Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 4 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 4 – Familienroman - Michaela Dornberg


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dass ich ohne dich nirgendwohin gehe, Hilda-Omi, und sie ist damit einverstanden, dass du mit uns kommst.«

      Es war so dahergesagt gewesen, jetzt mit solchen Tatsachen konfrontiert zu werden, überforderte die arme Hilda noch mehr. Mit nach Genf zu gehen, das würde ihr ganzes Leben umkrempeln, aber warum eigentlich nicht? Was hielt sie hier? Leider, leider war es ihre Tochter Cornelia nicht.

      Claire dauerte das Schweigen zu lange, sie lief zu Hilda, umarmte sie und rief: »Du hast es versprochen.«

      Isabella erschien im Türrahmen, sie war vollkommen aufgelöst, bewegt, doch das Glück, das sie ausstrahlte, war nicht zu übersehen.

      »Ich habe Claires letzte Worte gehört«, sagte sie, »und ich bitte Sie von ganzem Herzen, mit uns zu kommen. Claire hängt so sehr an Ihnen, und ich kann ihr leider keine Großeltern bieten. Meine Eltern kamen vor vielen Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, und Claires Vater und ich haben uns schon vor deren Geburt voneinander getrennt.«

      Hilda überlegte ganz kurz, dann nickte sie.

      »Gut, ich komme mit«, versprach sie, »aber wir müssen doch nicht heute schon abreisen?«

      Das mussten sie nicht, denn es gab noch einige Formalitäten zu erledigen, auf beiden Seite.

      Isabella wollte ihre Tochter nicht einen Augenblick lang missen, und so kam es dazu, dass die berühmte Isabella Duncan in das Gästezimmer bei Hilda ­einzog.

      Das Leben konnte manchmal so einfach sein!

      Natürlich konnte Roberta nicht bleiben, schließlich hatte sie auch noch eine Praxis, obwohl sie gern geblieben wäre. Wann erlebte man schon eine so anrührende Geschichte.

      Sie blieb auf jeden Fall noch, um mitzuerleben, wie Claire sich ans Klavier setzte und spielte. Sie war stolz, und ihre Mutter war von ihrem Talent begeistert.

      Es war so schön, seiner Mutter etwas vorspielen zu können, mit ihr eine Leidenschaft zu teilen. Es war befreiend, nicht mehr klammheimlich zu einem Klavier zu schleichen. Das hatte sie bei ihrer Mami, ach nein, die war es ja überhaupt nicht, schmerzlich vermisst. Die hatte böse auf das Wort Klavier allein reagiert, und jetzt wusste man ja auch, weswegen.

      Nein, sie wollte nicht daran denken. Wie hatte die Frau Doktor doch gesagt? Sie solle nach vorne blicken, die Vergangenheit hinter sich lassen, und genau das wollte sie tun.

      Claire bedankte sich bei Roberta, umarmte sie spontan, und dann waren die drei Personen allein, die künftighin ihr Leben gemeinsam verbringen würden.

      Mutter, Tochter und Hilda, für die eine ganz wundervolle Rolle vorgesehen war, die der Großmutter.

      Ende gut, alles gut. Ja, das konnte man hier wirklich sagen.

      Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge, und ohne die Frau Doktor hätten sie alles nicht geschafft.

      Isabella und Claire machten vorsichtige Annäherungsversuche, Hilda war in jeder Hinsicht überfordert.

      Irgendwann war es doch geschafft, nun wollte Claire sich nur noch von Manuel verabschieden, und dann sollte es losgehen an den Genfer See.

      *

      Während Isabella und Hilda sich im Haus aufhielten, trafen Manuel und Claire sich auf der Terrasse. Es war ein warmer, schöner und sonniger Tag.

      Sie hatten sich seit dem Ereignis, das alles durcheinandergebracht hatte, nicht mehr gesehen, und deswegen saßen sie sich zunächst einmal schweigend und ein wenig scheu gegenüber.

      Es war Manuel, der als Erster das Wort ergriff.

      »Stimmt das wirklich, was man sich erzählt und was man in der Zeitung lesen kann? Man hat dich als Baby entführt, und deine Mutter war überhaupt nicht deine Mutter? Du bist das Kind von Isabella Duncan?«

      Claire nickte.

      »Es stimmt, Manuel. Und ich heiße in Wirklichkeit nicht Leonie, sondern mein richtiger Name ist Claire. Daran muss ich mich erst einmal gewöhnen, aber ich kann mich ja nicht mehr Leonie nennen.«

      Das konnte Manuel verstehen.

