Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
werde Frau Holden in eine Klinik bringen«, sagte Kommissar Röck.
»Zu Dr. Leitner«, sagte Molly rasch. »Ja, er ist der richtige, und außerdem ist er mit Dr. Norden befreundet, ist auch nicht weit.«
»Verzeiht mir«, sagte Leslie nochmals.
»Was haben wir dir zu verzeihen?« fragte Gisela aufhorchend.
»Rai wird es dir erklären, Gisi. Wenn alles so ist, wie der Kommissar sagt…«
»Vermutet«, warf Raimund ein. »Ich werde es Gisi erklären. Denk jetzt an das Baby, Leslie.«
Kommissar Röck führte Leslie hinaus. Er legte fürsorglich den Arm um sie.
»Es tut mir sehr leid, daß ich Ihnen diese Strapazen zugemutet habe«, sagte er.
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie müssen Ihre Pflicht tun. Mein Gott, wenn Denni doch endlich gefunden würde. Ich würde mein Kind dafür opfern.«
»Das dürfen Sie nicht sagen«, murmelte er heiser.
»Aber sie lieben das Kind. Es ist zehn Jahre ihr ein und alles. Meins wird ohne Vater heranwachsen. Er hat nicht einmal gewußt, daß er Vater werden würde. Ach, ich bin völlig durcheinander.«
»Sie haben sich doch auf das Kind gefreut«, sagte Helmut Röck leise.
»Weil ich Freunde hatte, die zu mir hielten, die mir die Möglichkeit gaben, weiter zu existieren. Unter dem Gesichtspunkt müssen Sie verstehen, daß es mich bis ins Innerste trifft, wenn dadurch in Dennis Köpfchen solch ein Irrtum entstand.«
»Es ist nur eine Vermutung«, sagte Helmut Röck, und als sie ihn dann wieder mit Herr Kommissar anreden wollte, bat er sie, den Titel wegzulassen.
»Ich kenne jetzt die Zusammenhänge«, sagte er. »Ich bitte Sie, sich nicht in Schuldgefühle hineinzusteigern. Ich muß meine Pflicht erfüllen, aber Sie können mir glauben, daß das manchmal verdammt schwer ist. Wir sind doch auch Menschen.«
»Das haben Sie bewiesen«, sagte Leslie leise. Und dann waren sie auch schon bei der Frauenklinik angelangt.
»Man wird mich wieder heimschicken«, sagte Leslie. »Das Baby ist noch nicht dran.«
»Man wird Sie nicht heimschicken. Sie werden jetzt folgsam sein, Frau Holden.«
Man schickte sie nicht heim, denn inzwischen hatte Molly mit Dr. Norden und auch mit Dr. Leitner telefoniert. Und es war gut, daß Helmut Röck Leslie so schnell hergebracht hatte, denn sie war am Ende ihrer Kräfte.
*
Auch Denise war am Ende ihrer Kräfte gewesen.
Als Fee Norden auf das Läuten zur Tür ging, sah sie nichts.
Fee ging zum Gartentor, und da sah sie eine kleine, zusammengekrümmte Gestalt. Nur eine Sekunde zögerte sie, dann kniete sie neben dem Kind nieder.
»Denise«, sagte sie, aber die Kleine rührte sich nicht.
»Lenni, helfen Sie mir!« rief Fee laut, und Lenni kam schon aus dem Haus gestürzt, weil sie meinte, daß ihrer Frau Doktor etwas passiert sei.
»Können Sie die Kleine ins Haus tragen?« fragte Fee.
»Aber sicher«, erwiderte Lenni und hob Denise schon auf.
»Es ist die kleine Attenberg«, erklärte Fee. »Ich muß ihre Eltern anrufen. Nein, es ist wohl besser, ich rufe erst meinen Mann.«
Eingehüllt in wärmende Decken lag Denise auf dem Sofa und wurde von Danny aufmerksam betrachtet, als Fee ihren Mann anrief.
Währenddessen schlug Denise schon wieder die Augen auf.
»Nichts Mami und Papi sagen«, flüsterte sie.
