Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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      »Werfen sie mich aus der Schule ’raus, wie sie es mit dem Guido getan haben, weil er weggelaufen war? Er mußte dann in ein Internat.« Ihre Stimme zitterte ein bißchen.

      »Aber nein, solche Gedanken brauchst du dir gar nicht zu machen. Das wird niemand erfahren. Wir sagen ganz einfach, daß dir was wehgetan hat und du zu uns gekommen bist.«

      »Das ist aber Schwindel.«

      »Nur ein bißchen Schwindel. Du bist doch zu uns gekommen, Denise.«

      »Ich finde es aber sehr nett, daß ihr für mich schwindelt«, sagte sie mit dem schelmischen Ausdruck, der so lange aus ihren Augen verschwunden gewesen war.

      »Es gibt aber noch etwas. Du darfst jetzt nicht erschrecken, Denni«, sagte Fee. »Dein Papi hatte gestern einen kleinen Unfall.«

      Das Kind erstarrte. »Einen Unfall?« schrie es auf.

      »Es ist nicht schlimm. Er ist schon wieder daheim. Er war auch nicht allein schuld daran. Es passierte, als er vom Geschäft heimfahren wollte.«

      Denises Lippen bewegten sich lautlos. »Und ich bin daran auch schuld«, flüsterte sie. »Er hat sich aufgeregt. Papi hatte noch nie einen Unfall. Oh, es tut mir alles so schrecklich leid, was ich angerichtet habe.«

      »Es wird bald vergessen sein, Denise«, sagte Fee. »du bist ein bißchen klüger geworden.« Und ihre Eltern auch, dachte Fee für sich. Manchmal muß man halt erst Lehrgeld bezahlen.

      »Und ihr seid auch nicht böse mit mir?« fragte Denise.

      »Aber nein. Wir sind froh, daß du zu uns gekommen bist.«

      »Meine Füße sind von selbst gelaufen«, sagte Denise leise. »Sie taten so weh und mein Kopf auch. Ich wußte nicht mehr, wohin ich wollte. Ich kann eine ganze lange Geschichte schreiben über diesen Tag.«

      »Dann schreib sie, Denni. Vielleicht kannst du anderen Kindern damit helfen.«

      »Du meinst, daß andere Kinder meine Geschichten lesen sollen?«

      »Die besten Geschichten sind die, die das Leben schreibt«, sagte Fee.

      »Aber ein gutes Ende müssen sie haben«, flüsterte Denise.

      Fee strich ihr das wirre Haar aus der ganz glatten Stirn.

      »Freilich ist es schön, wenn Geschichten ein gutes Ende haben.«

      »Ich schreibe gute Aufsätze«, sagte Denise eifrig. »Ich habe eine Eins in Deutsch.«

      »Du bist überhaupt eine sehr gute Schülerin, wie wir hörten.«

      »Im Zeugnis ja, aber sonst bin ich doch recht dumm«, sagte sie. »Wo ist eigentlich Danny?«

      »Mit Lenni zum Einkaufen.«

      »Ich möchte ihn so gern sehen. Er ist süß! Warum habe ich eigentlich keine Geschwister?«

      »Ja, das mußt du deine Eltern fragen«, sagte Fee mit einem tiefen Lächeln. »Darauf weiß ich keine Antwort.«

      »Wenn es Papi wieder gutgeht, werden wir viel reden müssen«, meinte Denise. »Ob ich über alles mit ihnen sprechen kann?«

      »Warum nicht? Du brauchst nur Fragen zu stellen. Ich glaube nicht, daß sie dir dann die Antwort schuldig bleiben.«

      »Und wenn doch?« fragte Denise skeptisch.

      »Dann kommst du zu uns, aber ohne vorher davonzulaufen. Dann werden wir mit deinen Eltern sprechen.«

      »Und fragen, warum sie mir manches nicht sagen wollen?«

      »Ja, das werden wir, Denni. Das ist ein Abkommen.«

      »Hand drauf?« fragte Denise.

      Ganz fest nahm Fee die kleine Hand. »Und nun bringe ich dich heim. Deine Eltern warten schon so sehr auf dich.«

      *

      Das konnte man wohl sagen. Raimund Attenberg fühlte sich körperlich zwar schon bedeutend wohler, aber sein seelischer Zustand war noch sehr schlecht.

