Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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      »Das Lied ist ja recht hübsch,« fuhr die Prinzeß im Protektortone fort, »aber finden Sie einen Sinn darin? Es ist alles so unklar. Natürlich, Opernsängerinnen verstehen das alles furchtbar raffiniert vorzutragen, darin liegt's!«

      Es war kein hübscher Ton und kein hübscher Blick, mit dem das naive, fürstliche Backfischchen dort das Wort: »Opernsängerin« begleitete, und Falkner ward frappiert davon. War das Eifersucht, was so gehässig aus dem Kindermunde dort sprach –?

      Drinnen ward wieder ein Accord angeschlagen, und sie gingen hinein. Am Flügel saß der Erbprinz und sang, sich selbst begleitend, mit nicht großer, aber wohllautender und gut geschulter Stimme das Minnelied des ritterlichen Troubadours aus der »Satanella«:

      Ich hab' mir süßen Minnedienst erkoren –

      Prinz Emil sang der Schöpferin des Liedes zu Ehren, er sang nur für sie und that es mit Feuer, und Dolores dankte ihm freundlich, als er geendet. Natürlich ward sie dann bestürmt, das berühmte Teufelinnenlied auf dem Scheiterhaufen zu singen, und sie that es ohne Ziererei, aber sie fand zu ihrer Verwunderung, daß ihr das eigene Werk fremd geworden war.

      »Ich habe Ihr Werk studiert und freue mich, daß ich seine Schöpferin kenne,« sagte Prinzeß Alexandra, als der kleine Kreis darauf zusammensaß und eine Erfrischung nahm.

      »Denn ohne dieses Kennenlernen, Aug' in Aug', möchte man denken, Sie glaubten selbst an Ihre Satanella, die Sie ja unvergleichlich dargestellt haben sollen –«

      »Hinreißend!« rief der Erbprinz dazwischen.

      »Wer weiß, Durchlaucht, ob dem nicht so ist,« erwiderte Dolores fast schalkhaft.

      »Doch, ich weiß es,« rief die Prinzeß. »Wir Frauen haben feine Ohren, und durch die Töne Ihres Teufelinnenliedes habe ich's heraus gehört, daß Sie selbst an die ewige Schlange des Paradieses nicht glauben, sondern sie nur mit tiefem Sinne zur Darstellung brachten. Woher nur vermögen Sie bei Ihrer Jugend aus so tiefem Quell zu schöpfen?« –

      »Ich war als Kind immer allein und habe nachgedacht, wenn andere meines Alters spielten und träumten,« erwiderte Dolores einfach und dachte dabei der scharfen, schneidenden Worte, mit denen Falkner die zarte Frage der Prinzessin ausgesprochen.

      »Das ist der Schlüssel des Rätsels,« rief der Herzog. »Wir hatten ihn schon in dieser Fassung vermutet. Denn trotzdem uns die Frühreife, die in Ihrem Werke liegt, anfangs frappierte, so fand meine Tochter doch mit echtem weiblichen Gefühl den sittlichen Wert heraus.« –

      »Man sagte aber, die Musik sei herzlos, das Werk eines genialen Teufels,« entgegnete Dolores, unwillkürlich nach Falkner herübersehend.

      »Das sagte ich,« erwiderte er ruhig, die stumme Anklage, die in ihrem Blicke lag, bestätigend.

      »O Sie Barbar,« rief der Erbprinz lebhaft. »Und was haben Sie zu Ihrer Verteidigung anzuführen?«

      »Meine Überzeugung,« antwortete Falkner unbewegt.

      »Das ist genügend,« sagte Dolores kühl – es war ihr sehr fatal, daß sie sich hatte hinreißen lassen, ihm zu zeigen, daß sein hartes Urteil sie verletzt habe.

      Man machte später noch viel Musik, sogar Prinzeß Lolo setzte sich zum Flügel und begann das Spinnerlied von Mendelssohn, aber mitten darin, mit schalkhaftem Blick auf ihr Auditorium, nach einem überraschenden Übergange spielte sie den Walzer von der schönen blauen Donau, rauschend, brillant, mit graziösem Wiegen ihres niedlichen Köpfchens.

      »Das ist Musik, wie ich sie liebe,« sagte sie dann im Vertrauen zu Falkner. »Walzer sind meine Passion – ich wollte, das Leben wäre ein fröhlicher, wirbelnder Tanz!«

      Keppler hörte diese Worte und sah nach der Sprecherin hinüber, deren Ebenbild er zu malen berufen war. Er hatte bis jetzt vergebens nach einem festen Grundzug dieser schillernden Lacertennatur gesucht, um ihn ihrem Porträt aufzuprägen – was aber bleibt dem Maler als das einfache Kopieren der Natur, wo eine Seele den Ausdruck der Züge nicht vermittelt!

