MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 2). Robert Mccammon
es mir.« Woodward streckte die Hand aus und nahm das Dokument entgegen. Er kniff die Augen zusammen, las es beim Licht, das durch das Fenster strömte, und nickte dann zufrieden. »Die Feder, bitte.« Geistesgegenwärtig, oder vielmehr automatisch, tauchte Matthew die Feder in die Tinte und tupfte sie kurz ab, bevor er sie Woodward gab.
Woodward unterzeichnete mit seinem Namen, unter den er seinen Titel als kolonialer Richter schrieb. Normalerweise käme noch ein offizielles Siegel hinzu, aber das Siegel war wie seine restlichen Sachen dem schurkisch veranlagten Will Shawcombe zum Opfer gefallen. Dann reichte er die Urkunde und die Feder an Matthew zurück, der wusste, was von ihm erwartet wurde. Wie betäubt unterschrieb Matthew neben Woodwards Namen und fügte seinen Titel als Gerichtsdiener hinzu.
Damit war es vollbracht.
»Du kannst es der Angeklagten vorlesen«, sagte Woodward und vermied es, seinem Büttel ins Gesicht zu schauen, da er keine Zweifel hegte, was er dort sehen würde. »Und nimm Bidwell mit. Der soll es auch hören.«
Matthew wurde klar, dass es nichts nützte, das Unvermeidliche heraus zu zögern. Langsam stand er auf. Immer noch wie betäubt ging er zur Tür, das Urteil in der Hand.
»Matthew?«, sagte Woodward. »Auch wenn du mich für … herzlos und grausam hältst …« Er verstummte und schluckte dicken Eiter. »Es ist aber das angemessene Urteil. Die Hexe muss verbrannt werden … und zwar zum Wohle der Allgemeinheit.«
»Sie ist unschuldig«, brachte Matthew heraus. Er starrte zu Boden. »Noch kann ich nichts beweisen, aber ich habe vor, weiterhin …«
»Du machst dir etwas vor … und es ist an der Zeit, dass du damit aufhörst.«
Matthew drehte sich mit wütendem Blick um. »Ihr habt Unrecht, Sir«, erwiderte er. »Rachel ist keine Hexe, sie wird wie eine Schachfigur benutzt. Oh ja, alle Voraussetzungen für den Tod auf dem Scheiterhaufen sind erfüllt worden, und es geht alles ganz genau nach der Rechtsprechung, Sir, aber ich will verdammt sein, wenn ich eine Unschuldige aufgrund von Gerüchten und wilden Fantasien ihr Leben verlieren lasse!«
»Deine Aufgabe ist, das Urteil zu verkünden! Nicht mehr und nicht weniger!«, krächzte Woodward.
»Ich werde es verkünden.« Matthew nickte. »Und dann werde ich mir den Mund mit Rum waschen – aber aufgeben werde ich nicht! Wenn sie am Montag verbrannt werden soll, bleiben mir noch fünf Tage, um ihre Unschuld zu beweisen. Und bei Gott, das habe ich vor!«
Woodward hatte eine säuerliche Antwort parat, aber ihm schwanden die Kräfte. »Tu, was du nicht lassen kannst«, sagte er. »Ich kann dich nicht … vor deinem Nachtvogel beschützen, nicht wahr?«
»Meine einzige Befürchtung ist, dass Rachel verbrannt wird, bevor ich beweisen kann, wer ihren Mann und Reverend Grove ermordet hat. Ich weiß nicht, wie ich das vor mir verantworten könnte.«
»Heiliger Gott.« Die Worte wurden mehr gestöhnt als gesprochen. Woodward schloss die Augen. Ihm wurde ganz schwindlig. »Sie hat dich ganz und gar … und du merkst es nicht mal.«
»Sie hat mein ganzes Vertrauen, falls es das ist, worauf Ihr anspielt.«
»Sie hat deine Seele.« Woodward schlug die Augen auf, die jetzt tief in den Höhlen lagen und blutunterlaufen waren. »Ich sehne mich nach dem Moment, in dem wir diesen Ort verlassen werden. Nach Charles Town zurückfahren … in die Zivilisation, wo die Vernunft herrscht. Wenn ich wieder gesund bin, vergessen wir das hier. Und dann … wenn du wieder klar sehen kannst … wirst du erkennen, welch große Gefahr dich in Versuchung geführt hat.«
Matthew musste aus dem Zimmer hinaus, denn der Richter brabbelte nur noch. Er konnte es nicht ertragen, diesen Mann, der so stolz, so erhaben und so korrekt war, zu einem vom Fieber verdummten Narren werden zu sehen.
»Ich gehe«, sagte er, zögerte dann aber doch, das Schlafzimmer zu verlassen. Mit weicherer Stimme fragte er: »Kann ich Euch irgendetwas bringen?« Denn harsche Worte nützten nun nichts mehr.
