Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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und das ist die Freude, die ich an dem Besitz des Falkenhofes habe,« rief Dolores lebhaft. »Es soll alles in dem lieben alten Haus schön werden und bewohnbar!«

      »Werden aber dazu die Revenüen ausreichen?« fragte Ruß lächelnd mit lauerndem Blick.

      Sie errötete über die undelikate Frage und wollte erst darüber hinweggehen, aber dann besann sie sich eines anderen.

      »Die Renovationen werden aus meinen Mitteln bestritten, und die Revenüen, die ich niemals berühren werde, lasse ich in Papieren anlegen,« sagte sie kühl mit dem langsam und nicht ohne Bitterkeit gesprochenen Nachsatz: »Es soll niemand sagen dürfen, daß ich auch nur einen Groschen verschwendet hätte.«

      »O wie edel gedacht!« rief Ruß bewegt. »Aber, beste Dolores, wem würde es einfallen, eine solche Anklage zu erheben? Ein jeder Erbe des Falkenhofes ist berechtigt, die Revenüen zu verbrauchen, wie es ihm beliebt. Und besonders in Ihrem Falle sind solche Gedanken nicht am Orte, da es ja doch zu erwarten steht, daß nach dem in dem Testament des seligen Barons ausgesprochenen zarten Wunsche und dem von Alfreds Mutter, nicht erst zu reden von dem meinigen, der letzte Falkner und die Lehnsherrin vom Falkenhof eins werden am Traualtar, und –«

      »Genug!« unterbrach ihn Dolores gebieterisch. Sie war aufgesprungen und stand jetzt ernst und bleich vor dem Doktor. »Ich hatte Ihnen mehr Zartgefühl zugetraut, und gehofft, daß niemand mehr jenen Passus in dem Testament vor mir erwähnen würde. Ihre sowie Ihrer Gemahlin Wünsche haben keinen Einfluß auf meine Entschlüsse, und zum Glück auch nur einen verneinenden auf die des Baron Alfred. Er oder seine Kinder werden dereinst das Erbe antreten, um dessentwillen ich manche bittere Stunde gehabt habe –«

      »Aber beste Dolores, Sie werden doch nicht glauben, daß wir Ihnen dasselbe nicht gönnen?« rief der Doktor im Tone gekränkter Unschuld. »Bedenken Sie doch auch nur, wie natürlich unsere Hoffnungen sind. Und wissen Sie, daß es eigentlich Ihre heilige Pflicht ist, dem Wunsch des Verstorbenen zu entsprechen, daß –«

      »Ich wünsche keine Vorlesung über meine Pflichten von Ihnen,« unterbrach sie ihn kalt. »Und wenn Ihnen daran liegt, daß wir Freunde bleiben, so berühren Sie dies Thema nicht wieder – ich will es nicht. Streichen Sie dasselbe ein für allemal von Ihrem Wunschzettel und erinnern Sie sich gefälligst daran, daß ich Sie nicht zu meinem Gewissensrat ernannt oder gewünscht habe. Ich hoffe, wir verstehen einander jetzt!«

      »Vollkommen! Ihre Wünsche lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig,« sagte Doktor Ruß sanft und mit gesenktem Blick. »Aufrichtigkeit ist die Basis der Freundschaft, liebe Dolores, und ich sehe zu meiner Freude, daß diese Theorie ein Grundzug Ihres Charakters ist. Halt – rief meine Frau drunten nicht nach mir?«

      Wirklich klang es in scharfen Tönen: »Ruß! Ruß, wo bist du?« von unten herauf, und der Doktor benutzte diesen höchst willkommenen Grund seiner Entfernung zu einer gloriosen Retraite. Er ergriff Dolores' Rechte und küßte sie chevaleresk.

      »Gestatten Sie mir diesen Zoll meiner Bewunderung,« sagte er schmelzend und ohne es bemerken zu wollen, daß sie ihm ihre Hand heftig entzog. »Wahrhaft feste Charaktere, die den Wahlspruch: »L'état c'est moi« zu dem ihrigen gemacht haben, sind selten geworden in unseren Tagen! Leben Sie wohl, teure Freundin!«

      Dolores wandte sich, mit Mühe ihren Zorn beherrschend, ab, und Doktor Ruß verschwand. Hätte sie draußen sein Gesicht sehen können, wie es sich momentan verzerrte, wie die bebrillten Augen den Blick eines gereizten Panthers zurückschossen – es wäre ihr vielleicht bange geworden vor dem Gedanken, mit diesem Manne unter gleichem Dach zu wohnen.

      Aber ein Mann wie Ruß gestattet sich kein Verweilen bei Gefühlsausbrüchen – sein Antlitz ward sofort wieder wie ehedem – sanft und freundlich.

