Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
wohl wahr sein.«
»Männertreu' ist Spreu im Winde,
Standhaft ist Vergißmeinnicht,
Männertreue welkt geschwinde
Und zerfällt, wenn man sie bricht.
Nur Vergißmeinnicht, das liebe,
Blüht im Herzen ewig neu –
Doch wie Wasser in dem Siebe,
Wie der Wind ist Männertreu' –«
deklamierte der Erbprinz.
»O Emil, wie weise von dir, das selbst zu sagen,« lachte seine Schwester, »glaubst du wirklich, dem Pfeil damit die Spitze abzubrechen? Ja, ja, die Männertreu' hat einen bösen Ruf.«
»Da ist's am besten, man erprobt sie nicht,« meinte Dolores ernsthaft.
Die Prinzeß warf einen schnellen, prüfenden Blick auf sie, dann zog sie ihre Uhr und sah nach der Zeit.
»Ich fürchte, wir sind über Urlaub geblieben, Emil,« rief sie, indem sie rasch ihre Malutensilien zusammenpackte, und als sie damit fertig war, reichte sie Dolores die Hand. »Vielen Dank, Baronin, für das Lied. Wir werden doch gute Nachbarschaft halten, nicht wahr? Es wäre so schön – und der Sommer ist so bald vorüber, da muß man die Zeit benutzen! Also auf baldiges Wiedersehen!«
Die fürstlichen Geschwister gingen, Dolores aber blieb noch eine kleine Weile am Hexenloch zurück, und als sie heimkehrte, hatte sie noch Lust zu einem Plauderstündchen bei Engels, wo Ida und Knieper sie mit dem höchsten Ausdruck der Freude empfingen, deren ihre Hunde- resp. Katzenseelen fähig waren. Denn in der Begegnung mit der edlen, freundlichen Fürstentochter war es ihr warm geworden ums Herz – das waren, ausgenommen den alten Engels, die ersten Menschen, die ihr vorurteilsfrei die Hand reichten auf dem Weichbilde des Falkenhofes, seit sie dessen Herrin war. Denn bei aller Liebenswürdigkeit, die Doktor Ruß entfaltete, wollte das Gefühl nicht von ihr weichen, daß es Absicht war, die aus ihm zu ihr sprach.
Schon am folgenden Tage ließen sich der Kammerherr von Deßing und die Hofdame von Drusen bei Dolores melden, um im Namen der herzoglichen Familie ihren Besuch abzustatten. Sie saßen genau fünf Minuten bei der Schloßherrin in dem Rokokosalon, dessen Mitte jetzt ein kostbarer Flügel einnahm – die Hofdame sehr steif, sehr mager, sehr zurückhaltend – der Kammerherr sehr beweglich, sehr fein, sehr rund und rosig.
Nach den konventionellen fünf Minuten erhob sich Fräulein von Drusen, der Kammerherr sprang empor, und bald saßen die beiden nebeneinander in der Equipage, bis wohin Dolores ihnen gefolgt war, da sie ja die herzogliche Familie repräsentierten.
Das alte, im Dienste ergraute Paar rollte dahin, erst schweigend, bis endlich die Hofdame das Eis brach.
»Sie ist eine Dame, lieber Deßing,« sagte sie mit Nachdruck, und der Kammerherr, der mit Ungeduld auf den Urteilsspruch seiner Pythia gewartet hatte, stimmte strahlend ein.
»Eine Dame, natürlich eine Dame, verehrte Freundin!«
»Nun, natürlich ist es nicht,« sagte die Hofdame scharf.
»Nein, natürlich ist es nicht,« zog der Kammerherr seinen Enthusiasmus zurück. »Sie meinen, weil – –«
Sie nickte.
»Natürlich,« sagte sie schneidend. »Es bleibt ja so leicht etwas von der Schminke zurück. Aber hier, Gott sei Dank, habe ich nichts bemerkt, und die Ehren, die sie mir, als Gesandtin unserer Prinzessinnen, erwies, waren tadellos. Das nennt man Rasse, lieber Deßing.«
»Rasse, liebe Freundin – die sich nie verleugnen kann,« stimmte der Kammerherr strahlend zu und rieb sich die Hände, denn er freute sich des Erfolges dieser Visite sehr, erstens, weil Dolores ihm sehr gefiel, und dann lebte er gern mit sich und der Welt auf freundschaftlichem Fuße.
Indessen stand auch Doktor Ruß händereibend an dem Fenster seiner Wohnstube und sah der davon rollenden Hofequipage nach.
