Wir haben gerufen und haben gewarnt.
Das Grausen wankt heran, getarnt.
Es schlug sich den Mantel um Kopf und Kinn
und schlug ihn den Menschen um Blick und Sinn.
Wehe!
Wir haben dem grinsenden Grausen gewehrt.
Sie gaben ihm Hand Herz oder Schwert.
Das Grausen führte dem Schwert die Hand.
Millionen Leiber zuckten im Sand.
Wehe!
Wir schrein unser Wehe! in Kampf und Pein.
Die Erde wird Grab und Asche sein.
Drei Herrinnen recken die Arme frei:
die Habgier, die Mordlust, die Sklaverei. –
Wehe!
Hungersnot
Mai 1916
Viele Hunderttausende liegen tot,
tief ins geschändete Ackerland
von Eisengeziefer niedergestreckt.
Aus ihren Gebeinen kriecht und droht
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und aus den Wüsten von Schutt und Brand –
und nagt am Volksmark und saugt und leckt
des Krieges Schwester, die Hungersnot.
Sie nistet über Dächern und Tor,
sie senkt sich über Menschen und Vieh,
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kreist über den Dörfern – ohne Laut.
Kein Auge kann sie erspähn, kein Ohr;
doch alle Sinne wittern sie,
erschaudernd wirft sich jede Haut,
und jedes Haar strafft sich empor.
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Die Blicke irren hohl und starr.
Ein Kind zerrt bang an der Mutter Schurz.
Zum Kirchhof fährt ein winziger Sarg.
Der Ortsschulz und Gemeindepfarr
beraten bleich. Ihr Atem geht kurz.
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Schon wird’s in der eigenen Küche karg. –
„Wir haben gesiegt!“ lallt blöd ein Narr.
Das Heer, das tot in der Fremde liegt,
das schafft der Heimat kein Brot herbei.
Doch viele zieht es sich nach in den Grund,
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die niemands Feind sind, von niemand bekriegt. –
Millionen modern, von Jammer frei...
Irr tönt aus dorrendem, lallendem Mund
der Narren Ruf: „Wir haben gesiegt!
Spruch Gehe zur gesprochenen Version
Juni 1916
Wenn ihr mich weinen seht,
fragt nicht, warum.
Leid, das in Tränen steht,
tröstet sich stumm.
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Wenn ihr mich fluchen hört,
stimmt mich nicht mild.
Zorn, der sich laut empört,
schmilzt, wenn er schilt.