      »Manchmal ist es komisch im Leben. Weißt du, meine Freundin Bambi, von der habe ich dir ja erzählt, die hat immer geglaubt, eine echte Auerbach zu sein, und dann auf einmal stellte sich heraus, dass sie adoptiert wurde. Für die war es so schlimm, dass sie nicht mehr im Sonnenwinkel bei ihren Eltern, die ja nicht wirklich ihre Eltern waren, bleiben wollte. Sie wollte nicht mehr Bambi genannt werden, sondern Pam, sie heißt Pamela, und sie ist nach Australien gegangen.«

      »Du scheinst all deine Freundinnen zu verlieren, Manuel. Und nun gehe ich hier weg, und das tut mir wirklich sehr leid. Ich habe so gern im Sonnenwinkel gelebt.«

      Er grinste.

      »Genf ist bestimmt viel schöner, und ich werde ja auch nicht hierbleiben. Ich vertraue dir jetzt etwas an, was sonst hier niemand weiß, nur meine Familie. Mein Papa wird die Fabrik verkaufen, und dann gehen wir nach Amerika, genau gesagt, nach Arizona auf eine riesige Pferdefarm.«

      Hatte Manuel sich das jetzt gerade ausgedacht, um sie zu trösten?

      Sie fragte ihn, doch er schwor Stein und Bein, dass es wirklich so war, und um sie zu überzeugen, zeigte er ihr Fotos von der Farm, die er auf seinem Handy hatte.

      Der Abschied von Manuel, das war noch ein bitterer Wermutstropfen gewesen, doch wenn er selbst von hier wegzog …

      Das machte den Abschied leichter.

      Jetzt stellte sie ein paar Fragen, und als die beantwortet waren, wollte Manuel wissen: »Und wie ist das denn mit deiner richtigen Mutter?«

      Claire wurde ernst.

      »Sie ist sehr nett, aber ich kann noch nicht viel sagen, weil ich sie ja überhaupt nicht kenne. Ich bin froh, dass Hilda-Omi mitkommt. Die war immer für mich da, wenn ich traurig war, bei der durfte ich Klavierspielen, die macht den tollsten Kakao auf der ganzen Welt. Ein bisschen Angst habe ich schon, aber nicht wegen der Sprache. Ich spreche ja Französisch, nein, es ist, weil auf einmal alles so anders ist. Ein anderer Name, eine andere Mutter, ein anderer Ort. Ist ganz schön viel, oder?«

      »Weißt du«, gab er zu, »ich habe auch ein bisschen Angst. Ist ja auch ein ziemlicher Sprung von hier bis Arizona. Ich hatte ja einen Bammel, es dir zu sagen, dass ich nicht mehr lange hier sein werde. Dabei gehst du nun noch vor mir. Übrigens, ich finde Claire ist ein toller Name. Der passt besser zu dir als Leonie.«

      Sie sah ihn zweifelnd an.

      »Findest du das wirklich?«

      Er nickte.

      »Wirklich, sonst hätte ich es nicht gesagt«, bemerkte er im Brustton der Überzeugung. »Es ist schade, dass wir uns nicht mehr sehen werden, und wir können ja versuchen, in Verbindung zu bleiben. Aber ich glaube, so richtig funktioniert so was nicht. Bambi und ich wollten das auch, und es hat nur am Anfang geklappt, danach ist es immer mehr eingeschlafen. Ich glaube, das ist einfach so.«

      »Aber wir können in Erinnerung behalten, dass wir hier eine tolle Zeit hatten. Du hast mir sehr geholfen, Manuel, und ich werde nicht vergessen, dass du mir das Fahrrad fahren beigebracht hast. Und du hast mir immer zugehört, hast mich aufgemuntert, wenn ich mal traurig war. Du bist ein guter Freund, und ich werde dich vermissen. Und weißt du noch, wie ich mich einfach an dein Klavier gesetzt habe und anfing darauf zu spielen?«

      »Und ob ich das weiß, und erinnerst du dich, dass meine Stiefmutter sagte, dass man so was im Blut hat? Wir haben darüber gelacht, weil deine Mutter, äh, ich meine, die Frau Schulz, das Klavierspiel gehasst hat. Ist alles ganz schön verrückt. Du hast es im Blut, und Isabella Duncan ist deine Mutter. Wie geht man denn mit so einer Künstlerin um?«

      Claire zuckte die Achseln.

      »Für mich ist sie die Mutter, und da ist sie ganz normal. Sie ist so glücklich, und sie weint andauernd vor Glück. Ich glaube, ich mag sie.«

      Ehe Manuel etwas sagen konnte, kam Hilda zu ihnen auf die Terrasse heraus, sie trug ein Tablett mit Getränken


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