      »Ruhe, Ruhe,« gelobte er sich selbst. »Adelheid darf nichts davon erfahren – sie würde den Falkenhof sofort verlassen wollen. Aber ich will es nicht und werde schon die Kraft finden, weitere Insolenzen dieser Donna Dolores zu ertragen, denn sie hat die Macht und die Mittel, und ich stehe vis-à-vis de rien, ein armer Teufel! Wie sie auf mich herabsah – ich sollte mich wahrscheinlich vor den sprühenden, schwarzen Augen fürchten! Nein, mein Goldfasanchen, du hebst mich nicht aus dem Sattel! Wir wissen jetzt, was wir wissen wollen, und im übrigen stehst du in meiner Macht.«

      Es ist schon so viel darüber gesagt worden, und wir armen, kurzsichtigen Menschenkinder haben schon so oft Grund gehabt, der Vorsehung dafür zu danken, daß sie den Schleier der Zukunft vor uns nicht lüftet, und doch, könnten wir manchmal anderen ins Herz schauen, so würde uns das Rätsel der Zukunft vielleicht leichter zu lösen sein und uns vor Ungerechtigkeit, Mißtrauen und – Unheil bewahren. Denn trügerischer als das Meer, das dich heut' auf sanfter Welle wiegt, um dich morgen zu begraben, tückischer als die hölzerne Brücke, die über den Abgrund führt und innen morsch und verfault nur des Fußes harrt, dessen Schritt sie zerbricht, und den Wanderer in schauerliche Tiefen stürzt, kränker als die blühende Rose, der tief im Kelche der Wurm nagt, und veränderlicher als Aprilwetter ist das Menschenherz.

      Hätte Dolores in das Herz des Mannes sehen können, dem sie Gastfreundschaft gewährte, es wäre vieles anders geworden, vieles Leid wäre ihr erspart geblieben. So aber sah sie in seiner Indiskretion nichts als Neugierde und den natürlichen Drang, eine Ehe zu stiften, die von Vorteil für ihn und die Seinen war. Er hatte geglaubt, nunmehr genug Macht über sie zu besitzen, um mit ihr über das heikle Thema reden zu können, aber er hatte sich geirrt. In dieser letzteren Annahme täuschte sich Dolores nicht – Doktor Ruß hatte in der That geglaubt, einen geistigen Einfluß auf die Herrin des Falkenhofes auszuüben und durch seine Beredsamkeit auf sie wirken zu können.

      »Er hat sehr recht: l'état c'est moi!« dachte Dolores mit stolzem Aufwerfen des Kopfes. »Denn wenn er meinte, allmählich das Regiment auf dem Falkenhof an sich reißen zu können, indem er mich dominierte, so war das ein Irrtum dieses Mannes.«

      Übrigens empfand Dolores bei dem Gedanken, mit Ruß und seiner Frau fernerhin zusammen wohnen zu müssen, kein Behagen, aber was war dagegen zu thun? Sie konnte ihre Gäste nicht gehen heißen, und von selbst gingen sie eben nicht, trotzdem Falkner, wie sie wohl wußte, ihr Bleiben nicht billigte, und eine impulsiv erwiesene Freundlichkeit, zu der sie sich verpflichtet gefühlt, zog Konsequenzen nach sich, die sich gar nicht berechnen ließen und deren Ungeheuerlichkeiten niemand träumen konnte.

      So kam es, daß Dolores verstimmt das düstere Haus verließ, um Sammlung unter den rauschenden Bäumen ihres Parkes zu suchen.

      Unterwegs begegnete ihr Engels mit Knieper, dem Dächsel, der freudebellend auf sie einstürmte und das Übermaß seiner Gefühle in einem rasenden Rundlauf kundthat.

      »Wie das kluge Tier Ihnen gut ist!« rief der alte Inspektor mit Bewunderung.

      »Ja,« sagte Dolores mehr traurig als bitter, »es ist das einzige Geschöpf auf dem Falkenhof, das mir freundlich wegen meiner selbst begegnet, das in mir nicht den Eindringling und den Usurpator sieht.«

      »So? thue ich das etwa?« fragte Engels entrüstet in seiner derben Weise.

      »Nein, nein! Sie sind ja mein einziger Freund hier!« rief Dolores, ihm die Hand reichend.

      »Na, und Doktor Ruß, was ist der?« sondierte der Inspektor.

      »Ach Engels, ich wollte, der wäre erst fort von hier!« seufzte sie mit einem Blick nach rückwärts.

      »Hahaha, weht der Wind jetzt so?« sagte Engels und lachte, daß er sich schüttelte. »Na, Fräulein Dolores, ich unterschreibe ihm heut' noch gern den Reisepaß. Wir beide, er und ich nämlich, wir waren einander nie sehr grün, wissen Sie! Na, seien Sie unbesorgt – ich werde ihm schon einmal mit dem Zaunpfahl winken!«

      »Um Gottes willen, Engels! Er bleibt ja immer mein Gast, bedenken Sie das!«

      »Ach, Papperlapapp, Fräulein Dolores,« rief der alte Inspektor verächtlich. »Sehen Sie, feine Winke versteht der Doktor Schlauberger ebensogut wie grobe, denn er ist mit allen Hunden gehetzt, der Blutegel der, aber feine Winke will er nicht verstehen. Für


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