»Sieh, sieh,« sagte er kopfnickend, »unsere liebe Nichte Dolores wird ja hochgeehrt von Monrepos aus. Ei, ei!«
»Jedenfalls eine Aufmerksamkeit für Alfred,« meinte Frau Ruß, eifrig am anderen Fenster strickend.
»Meinst du?« erwiderte der Doktor leise lachend. »Ich möchte an eine andere Version glauben, nach dem Benehmen zu schließen, das dein Sohn bis jetzt beobachtet hat. Aber gleichviel,« setzte er mehr für sich hinzu. »Jedenfalls wird er ihr häufiger begegnen, und Dolores ist eine zu große Schönheit, als daß ein Männerauge lange ungerührt auf ihr weilen könnte.«
Frau Ruß seufzte.
»Es scheint aber fast etwas wie eine Aversion zu sein, die Alfred gegen Dolores hegt,« sagte sie und ließ ihre Nadeln schneller klappern. »Rote Haare sind eben nicht für jedermann.«
»Papperlapapp!« ließ sich der Doktor mit leisem Spott vernehmen. »Natürlich die rote Grete unten im Dorfe mit ihren Sommersprossen und ihrem häßlichen, naßroten, mit Bleikämmen ekelhaft gemachten Haar wird einen verfeinerten Geschmack nur abstoßen. Aber Dolores? Das verwöhnteste Auge wird schönheitstrunken auf ihr weilen, oder es weiß nicht, wie Schönheit sich offenbart.«
Jetzt sank das Strickzeug der Frau in den Schoß.
»Ei, du bist ja ganz Feuer und Flamme,« sagte sie mit einem drohenden Blitz aus ihren kalten, harten Fischaugen.
»Gewiß, teure Adelheid, du weißt, daß ich als Ästhetiker beurteilen kann, was wirklich schön ist,« erwiderte Ruß sehr ruhig, aber unter seinen Brillengläsern glitt ein unbeschreiblicher Blick über die reizlose Gestalt der älteren, verbitterten, kalten Frau, an die er sich aus pekuniären Gründen gefesselt hatte. »Wenn ich Artikel, gesuchte und viel gelesene Artikel über die Gesetze der Schönheit schreibe, so kann ich das doch nicht wie ein Blinder von der Farbe thun. Ich schreibe jetzt über die Schönheit des germanischen Haares –«
»Papperlapapp,« sagte jetzt auch Frau Ruß sehr trocken, denn sie hatte sich nie für die Artikel ihres Gemahls interessiert, und ihre Begriffe über Ästhetik waren in tiefstes Dunkel gehüllt. »Es handelt sich hier gar nicht darum, was du hübsch findest!«
»Sehr richtig bemerkt,« erwiderte der Doktor sarkastisch. »Kommen wir zur Sache. Ich halte es also für sehr unwahrscheinlich, daß Alfred von so viel Schönheit ungerührt bleiben kann. Das wird sie selbst wohl am besten wissen, denn, wie läßt sie ihre ›Satanella‹ singen?
Entfacht der Flamme rote Gluten,
Ihr schafft mich nicht aus dieser Welt,
Denn wo sich Männerhochmut brüstet,
Mein Scepter reiche Ernte hält.
Ich wohn' in jedes Weibes Herzen,
Ich beuge jedes Mannes Macht,
Ich bin die Schlang' im Paradiese,
Und stifte Unheil – drum hab' acht!
Und da nach des Schöpfers weisem Ratschluß ein wenig Valandine und Teufelin in jedem Weibe wohnt, und diese Eigenschaften auf den Mann immer einen gewissen Zauber geübt haben, so hoffe ich das Beste für diesen verzweifelten Fall.«
»Ich wollte, du sprächest klarer,« sagte Frau Ruß trocken, »aber du docierst immer, als ob du auf dem Katheder ständest. Gut also, warten wir ab, was von der Aufnahme Dolores' am Hofe von Monrepos erfolgen wird.«
»Warten wir ab,« wiederholte der Doktor, tief in Gedanken.
»Und wenn unsere Voraussetzungen fehlschlagen, wenn Alfred bei seinem Benehmen Dolores gegenüber bleibt?« fragte sie gespannt, lauernd. »Was dann?«
»Ja, was dann, teure Frau? Ich weiß es nicht.«
Jetzt warf Frau Ruß ihr Strickzeug beiseite, sprang auf und trat an ihren Gatten dicht heran.
»So, du weißt es nicht?« sagte sie schneidend. »Das mache einem andern weiß – mich betrügst du nicht, mein Schatz! Denn ich möchte Gift darauf nehmen, daß deine Pläne bis