      »Wir haben uns das Vertrauen unseres Kindes verscherzt, Gisi«, sagte er gequält. »Sie fürchtet sich, nach Hause zu kommen.«

      »Frau Dr. Norden hat gesagt, daß sie Denni bringt, wenn sie gefrühstückt hat. Sie nimmt uns viel Mühe ab.«

      »Wieso Mühe, und frühstücken kann Denni auch bei uns. Herrgott, ich komme mir vor wie ein Rabenvater.«

      »Der du nicht bist. Außerdem haben die Nordens sehr viel Verständnis für die Situation.

      »Brauchen wir etwa einen Psychiater? Ich habe uns immer für völlig normal gehalten, Gisi.«

      »Dr. Norden ist kein Psychiater«, erwiderte sie mit einem leisen Lachen. »Er ist einfach der Hausarzt, wie man sich ihn wünscht. Er ist menschlich, und er nimmt sich Zeit.«

      »Ich nehme mir auch Zeit für meine Kunden«, brummte Raimund.

      »Bei dir geht es um Steine, um Material, für Dr. Norden geht es um Menschen«, sagte Gisela.

      »Machst du mir einen Vorwurf, daß ich mit Schmuck handele?« fragte er.

      »Versteh mich doch nicht falsch, Schatz«, sagte Gisela.

      »Zum Arzt hätte ich nicht getaugt. Ich kann kein Blut sehen. Sei nicht böse, Gisi, manchmal kommt mir ja auch die Galle hoch, wenn meine Kunden nur darauf bedacht sind, daß man es den Schmuckstücken ansieht, wieviel sie gekostet haben. Ich denke seit gestern über so vieles nach, was vorher nebensächlich erschien. Es trifft mich tief, daß unser Kind mehr Vertrauen zu den Nordens hat.«

      »Denni suchte einen Ausweg aus einer Situation, in die sie sich ohne Überlegung hineinmanövriert hat«, sagte Gisela. »So hat es Frau Norden mir erklärt.«

      »Was meinst du, was wir von unseren Eltern zu hören bekommen, wenn sie von der Geschichte erfahren.«

      »Sie brauchen davon nichts zu erfahren. Sie sind weit vom Schuß.«

      »Denni sollte auch nichts von Leslies Geschichte erfahren«, murmelte er. »Und was ist dadurch entstanden?«

      »Ich habe dir vorgestern abend gesagt, daß ich mit Denni sprechen will. Sie hat gehört, wie wir uns unterhielten. Das löste dann die Affektreaktion aus. Sie hat alles mißverstanden. Wir dürfen ihr keinen Vorwurf machen, Raimund.«

      »Ich denke nicht daran. Ich will unser Kind wiederhaben, und es soll so sein wie früher.«

      »Nicht ganz so«, sagte Gisela nachdenklich. »Wir werden Denni nicht mehr als kleines Kind betrachten. Nur so wird es keine Probleme mehr geben. Das sollten wir gelernt haben.«

      »Wir wollten doch, daß sie eine glückliche, unbeschwerte Kindheit hat, Gisi«, sagte Raimund Attenberg.

      »Das war unser Wunsch, aber irgend etwas haben wir verkehrt gemacht, das dürfen wir jetzt nicht wegwischen. Es ist nicht nur die Geschichte mit Leslie. Irgendwann sind wir auch schon mal früher Problemen ausgewichen.«

      »Aber wann, Gisi?«

      »Wohl da, als sie uns fragte, warum sie keine Geschwister hat«, erwiderte Gisela gedankenvolll. »Könnte sie darüber nicht mehr nachgedacht haben, als wir ahnten?«

      »Wir haben ihr doch gesagt, daß wir es sehr schön finden, daß sie unser einziges Kind ist.«

      »Wir waren überzeugt, alles richtig zu machen, das ist das Problem«, sagte Gisela. »Und ich meine, daß wir Leslie dankbar sein müssen, daß wir hoffentlich noch zur rechten Zeit zu dieser Erkenntnis gekommen sind.«

      »Ohne Umweg wäre es besser gewesen«, sagte Raimund.

      »Das gewiß, aber besser mit einem Umweg als nie.«

      Und als sie das gesagt hatte, läutete es an der Tür.

      Wenig später fing Gisela Attenberg ihr Kind in den Armen auf.

      Sie


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