Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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eine berühmte Pianistin zu sein, um eine Brücke zu Claire zu schlagen? Besaß Isabella genug Fingerspitzengefühl, um ihre Tochter nicht zu überfordern?

      Es war so wichtig, gleich am Anfang alles richtig zu machen, um bloß nichts zu zerstören.

      Hilda war vollkommen überfordert, doch diese Schwäche durfte sie Claire nicht zeigen. Vor ihr musste sie stark sein, und das kostete viel Kraft.

      Hilda sah immer wieder verstohlen auf die Uhr, denn heute sollte die Begegnung zwischen Isabella und ihrer Tochter stattfinden. Frau Dr. Steinfeld hatte vorgeschlagen, dass das erste Treffen in einem dem Mädchen vertrauten Raum stattfinden sollte, bei Hilda. Zum Glück hatte Isabella sofort zugestimmt.

      Wo die Frau Doktor bloß blieb?

      Sie hatte zugestimmt, bei dem Treffen dabei zu sein.

      Ob sie sie noch einmal anrufen und an das Treffen erinnern sollte?

      Es war nicht zu erkennen, wer nervöser war, Hilda oder Claire.

      Claire sah wunderhübsch aus in ihrem Kleid, das so hervorragend zu ihren grünen Augen und ihren roten Locken passte.

      Ungewohnt. Doch Frau Dr. Steinfeld und Hilda waren der Auffassung gewesen, dass sie ihrer Mutter nicht in einer Jeans und einer Sweatjacke gegenübertreten sollte.

      Claire kam sich ein wenig verkleidet vor, doch das sagte sie nicht, denn die Frau Doktor und ihre geliebte Hilda meinten es ja nur gut.

      Claire hätte jetzt gern den Kater auf den Arm genommen, doch der hatte sich irgendwo im Haus verkrochen. Er spürte wohl auch, dass etwas Ereignisreiches bevorstand.

      Endlich kam die Frau Doktor!

      Hilda fiel ein Stein vom Herzen, und auch Claire war erleichtert, denn sie lief Roberta entgegen.

      Noch eine halbe Stunde!

      Roberta klopfte Hilda beruhigend auf die Schulter, danach wandte sie sich an das nicht minder aufgeregte Mädchen.

      »Claire, du kannst ganz ruhig sein. Dir kann überhaupt nichts passieren, ich habe mich mit deiner Mutter abgesprochen. Es ist eure erste Begegnung, sie kommt nicht, um dich sofort mitzunehmen, es soll ganz so sein, wie du es möchtest. Deine Mutter ist nur unendlich dankbar, dich nach so vielen Jahren wiedersehen zu dürfen.«

      Claire schluckte.

      »Aber bei dem Treffen werden Sie doch dabei sein, Frau Doktor, nicht wahr? Und Hilda, die sowieso, ohne die mache ich keinen Schritt.«

      Die beiden Frauen blickten sich an. Für das, was jetzt gleich geschehen würde, gab es keinen Plan, da führte niemand Regie.

      »Sorg dich nicht, wir werden bei dir sein.«

      »Versprochen?«

      »Versprochen«, erwiderten beide Frauen wie aus einem Munde, und das beruhigte das Mädchen ein wenig. Wohlgemerkt, ein wenig, denn Claire wippte mit dem Fuß, verschränkte ihre Hände ineinander.

      »Liebes«, es war Hilda, die das nicht länger mit ansehen konnte, sie umfasste die schmalen Schultern des Mädchens, sie zog Claire an sich heran, »du musst keine Angst haben, wir sind bei dir, und wie die Frau Doktor schon sagte, dir kann nichts passieren, wenn du es nicht willst.«

      Claire lehnte sich vertrauensvoll an Hilda, und die strich ihr behutsam über die wunderschönen Locken Es war eine merkwürdige Situation, wie die Ruhe vor dem Sturm, aber nein, das stimmte nicht. Ein Sturm brachte Zerstörung mit sich, und hier sollte doch gerade etwas aufgebaut werden.

      Es klingelte.

      Claire richtete sich steif auf, sie umkrallte Hildas Hand, die vor Schmerz beinahe aufgeschrien hätte.

      »Du hast es versprochen, Hilda-Omi, du hast es versprochen, immer bei mir zu bleiben.«

      Hilda nickte, sie konnte nichts sagen, sie war emotional einfach zu bewegt.

      Welch ein Augenblick!

