Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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unbefugten Eindringens in Ihr Reich auf,« sagte sie mit hinreißender Liebenswürdigkeit. »Darf ich, im Namen dieses köstlichen Fleckes Erde, dessen Konterfei ich mir für mein Album rauben wollte, Indemnität hoffen?«

      »Es soll eine allgemeine Amnestie für dergleichen vergangene, gegenwärtige und zukünftige Raube erlassen werden,« sagte Dolores in demselben Tone.

      »Wofür ich im Namen der Kunst herzlich danke,« entgegnete die Dame. »Doch gestatten Sie mir, Baronin, erst die Pflichten der Höflichkeit zu erfüllen, ehe ich Ihre Erlaubnis ausnutze – ich bin die Prinzessin Alexandra von Nordland, und dies ist mein Bruder, der Erbprinz!«

      Dolores verbeugte sich noch einmal in ihrer würdevollen, graziösen Weise.

      »Man sagte mir, unsere hohen Nachbarn auf Monrepos hätten einen Passepartout für den Falkenhofer Park nicht verschmäht,« sagte sie. »Es bedarf wohl kaum der Versicherung, daß ich eine Grenze niemals gezogen habe!«

      »Das ist prächtig, Baronin, und uns hochwillkommen,« erwiderte der Erbprinz, »denn unser Garten ist verhältnismäßig recht klein und eigentlich für uns ein noli me tangere wegen des Herzogs, meines Vaters, Rosen.«

      »Diese sind aber auch berühmt, Hoheit, und für die Berühmtheit muß man immer etwas leiden,« entgegnete Dolores.

      »Ach ja, keine Rose ohne Dorn,« seufzte der junge Fürstensproß.

      Prinzeß Alexandra hatte indes ihren Blick prüfend auf der Lehnsherrin vom Falkenhof ruhen lassen – sie gab viel auf den ersten Eindruck, den Fremde auf sie machten und auf den Blick, mit dem diese ihr ins Auge sahen. Die tiefdunklen und doch so klaren Augen mit dem reinen, ernsten Blick, in dem eine köstliche Schelmerei aufleuchten konnte, nahmen sie sogleich für die Schöpferin und Darstellerin der »Satanella« ein, und wie immer ihrem Impulse folgend, sagte sie:

      »Ich muß Sie ansehen und immer wieder ansehen, Baronin! So jung noch und schon so berühmt! Mehr noch – so jung und doch schon so schaffensreich! Wie viel Schönes werden Sie uns noch schenken nach der Satanella!«

      »Wer weiß, Hoheit,« erwiderte Dolores leise. »Vielleicht bin ich wie jene Musa, die nur eine Blüte hat, welche ihr das Lebensmark kostet. Und ich wollte ja auch nicht mehr begehren, wenn diese einzige Blüte, dies eine Werk mich überlebte und die Menschen Freude davon hätten.«

      »Aber dieses Werk ist gut – alle Welt ist einig darüber,« rief der Erbprinz.

      »Ich weiß, es ist noch zuviel vom schäumenden Most der Sturm- und Drangperiode darin,« entgegnete Dolores kopfschüttelnd.

      »Lassen Sie sich das freuen,« meinte Prinzeß Alexandra herzlich, »die Zeit, wo Ihr Puls langsamer geht und der Hauch höherer Reife sich auf Ihr Schaffen legt, kommt noch früh genug – zu früh, und wir werden mit Schrecken gewahr, wie die Tage schwinden!«

      »Das war ein gutes Wort, Hoheit, und ich danke dafür,« sagte Dolores ernst, und in diesem Augenblick reichte ihr die hohe Dame die Hand zum warmen Druck, aber als Dolores sich auf diese Hand herabbeugen wollte zum schuldigen Kuß, wie es die Etikette verlangt, da beugte sich die Prinzeß herüber und küßte sie auf die schöne, weiße Stirn.

      »Aber nun muß ich meine Skizze vollenden,« rief sie, »die Beleuchtung ist jetzt so herrlich, fast zu schön für meinen armen Pinsel. Sie bleiben doch hier, Baronin?«

      »Gern, Hoheit,« sagte Dolores und setzte schelmisch hinzu: »Wie Hoheit befehlen, muß es ja heißen!«

      »Ach, das ›gern‹ klingt viel hübscher,« meinte der Erbprinz, indes Prinzeß Alexandra sich mit fröhlichem Lachen an die Arbeit setzte. »Sie müssen wissen, Baronin, daß wir hier nur Menschen sein wollen, denen ein freundliches ›gern‹ hübscher klingt, als die steifen Formen des Hofes.«

      »Ich belauschte gestern unfreiwillig die Säulen unseres Landhauses, Fräulein von Drusen und den Kammerherrn von Dreßing,« plauderte die Prinzessin, »und hörte zu meiner unbeschreiblichen Belustigung, wie erstere zu letzterem sagte: ›Gott sei Dank, daß wir da sind, die noch einigermaßen die Dehors auf Monrepos aufrecht erhalten. Wie würde es ohne uns hier zugehen!‹«

      Die anderen lachten, da es ja bekannt war, mit welcher Würde die Prinzeß dem fürstlichen Hofe vorstand.