Daniel Norden war sonst wirklich nicht schwer von Begriff, aber in dem Augenblick, als Fee ihm sagte, daß Denise bei ihnen sei, hielt er doch atemlos den Hörer ans Ohr gepreßt.
»Komm schnell, Daniel«, sagte Fee.
»Ich fliege, Liebling«, sagte er.
»Fahr vorsichtig«, sagte sie darauf.
Und dann überlegte sie. Was war jetzt wichtiger? Den Eltern die Angst zu nehmen, oder Denises Bitte zu befolgen?
»Deine Eltern machen sich große Sorgen, Denise«, sagte sie.
»Papi hat doch Leslie«, schluchzte Denise auf.
Sie war jetzt nichts als ein kleines hilfloses Kind, das sich einem Menschen anvertrauen mußte. Fee horchte auf. Hellwach war sie gleich und schob die anderen verwirrenden Gedanken beiseite.
»Was ist mit Leslie?« fragte sie sanft.
»Sie ist so vertraulich mit Papi, und sie bekommt ein Baby«, kam die schluchzende Antwort.
Fee war nun wieder verwirrt. Eine Antwort zwar hatte sie bekommen, aber war sie die Lösung eines Problemes?
»Und deshalb bist du weggelaufen?« fragte sie nachdenklich.
»Ich weiß nicht. Ich bin so lange gelaufen.«
»Sie wird hungrig sein«, sagte Lenni.
Danny tätschelte Denises Hand. »Westerlein?« fragte er.
»Nein, das ist kein Schwesterlein, das ist ein großes Mädchen.«
»Roßes Mädsen«, wiederholte er kindlich. »Weint roßes Mädsen?«
Er nahm eine Serviette, um Denise die Tränen abzutupfen. Fee gab den Gedanken auf, ihn in sein Zimmer zu bringen. Vielleicht konnte er jetzt mehr helfen als jeder andere.
»Er ist noch so klein und kann schon richtig reden«, sagte Denise staunend.
»Noch nicht ganz richtig«, sagte Fee mit einem flüchtigen Lächeln.
»Aber man kann ihn verstehen«, sagte Denise. »Wir sind oft hier vorbeigegangen, und ich wollte Dr. Nordens Baby so gern mal sehen, aber Mami hat gesagt, daß wir nicht stören wollen.«
»Danny kein Baby«, sagte der Kleine. »Kommt Baby.«
Denises Gesicht überschattete sich. Ihre Lippen preßten sich wieder aufeinander.
Fee beobachtete sie, aber sie war sehr erleichtert, als Daniel nun kam.
Er setzte sich zu Denise. »Es ist aber sehr gescheit, daß du zu uns gekommen bist«, sagte er.
»Aber nichts meinen Eltern sagen«, flüsterte Denise.
»Wir werden erst einmal ganz vernünftig miteinander reden, Denise«, meinte Daniel Norden, ohne zu verraten, daß er ihre Eltern bereits angerufen hatte.
*
Das ganz große Aufatmen gab es im Hause Attenberg noch nicht, wenngleich die Nachricht wie eine Erlösung wirkte. Aber Dr. Norden hatte gesagt, daß er erst mit Denise sprechen wolle, um neue Konflikte zu vermeiden.
»Wir haben etwas falsch gemacht, Raimund«, sagte Gisela gequält.
»Es wird gutzumachen sein, Liebes«, sagte er gedankenvoll. »Gott sei gedankt, daß wir das denken können.«
»Mich brauchen Sie jetzt wohl nicht mehr«, sagte Molly. »Himmel, bin ich froh, daß sich alles aufklärt.«
»Wie dürfen wir uns für Ihre Hilfe erkenntlich zeigen, Frau Molly?« fragte Raimund
»War doch selbstverständlich«, erwiderte Molly. »Wenn meine Sabine mal Trauringe braucht, können Sie ihr ja Prozente geben.«
Praktisch dachte Molly auch. Und Raimund Attenberg mußte trotz aller Aufregung lächeln.
»Das sowieso«, meinte er und warf dann schnell einen Blick auf Mollys hübsche, gepflegte Hände, der alle Arbeit nichts hatte anhaben können.
»Eine kleine Anerkennung werden Sie uns doch aber zubilligen«, sagte Gisela.