      Zum Glück saßen sie, denn Hilda merkte, dass sie ganz weiche Knie hatte.

      »Versprochen ist versprochen, das wird auch nicht gebrochen«, diese Worte klangen wie ein Schwur und beruhigten das aufgeregte Mädchen.

      Roberta stand auf, um die Tür zu öffnen, auch sie musste, ehe sie den Raum verließ, das Versprechen noch einmal versprechen, nicht von Claires Seite zu weichen. Erst als das geschehen war, konnte Roberta zur Tür gehen, um zu öffnen.

      Hilda und Claire starrten zur Tür, lauschten gespannt.

      »Wir sollten aufstehen«, flüsterte Hilda dem Mädchen zu, »das macht einen besseren Eindruck.«

      Wortlos standen sie beide auf, gingen um den Tisch herum, blieben ein wenig verloren mitten im Raum stehen, und dann war der Augenblick da.

      Roberta führte Isabella Duncan ins Zimmer.

      Die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter war nicht zu übersehen, klar, dass Lars da sofort einen Zusammenhang festgestellt hatte, zum Glück.

      Isabella war mittelgroß, sehr schlank, man konnte sie als zierlich bezeichnen, sie hatte nicht nur das rote Haar wie ihre Tochter, sondern auch die grünen Augen.

      Isabella blieb stehen, auf ihrer­ Stirn bildeten sich feine Schweißperlen, sie begann zu schwanken, und hätte Roberta, die neben ihr stand, nicht beherzt zugefasst, wäre Isabella unweigerlich auf dem Parkettboden aufgeschlagen.

      Isabella war emotional total bewegt, und das waren die beiden anderen Frauen ebenfalls. Es war ein Gänsehautmoment, dem auch Claire sich nicht verschließen konnte.

      Sie starrte die Frau an, die ihre Mutter war, und weil sie sich beide so ähnelten, war sofort eine gewisse Vertrautheit da, sprang ein Funke über. Oder vielleicht war es wirklich die so oft gerühmte Stimme des Blutes.

      Hilda wollte sich zusammenreißen, es ging nicht. Es war ein so bewegender Augenblick, sie musste einfach weinen und konnte nur hoffen, dass Claire das nicht mitbekam.

      Die schaute ihre Mutter an, sprachlos, atemlos, und dann geschah etwas Unglaubliches. Mutter und Tochter bewegten sich, wie automatisch angezogen, aufeinander zu.

      Es war ein magischer Augenblick, von dem auch Roberta und Hilda, die emotional eh schon aufgelöst war, sich nicht verschließen konnten.

      Sie hatten sich so viele Gedanken gemacht, sie hatten so viele Szenerien durchgespielt, und nun schien alles so einfach zu sein.

      Claire und Isabella standen sich gegenüber, blickten sich an, und dann breitete Isabella spontan ihre Arme aus, und Claire nahm diese Aufforderung an.

      Mutter und Tochter lagen sich in den Armen.

      Roberta umfasste Hildas Schulter, dann führte sie sie aus dem Raum.

      Es lagen Magie und ein Zauber in diesem intimen Moment, den durften Außenstehende nicht stören.

      Roberta ergriff die Initiative, setzte Hilda auf einen Stuhl, klopfte ihr beruhigend auf die Schulter.

      »Es scheint zu klappen mit den beiden«, sagte Hilda, »dabei haben sie sich seit dieser grauenvollen Entführung nicht mehr gesehen. Endlich ist das zusammen, was auch zusammengehört. Ich bin ja so unendlich froh.«

      Das war Roberta auch, doch so ganz konnte sie die Begeisterung von Hilda nicht teilen. Gewiss, die erste Begegnung zwischen Mutter und Tochter hätte nicht besser laufen können. Doch in jedem Leben gab es einen Alltag, und den mussten sie gemeinsam meistern, sie mussten sich kennenlernen, und da war noch die Vergangenheit des Mädchens, die sie unweigerlich einholen würde. Man konnte eine Weile alles verdrängen, doch irgendwann holte es einen ein, dann musste Claire sich mit dem Leben, das sie als Leonie geführt hatte, auseinandersetzen. Und das war so, als fiele man in ein tiefes Loch.

      Roberta konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn plötzlich stand Claire im Raum, sie hatte vor Aufregung glänzende Augen, ihr Gesicht war gerötet.

      »Meine … Mama«, das kam noch ein wenig zögerlich über


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