Butler Parker Special Edition 1 – Kriminalroman. Günter Dönges
Ich muß mich jetzt ein wenig betätigen.«
*
Charly Cantner war deutlich auszumachen.
Er saß auf einer Holzbank neben dem Eingang zum Farmhaus und las Zeitung. Auf einem Tisch neben ihm standen eine Flasche und ein Glas. Er rauchte mit sichtlichem Genuß eine Zigarre und ahnte nicht, daß er intensiv beobachtet wurde.
Butler Parker und Lady Agatha hatte das ländliche Anwesen nach einem kleinen Fußmarsch erreicht. Die ältere Dame saß in der Höhe einer Remise auf einer Ackerwalze und tupfte sich dünne Schweißperlen von der Stirn.
Sie nickte kurz, als Parker ihr einen Kreislaufbeschleuniger reichte, der aus einer flachen, mit Leder bespannten Taschenflasche stammte. Sie schnupperte am ovalen Trinkbecher, der gleichzeitig als Verschluß diente, und schien sichtlich erleichtert.
»Mylady werden in wenigen Minuten richtig entspannen können«, versprach der Butler ihr. Er hielt bereits die Gabelschleuder in Händen und belegte die Lederschlaufe mit einer hart gebrannten Ton-Erbse.
Sie jagte mit Höchstgeschwindigkeit auf Cantner zu, der gerade nach seinem Glas greifen wollte.
Es blieb bei dieser Absicht. Cantner kippte seitlich weg, als wäre er von einer riesigen, unsichtbaren Handkante getroffen worden.-Das Glas blieb auf dem Tisch stehen.
Er lag gerade auf den Steinplatten, als jener Mann erschien, der sich ebenfalls in Martin Landbys Büro aufgehalten hatte. Er rief nach Cantner, erhielt keine Antwort, beugte sich dann vor und entdeckte seinen Arbeitgeber auf dem Boden.
Der Mann kam gar nicht auf den Gedanken, Cantner sei durch Fremdeinwirkung auf die Steinplatten geschickt worden. Er baute sich ungemein günstig auf und ließ den Butler zu einem weiteren Schuß kommen.
Die zweite Ton-Erbse traf ihn am Hinterkopf.
Der Angeschossene stieß sich förmlich vom Boden ab und legte sich anschließend flach auf jenen Mann, auf dessen Lohnliste er stand. Er zappelte noch ein wenig mit den Beinen, bevor er endgültig Ruhe gab.
»Mit Myladys Erlaubnis.« Parker wartete diese Erlaubnis allerdings nicht ab, sondern setzte sich sofort in Bewegung und pirschte an das Farmhaus heran. Er dachte an mögliche zusätzliche Hausbewohner.
Dies war jedoch nicht der Fall, wie sich bald zeigte. Man hatte es nur mit Charly Cantner und seinen drei Kumpanen zu tun gehabt. Und sie alle waren ausgeschaltet.
Der Journalist befand sich in einem Kellerraum und sah ein wenig mitgenommen aus. Er blinzelte, als Parker ihn ans Tageslicht beförderte. Er ließ sich erschöpft auf einem Stuhl nieder und starrte auf Cantner und dessen Leute.
»Sie müssen es diesen ›Nullen‹ ein wenig zu leichtgemacht haben, Mister Webster«, meinte Parker. »Wie konnte man Sie derart schnell ausfindig machen?«
»Ich Idiot habe mit meiner Freundin gesprochen. Und die hat man dann unter Druck gesetzt«, gestand der Journalist.
»Ist der Dame etwas passiert?« fragte Parker besorgt.
