Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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war eine ganz andere Situation. Damals war seine Stiefmutter, die er wirklich über alles liebte, unbegründet eifersüchtig gewesen, und sein Vater hatte sich enttäuscht zurückgezogen.

      Jetzt stand eine dicke Mauer zwischen ihnen, weil Sandra leichtfertig ihr eigenes Leben und das Leben des Babys aufs Spiel gesetzt hatte, auf das sie sich alle so sehr gefreut hatten. Dass auch der teure Wagen dabei einen Totalschaden hatte, da war sich Manuel sicher, dass das für seinen Vater kein Grund für eine Verärgerung war.

      Papa redete nicht über Sandra, er war, als sie noch im künstlichen Koma gelegen hatte, einfach nach Amerika geflogen, und seine Stiefmutter war ziemlich traurig gewesen, als er sie im Krankenhaus besucht hatte, dabei war sie doch sonst immer so fröhlich. Auch wenn vieles geschehen war, einen Anflug von guter Laune hätte noch da sein müssen. Sie hatte nicht einmal zaghaft gelächelt, und über Blumen freute sie sich sonst auch mehr.

      Nein, Manuel war sich sicher, dass seine Stiefmutter, die bei ihm längst neben seiner verstorbenen leiblichen Mutter auf einer Stufe stand, so mutlos wegen Papa war.

      Manuel fasste sich ein Herz und ging in das große, moderne Gebäude hinein, grüßte freundlich den Portier, und dann fuhr er mit dem gläsernen Aufzug hinauf in die Chefetage. Er kannte sich hier aus, und so ging er auch nicht in das große Vorzimmer des Chefs, sondern er ging in das Vorzimmer, in dem die Chefsekretärin saß, die Frau Brandt, das war eine ganz Nette, und die steckte ihm immer Süßigkeiten zu, wenn er mal da war, um seinen Vater zu besuchen. Oft war das nicht der Fall, sein Vater hatte viel zu tun, er war ein wichtiger Mann.

      Manuel atmete tief durch, klopfte an, trat ein. Das Büro war leer. Das kam auch vor, die Frau Brandt konnte schließlich nicht wie festgenagelt auf ihrem Platz sitzen.

      Es würde heute vermutlich keine Süßigkeiten geben, doch deswegen war er schließlich auch nicht hier. Hoffentlich war sein Vater in seinem Büro.

      Manuel hatte Glück, sein Vater saß in seinem großen Büro hinter seinem großen Schreibtisch und blickte ganz verwundert auf, als er seinen Sohn erblickte.

      »Manuel, ist etwas passiert?«, erkundigte Felix Münster sich besorgt.

      Manuel ging zum Schreibtisch, setzte sich auf einen der beiden vor dem Schreibtisch stehenden Stühle, blickte seinen Vater an.

      »Papa, ich bin hergekommen, um dich was zu fragen«, sagte er leise.

      Felix Münster wusste nicht, was das sollte, und er erkundigte sich auch danach.

      Anfangs zögerlich, doch dann sprudelte es immer mehr aus Manuel heraus. Er erzählte seinem Vater alles, angefangen von seinem Besuch im Krankenhaus, wo er Sandra so unglücklich vorgefunden hatte.

      »Papa, es ist eine ganz komische Stimmung bei uns, und ich habe große Angst, dass du und Mama …, dass ihr euch trennt …, ich habe doch schon mal eine Mama verloren.«

      Natürlich war Felix wegen des ganzen Vorfalls wütend, enttäuscht, verunsichert, aber er hatte nur sich gesehen und sich keine Gedanken darüber gemacht, was seine Befindlichkeiten mit seiner Familie machen würden.

      Manuel war ein höchst sensibler Junge, er war mitfühlend, er konnte sich, obwohl er noch so jung war, in andere Menschen hineinversetzen.

      Da kam er ganz auf seine leibliche Mutter. Je älter Manuel wurde, umso mehr erkannte Felix all die guten Eigenschaften an ihm, die er an seiner ersten Frau so sehr geliebt und geschätzt hatte.

      Manuel wollte wirklich Frieden stiften, wie er es bereits schon einmal mit Erfolg gemacht hatte.

      Felix kam sich nicht bevormundet vor, im Gegenteil, er war ganz gerührt, und er nahm seinen Sohn mit seinen Sorgen sehr ernst.

      Er erzählte ihm, dass er nicht einen Augenblick daran gedacht hatte, sich von Sandra zu trennen, er sprach aber auch ganz offen über seine Empfindungen.

