Wyatt Earp Staffel 4 – Western. William Mark D.
einem Menschen, der ihn früher gekannt hatte, nur noch schwer zu erkennen gewesen. Die Zeit in Sescattewa und vor allem seine mörderische Flucht hatten ihn sehr verändert.
Er ging jetzt auf die Theke zu, zwängte sich zwischen zwei ältere Männer und verlangte einen Whisky.
Und wieder einmal hatte er sich etwas bestellt, das er nicht bezahlen konnte.
Länger als ein Jahr hatte er nichts getrunken. Und jetzt, so dicht in der Nähe seines Zieles, hatte es ihn gepackt.
Er mußte Whisky haben.
Langsam hob er das Glas an, setzte es an die Lippen und goß den Inhalt in seine Kehle. Beißend rann ihm die scharfe Flüssigkeit durch den Schlund.
Der Keeper blickte ihn abwartend an.
»Noch einen?«
»Yeah«, knurrte der Verbrecher.
Auch das zweite halbvolle Wasserglas rann durch seine Kehle.
Halbot setzte das Glas ab und blickte sich um. Drüben rechts neben der Tür saßen an einem großen grünbezogenen Spieltisch mehrere Männer beim Cross-Poker.
Im Hintergrund des Schankraumes hockten ledergekleidete Weidereitergestalten zusammen und unterhielten sich geräuschvoll.
Links, an einem länglichen Tisch, schwiegen sich drei ältere Männer beharrlich an.
Und hier vorn saß der Spieler und Revolvermann Lewt Farhey.
Halbots Blick haftete auf dem Schießer.
Farhey spürte es. Auch er sah jetzt den Fremden an.
Halbot schlenderte auf ihn zu und legte seine prankenartigen Hände auf die Lehne eines Stuhles. »Hallo!«
»Hallo.«
»Ich möchte Sie zu einem Drink einladen«, erklärte der Texaner.
Farhey grinste. »Das ist gut. Ich werde mich revanchieren. Und damit uns inzwischen die Zeit nicht lang wird, spielen wir einen Double.«
Sie tranken und spielten Double Poker, das einzige Zweimann-Spiel, bei dem Halbot nicht genötigt war, seinen Einsatz vorher auf den Tisch zu legen.
Zunächst gewannen und verloren sie abwechselnd, weil sie offen spielten. Dann begann Halbot zu betrügen.
Farhey schloß sich an.
Sie betrogen einander ohne Unterbrechung.
Bis Farhey plötzlich aufsprang. Seine Hand zuckte zum Revolver.
Der bärtige Mann hatte seinen großen Colt schon in der Hand.
»Für dieses Spiel muß man sehr schnell sein, Amigo«, meinte Halbot lässig, während er mit der Linken das Geld zusammenzog und in die Tasche strich. »Sie sind ein gerissener Falschspieler, aber mit dem Ziehen hapert’s noch etwas, Farhey.«
Das Gesicht des Revolvermannes war blaß geworden. Er schluckte. »Well«, preßte er schließlich durch die Zähne, »ich habe dich anscheinend unterschätzt, Brother. Siehst aus wie ein Pelztierjäger. Und die sind nicht besonders schnell mit dem Eisen. Aber noch etwas: Für den gerissenen Falschspieler werde ich mich bei Gelegenheit bedanken. Du bist es doch, der betrogen hat, daß sich die Dielen bogen.«
»Vorsicht, Amigo«, schnarrte der Texaner rauh, »ich bin ziemlich empfindlich gegen Beleidigungen.«
Farheys Gesicht war plötzlich dunkel vor Ärger. »Komm raus auf die Straße, Tex!« brach es nun heiser von seinen Lippen.
»Der Ausdruck Tex gefällt mir auch nicht, Amigo. Ich komme aus Oklahoma«, versetzt Halbot gallig. »Und nun hör genau zu: Ich bin kein dummer Junge, mit dem man reden kann, wie man will. Du kannst mit dem Colt bedrohen und mit den Karten betrügen, wen du willst – nur nicht mich. Verstanden?«
In der Bar herrschte längst betretenes Schweigen.