      »Es muß auch solche Käuze geben,« citierte der Erbprinz.

      Dann war es eine Weile still am Hexenloch. Leise flüsterte die warme Sommerluft in den Bäumen, und der Wasserfall rauschte – schnell flog der geschickte Pinsel der fürstlichen Künstlerin über den auf ihrem Schoß liegenden Block, träumerisch sah Dolores hin auf das dunkle Wasser, auf dem einzelne Sonnenstrahlen, die durch das Laub brachen, magisch funkelten, und Prinz Emil sah wiederum auf die reine, herrliche Profillinie des schönen Antlitzes neben ihm.

      Endlich unterbrach die Prinzeß das Schweigen.

      »Ach, wie köstlich ist's doch hier,« sagte sie, zurückgelehnt ihr Werk betrachtend, »und was für Stümper sind wir, der Natur gegenüber!«

      »Das sagt Richard Keppler auch,« nickte Dolores.

      »O, er ist doch Adept, aber was bin ich?«

      »Berührt vom Strahl des ew'gen Lichts,« sagte Dolores träumerisch. »Ach, Prinzeß, wer so fein die Farbentöne fühlt, wie Sie, ist selbst ein Meister –«

      »Nur muß man daneben keine Fürstin sein, sonst glaubt's niemand,« meinte der Erbprinz.

      »Die Menschen haben so viele Vorurteile,« rief Dolores, »aber die meisten haben sie gegen die, welche sich ihre Sachen mit einer Krone – von der fünfzackigen bis zur Königskrone, zeichnen lassen können.«

      »Und doch steht der Lorbeer den Kronen so schön!« seufzte die Prinzeß.

      Wieder ging es mit der Arbeit weiter, und alles, alles rings war still – da tönten plötzlich unten aus dem Dorf herauf die Abendglocken durch die reine Luft, und Dolores erhob sich, vom Rande des dunkler werdenden Wassers Vergißmeinnicht zu pflücken, die da in Menge blühten.

      »Jetzt fehlte nichts als ein Lied,« sagte der Erbprinz leise mit bittendem Tone.

      »Ach ja, ein Lied,« wiederholte Prinzeß Alexandra.

      Da setzte sich Dolores auf einen moosbewachsenen Stein, hart am Ufer, und sang, ihren Vergißmeinnichtstrauß mit breitem Grase bindend, in den fernen Glockenklang hinein.

      Fernher tönen Abendglocken

       Leis' mit wundersüßem Klang,

       Und mir ist's, als hört' ich locken

       Engelschöre, Himmelssang.

      Und mir ist's, als säh' ich's schweben

       Auf und nieder in der Luft,

       Und im Abendrot verweben

       Windessäuseln, Blumenduft.

      Wie auf lichten Engelsschwingen

       Zieht der Glockenklang zur Höh',

       Wo die Herzen nicht mehr ringen

       Und im Licht sich löst das Weh.

      Glockenklar, voll und doch so sanft zog die herrliche Stimme durch die stille Luft und erstarb mit dem letzten fernen Klang aus dem Dorfe drunten.

      Der Erbprinz hatte sein Antlitz mit den Händen bedeckt, während die Prinzeß den Pinsel sinken ließ und auf die Sängerin hinüber sah. Und als das Lied beendet war, erhob sie sich leise und trat zu Dolores hin.

      »Wollen Sie mir diesen kleinen Strauß geben zum Andenken an den heutigen Abend?« fragte sie und legte ihre Rechte auf das goldige Haupt vor ihr. »Und auch das Lied?« setzte sie hinzu. »Denn das kam doch aus Ihrem Herzen, nicht wahr?«

      »Ja,« sagte Dolores einfach. »Es kam mir gestern Abend in den Sinn, als ich einsam hier saß – ich will es aufschreiben. Und hier ist der Strauß,« fügte sie aufstehend hinzu. »Aber die kleinen, blauen Blütenblätter fallen ab, Hoheit, wenn sie trocken sind.«

      »Das


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