      Dolores ward »zum Abschied« noch um ein Lied gebeten, und da sang sie Lassens herrliche Komposition zu François Coppées Gedicht, das Geibel so schön verdeutscht hat:

      Ich sprach zur Taube: Flieg' und bring' im Schnabel

       Das Kraut mir heim, das Liebesmacht verleiht,

       Am Ganges blüht's, im alten Land der Fabel!

       Die Taube sprach: Es ist zu weit.

      Ich sprach zum Adler: Spanne dein Gefieder,

       Und für das Herz, das kalt sich mir entzog,

       Hol' einen Funken Glut vom Himmel nieder!

       Der Adler sprach: Es ist zu hoch.

      Da sprach zum Geier ich: Reiß' aus dem Herzen

       Den Namen mir, der drin begraben steht.

       Vergessen lernen will ich und verschmerzen!

       Der Geier sprach: Es ist zu spät.

      Das erschütternde Lied, tiefergreifend gesungen, verklang, und die fürstliche Familie entließ ihre Gäste in derselben herzlichen Weise, wie sie von ihr bewillkommnet worden waren. Prinzeß Alexandra drückte Dolores aufs Wärmste ihren Dank aus.

      »Wir kommen nächstens, Sie zu besuchen,« fügte sie hinzu. »Und nun gute Nacht, liebes Kind. Ihr Wagen ist doch da?«

      »Nein, Durchlaucht,« erwiderte Dolores, »ich ziehe es vor, in dieser herrlichen Mondnacht durch den Park zu gehen. Mein alter, treuer Ramo begleitet mich!«

      »Dann erlauben Sie mir, Sie begleiten zu dürfen,« rief der Erbprinz chevaleresk und sehr bereitwillig.

      »Oder mir,« sprachen Kepplers Augen.

      »Nein, nein,« wehrte Prinzeß Alexandra ab. »Der einzige, von dem die Baronin nachts durch den Park begleitet werden kann, ist ihr Cousin, Baron Alfred!«

      Dolores trat einen Schritt zurück.

      »Ich versichere Durchlaucht, daß Ramo mein bester, oft bewährter Schutz ist,« sagte sie abweisend.

      »Und ich versichere Durchlaucht, daß ich jedenfalls den mir anvertrauten Ritterdienst zu Hochdero Befriedigung ausführen werde,« erwiderte Falkner und reichte Dolores den Arm, sie hinauszuführen. Um die peinliche Scene nicht zur Spitze zu treiben, nahm sie ihn an, und so schritten sie hinaus in die warme Mondnacht.

      Prinzeß Alexandra sah ihnen lächelnd nach.

      »Ein schönes Paar,« sagte sie, befriedigt darüber, daß sie ihren Bruder von einem nicht geeigneten Schritt abgehalten hatte.

      »Aber, Sascha, quelle idée, dem armen Baron diese brasilianische Dame aufzudrängen, die ihm doch sichtlich so unsympathisch ist,« rief Prinzeß Lolo stark entrüstet.

      »Unsympathisch – Unsinn, Lolo,« sagte der Erbprinz wegwerfend; das Eingreifen seiner Schwester hatte ihn auch etwas erregt, obwohl er fühlte, daß sie damit im Recht gewesen.

      »Wie ist es möglich, Antipathie zu fühlen, wo einem die Schönheit so siegend entgegentritt!«

      »Du lieber Himmel, was für ein Aufhebens von dieser rothaarigen Marmorstatue gemacht wird,« rief die kleine Prinzeß heftig, außer Atem vor innerem Zorn.

      Prinzeß Alexandra stand noch immer in tiefem Sinnen.

      »Ein schönes Paar,« wiederholte sie, »schritten sie nicht dahin, wie für einander geschaffen? Und doch scheinen sie nicht zu einander zu neigen. Aber wenn, nach Shakespeareschem Ausspruch, ›aus einz'gem Hasse einz'ge Lieb'‹ entbrennen kann – so wäre eine Lösung der Falkenhofer Frage nicht unmöglich!«

      Zornglühend floh Prinzeß Lolo in ihr Schlafzimmer. Dort stand sie zitternd still, ehe sie nach ihrer Kammerfrau läutete.

      »Er soll es wagen, sie mir vorzuziehen, diese hergelaufene Komödiantin,« schrie sie schluchzend in ihr


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