»Nein, nichts«, lautete die Antwort. »Man hat sie nur geschickt ausgefragt. Sie hat keine Ahnung, was da gelaufen ist. Guter Gott, bin ich froh, daß Sie mich gefunden haben.«
»Ihr Anruf alarmierte Lady Simpson, Mister Webster.«
»Gut, daß wir dieses Codewort ausgemacht haben«, bedankte sich der Journalist. »Die Kerle haben überhaupt nichts gemerkt.«
»Weil Sie völlig normal reden konnten«, meinte der Butler. »Mylady suchte inzwischen Mister Bellow und Mister Stifton auf.«
»Bellow ist der Boß der ›Nullen‹«, behauptete der Journalist. »Ich kann’s eben nur nicht beweisen.«
»Er arbeitet mit dem Leiter des Bau- und Planungsbüro der Behörden zusammen, Mister Webster?«
»Über Stiftons Schreibtisch geht alles, was die Firmen einreichen«, bestätigte der Journalist. »Ob er aber der Mann ist, den wir suchen, weiß ich nicht mit letzter Sicherheit.«
»Mister Stifton ist ungewöhnlich stolz auf seinen Tresor.«
»Ich kenne dieses alte Möbel«, amüsierte sich Webster. »Sollte man es nicht mit ’ner Haarnadel aufsperren können?«
»Diesen Eindruck vermittelte der Geldschrank in der Tat, Mister Webster«, bestätigte der Butler. »Sie nannten vor Ihrer Abfahrt noch einige Namen, darunter auch den eines gewissen Mister Herbert Elsham.«
»Einer von Stiftons Mitarbeitern«, sagte Webster und nickte. »Er kontrolliert die eingereichten Leistungsverzeichnisse, aber er eben nicht allein.«
»Halten Sie diesen Mister Elsham für besonders verdächtig?«
»Nicht mehr oder weniger als die anderen, Mister Parker. Ich tippe auf Ray Stifton.«
»Sie wurden gezwungen, am Telefon auf Mister John MacLean zu verweisen. Er arbeitete tatsächlich im Bau- und Planungsbüro?«
»Ich habe keine Ahnung. Cantner zwang mich, diesen Namen und die Adresse zu nennen. MacLean kenne ich nicht.«
»In seinem Büro drüben in Warlingham fand Mylady einen jungen Mann, der auf diese Farm hier verwies.«
»Das wird der Gangster sicher nicht ohne Grund getan haben, Mister Parker«, vermutete der Journalist.
»Eine Schlußfolgerung, Mister Webster, der man sich anschließen sollte«, antwortete der Butler. »Mister MacLean ist entweder ein Opfer der ›Nullen‹ geworden, oder aber er steckt mit ihnen unter einer Decke. Falls dem aber so sein sollte, so fragt man sich, warum er nicht selbst auf Mylady und meine bescheidene Wenigkeit wartete und die erforderlichen Hinweise auf die Farm hier gab.«
»Vielleicht war er nicht zu erreichen, Mister Parker.«
»Er könnte sich in London aufhalten«, tippte der Butler an.
*
Später befragte er Cantner zu diesem Thema.
Der Betreiber der privaten Arbeitsvermittlung machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Er hockte in der Küche des Farmhauses und wirkte leicht beunruhigt, als Parker erschien.
»Sie wurden Ohrenzeuge der Unterhaltung mit Mister Webster«, schickte der Butler voraus. »Es geht um Mister MacLean. Dazu wünscht Mylady einige Angaben zu hören, Mister Cantner.«
»Ich ... ich kenne den Mann überhaupt nicht.«
»Obwohl Sie Mister Webster zwangen, diesen Namen zu nennen?« wunderte sich Parker andeutungsweise.
»Überlassen Sie mir das Verhör, Mister Parker«, schaltete die ältere Dame sich grimmig ein. »Ich bin es leid, immer wieder Ausflüchte zu hören. Suchen Sie mir ein hübsches Tranchiermesser.«
»Mylady wollen ...?« Parker beendete seinen Satz nicht und atmete tief durch. Cantner bekam dies durchaus mit.
»Sie können ja so lange hinausgehen, Mister Parker. Ich weiß, daß Sie kein Blut sehen können«, schlug die energische Dame ihrem Butler vor.
»Meine Wenigkeit möchte sich für die Großherzigkeit bedanken«, meinte Parker weiter.
»Messer... Kein Blut sehen ...? Was haben Sie vor, Lady?« Cantner ahnte es bereits und schluckte nervös.
»Ich werde mich gleich angegriffen fühlen und dementsprechend verteidigen«, setzte die Detektivin dem Gangster auseinander.
»Moment«, wandte Cantner heiser ein. »Wer sagt denn, daß ich nicht reden will, Lady? Okay, ich kenne MacLean.«
»Sie sollten möglichst schnell antworten«, bat Parker den Mann eindringlich, als Lady Agatha hinüber zu einem Küchenschrank ging und eine Schublade aufsperrte. Man hörte deutlich, daß sie im Besteck wühlte.
»MacLean war früher mal ein Schränker«, erwiderte Cantner hastig. »Er arbeitet auch jetzt noch für die ›Nullen‹, das heißt, er sperrt diesen Tresor bei Stifton