Woodward atmete mühsam ein und wieder aus. »Ich will …«, begann er, aber sein gequälter Hals fühlte sich an, als würde er gleich zugeschnürt, und er musste es nochmals versuchen. »Ich will … dass es wieder so wie früher … mit uns ist. Bevor wir in diese verfluchte Stadt gekommen sind. Ich will, dass wir nach Charles Town zurückfahren … und weitermachen, als ob nie etwas passiert ist.« Er sah Matthew hoffnungsvoll an. »In Ordnung?«
Matthew stand am Fenster und starrte auf den vom Sonnenlicht überfluteten Ort hinaus. Der Himmel war inzwischen strahlendblau, obwohl Matthew sich so fühlte, als würde es in Strömen regnen. Er wusste, was der Richter gern hören wollte. Er wusste, dass er sich dann besser fühlen würde – aber es wäre nicht die Wahrheit. »Ich wünschte, es könnte so sein, Sir«, sagte er leise. »Aber Ihr wisst genauso gut wie ich, dass es nicht so sein wird. Ich mag zwar Euer Gerichtsdiener sein … und Euer Mündel und in Eurem Haus leben … aber ich bin ein Mann, Sir. Wenn ich nicht für das kämpfe, was ich für die Wahrheit halte – was für ein Mann bin ich dann? Ganz sicher ein anderer, als Ihr mich zu sein gelehrt habt. Ihr bittet mich also um etwas, das ich Euch nicht geben kann, Isaac.«
Ein langes, gequältes Schweigen entstand. Dann sprach der Richter mit seiner rasselnden Stimme. »Geh.«
Matthew verließ das Zimmer und ging mit der verhassten Urkunde nach unten, wo Bidwell bereits wartete.
Kapitel 3
»Der Richter hat sein Urteil gefällt«, sagte Matthew. Rachel, die in ihre Sackleinenkutte gehüllt, die Kapuze bis ins Gesicht gezogen, auf ihrer Bank saß, hatte sich nicht bewegt, seit Matthew und Bidwell das Gefängnis betreten hatten. Jetzt nickte sie nur kurz, um zu zeigen, dass sie verstand, was ihr gleich verkündet werden würde.
»Na los, lasst es uns hören!« Bidwell hatte es so eilig gehabt, dass er verlangt hatte, zu Fuß zu gehen, statt auf das Anspannen der Pferde zu warten. Er konnte es kaum noch erwarten.
Matthew stand unter der offenen Dachluke. Er rollte das Papier auseinander und begann mit ruhiger, ausdrucksloser Stimme die Einleitung vorzulesen. Hinter ihm ging Bidwell auf und ab. Als Matthew an die Stelle gelangte, die mit den Worten »der Anklage des Mordes an Reverend Burlton Grove« begann, blieb der Herrscher von Fount Royal plötzlich stehen. Matthew konnte den gierigen Atem des Mannes hinter seinem Rücken hören. »Schuldig.«
Ein Knall durchschnitt die Stille, als Bidwell sich triumphierend mit der Faust auf die Handfläche schlug. Matthew zuckte zusammen, konzentrierte seine Aufmerksamkeit aber auf Rachel. Sie zeigte keinerlei Reaktion. »Mit einer Einschränkung«, fuhr Matthew fort. »Dass die Angeklagte den Mord nicht selbst begangen hat, sondern ihn durch ihre Worte, Taten oder ihren Umgang veranlasst hat.«
»Ja, aber das ist doch alles das gleiche, oder?«, krähte Bidwell. »Als hätte sie es mit ihren eigenen Händen getan!«
Matthew zwang sich weiterzulesen. »Ich befinde die besagte Angeklagte der Anklage des Mordes an Daniel Howarth schuldig – mit einer Einschränkung.« Diesmal stieß Rachel bei dem Wort »schuldig« einen leisen Schrei aus und senkte den Kopf. »Dass die Angeklagte den Mord nicht selbst begangen hat, sondern ihn durch ihre Worte, Taten oder ihren Umgang veranlasst hat.«
»Wunderbar, wunderbar!« Bidwell klatschte freudig in die Hände.
Matthew starrte dem Mann wütend in sein grinsendes Gesicht. »Würdet Ihr Euch bitte zusammennehmen? Wir sind hier nicht in einem billigen Theaterstück, in dem Zwischenrufe von einem Idioten in der Galerie benötigt werden!«
Bidwell grinste nur noch breiter. »Ach, sagt doch, was Ihr wollt! Lest das gesegnete Urteil vor!«
Matthews Aufgabe, die er auf die Anweisung des Richters hin sowohl vor ganz alltäglichen Gaunern als auch besonders perfiden Kriminellen ausgeführt hatte, entwickelte sich zu einem Ausdauertest. Er musste weitermachen. »Ich befinde die besagte Angeklagte der Anklage der Hexerei …«, las er Rachel vor und konnte kaum weitersprechen, da seine Kehle wie zugeschnürt war. Aber das furchtbare Wort musste