      »Weißt du, Manuel, manchmal ist es gut, wenn man nach einem solchen Chaos neue Wege geht. Was ich dir jetzt anvertraue, das wissen nur Sandra, die Oma Marianne und Carlo, und die Oma Marianne und Opa Carlo finden meine Idee gut, und du kannst mir ja vielleicht dabei helfen, Sandra zu überzeugen. Was die davon hält, das weiß ich noch nicht so richtig.«

      Dann erzählte er seinem Sohn von dem geplanten Verkauf der Münster-Werke, von dem Neuanfang auf der Farm in Arizona.

      Als er Manuels skeptischen Gesichtsausdruck bemerkte, schob er ihm einfach ein paar Fotos zu. Und davon war Manuel begeistert.

      »Und da sollen wir leben? Bekomme ich da auch ein eigenes Pferd?«

      Felix lachte.

      »Wenn du willst, mein Sohn, mehr als nur eines. Der verstorbene Onkel Friedrich hatte eine berühmte Pferdezucht, und du kannst reiten, reiten, reiten. Es ist eine riesige Farm mit unendlich viel Land, und das alles gehört uns.«

      Manuel war ein Junge, der auch Abenteuerbücher las, und das, was sein Vater ihm da erzählt hatte, das war Abenteuer pur.

      Seine Begeisterung erhielt allerdings einen Dämpfer, als ihm bewusst wurde, dass sie dann auch ihr Zuhause, den Erlenhof, die Felsenburg verlassen würden, den Sonnenwinkel, seine Freunde. All die Stätten seiner Kindheit.

      Doch als er die Fotos erneut anblickte, als er sich daran erinnerte, dass all die Menschen, die er liebte, mitkommen würden, freute er sich wieder.

      Doch dann kamen ihm erneut Bedenken.

      »Papa, aber die Firma, die hast du doch von deinem Vater geerbt, vorher gehörte sie deinem Großvater, und ganz klein angefangen hat dein Urgroßvater. Es ist ein Familienbetrieb, darf man denn so etwas einfach verkaufen?«

      Ach, der gute Junge, Felix war richtig gerührt, sogar darum machte er sich seine Gedanken.

      »Manuel, das, was den Familienbetrieb ausmacht, das ist lediglich ein Bruchteil der Münster-Werke und hat auch mit dem, was wir heute produzieren, überhaupt nichts mehr zu tun. Wenn du so willst, dann ist nur noch der Name Münster übrig. Alles zu vergrößern, sich anderen Sparten zuzuwenden, das war richtig. Doch inzwischen ist der Markt noch größer geworden, es wird weltweit agiert, jeder will etwas abhaben vom Kuchen, deswegen herrscht ein gnadenloser Konkurrenzkampf. Wir haben hier ein vergleichsweise hohes Lohnniveau. Die Billiglohnländer können zu ganz anderen Konditionen produzieren, und das nutzen sie eiskalt aus.«

      Er blickte seinen Sohn an.

      »Weißt du, Manuel, von einem solchen ständigen Kampf wird man müde. Für mich ist es eine unglaubliche Chance, die Firma zu einem fantastischen Preis zu verkaufen. Und ich kann es ganz beruhigt tun, weil alle Arbeitsplätze erhalten bleiben. Die Erbschaft kam mir gerade recht. Sie ist ein Geschenk des Himmels, und ich bin überzeugt davon, dass es dir dort ebenso gefallen wird wie mir damals, als ich in deinem Alter war und Onkel Friedrich besuchte. In Arizona werde ich auf jeden Fall auch viel mehr Zeit für meine Familie haben, ich muss nicht mehr von einem Termin zum nächsten jagen.«

      Was sein Vater da erzählte, das klang wirklich verlockend.

      Manuel griff erneut nach den Bildern, sah sie sich noch einmal an, als er sie schließlich beiseitelegte, sagte er: »Papa, mich hast du überzeugt. Es ist bestimmt ganz toll in Arizona. Jetzt müssen wir nur noch die Mama auf unsere Seite bringen, ohne die fahre ich nirgendwo hin. Zusammen schaffen wir das bestimmt. Was meinst du, Papa, sollen wir gleich zu ihr fahren und unser Glück bei ihr versuchen?«

      Felix fühlte sich ein wenig überrumpelt. Aber er liebte seine Frau, wollte sie nicht verlieren. An dem ganzen Sachverhalt änderte sich nichts, der würde in drei Monaten oder irgendwann noch immer da sein. Man würde anders damit umgehen, weil die Zeit vieles verblassen ließ.

      Warum nicht heute anfangen?

      Je früher der erste Schritt getan wurde, umso eher war die Chance da für ein normales Leben. Und das wünschten sie sich doch alle.

      Eigentlich hatte er noch zwei Nachmittagstermine, aber so wichtig waren die auch nicht, dass man sie nicht verschieben konnte.

      Felix stand auf.


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