Waren die Männer, die schon zu Beginn des Spiels zu den beiden hinübergeluchst hatten, anfangs froh gewesen, daß es Farhey einmal schlechtging, so blickten sie jetzt bereits besorgt zu dem Tisch hinüber.
Der Fremde hatte den Revolver noch in der Hand.
Da wurde die Pendeltür aufgestoßen, und die hochgewachsene bullige Gestalt des Sheriffs schob sich in den Raum.
Ed Masterson (ein Bruder William Barkley ›Bat‹ Mastersons, der drüben im benachbarten Dodge City Chief Deputy unter Wyatt Earp war) warf einen forschenden Blick auf die beiden Männer.
Als Halbot den Stern auf der Brust des Eintretenden gesehen hatte, erschrak er bis ins Mark, ohne sich das jedoch merken zu lassen.
Mit einer spielerischen Bewegung schob er den Colt wieder ins Halfter. »Sehen Sie, Mister Farhey, so habe ich mich damals gegen den Mann gewehrt. Haben Sie begriffen?«
Farhey war ein alter Fuchs – außerdem hatte auch er die Sternträger zu fürchten.
Er grinste verkniffen und meinte: »Yeah, das habe ich.«
Masterson schob sich den Hut ins Genick und schlenderte an die Theke. »Alles in Ordnung, Jim?«
Der Keeper nickte. »Yeah, Sheriff. Aber Sie können gern einen Augenblick hierbleiben.«
Halbot ging auf den Schanktisch zu. Wenngleich ihm nicht sehr wohl dabei war, als er neben dem Sheriff stand, sagte er leutselig: »Einen Drink für den Hüter des Gesetzes.« Dabei grinste er. »Was hat mein Partner drüben getrunken?«
»Zwei Whisky«, antwortete der Keeper.
Halbot warf drei silberne Geldstücke auf das Thekenblech, tippte die wellige Krempe seines grauen Hutes und schlenderte, ohne noch irgend jemanden eines Blickes zu würdigen, hinaus.
Farhey sah ihm mit verkniffenem Gesicht nach.
Satan! Diesem Hund mußte er es geben!
Er erhob sich, um ihm zu folgen.
Masterson lehnte mit dem Rücken an der Theke. »Mister!« rief er durch den Schankraum.
Farhey blieb stehen. Ganz langsam wandte er sich um. »Sheriff?«
»Ihr Partner hat ein paar Cents zuviel hiergelassen. Ich schätze, daß Sie sie nicht verrosten lassen wollen.«
Farhey kam langsam an die Theke zurück und nahm das Glas, das ihm der Keeper hinschob. Es blieb ihm ja nichts anderes übrig.
Als er dann nach fünf Minuten hinausging, folgte ihm der Sheriff.
Der bärtige Fremde war im Dunkel der Nacht bereits verschwunden.
*
Jake Halbot ritt auf der Straße nach Osten am Arkansasufer entlang.
Im letzten Augenblick war er der Falle entgangen, die ihm das Schicksal da gestellt hatte.
Er ritt auf Dodge City zu.
Mit dem brennenden Rachegedanken in seinem Hirn.
Achtzehn Meilen trennten die beiden Städte voneinander. Eine Wegstrecke, die der Bandit in kurzer Zeit hinter sich brachte.
Fahles Mondlicht warf geisterhafte Schlagschatten, als Jake Halbot von Westen her in die berühmte Dodger Frontstreet einritt.
Wie ein dräuendes Geschick kam er in die Stadt. Sein Unstern hatte ihn über sechshundert Meilen weit hierhergetrieben.
Links auf einem kleinen Hügel lag der Boot Hill. Die Holzkreuze und schiefen Steine warfen ihre bizarren Silhouetten in den hellen Nachthimmel.
Die Stadt schien zu schlafen.
Nur unten in der Frontstreet fiel noch ein dünner Lichtschimmer quer über die Straße.
Halbot hielt an. Er stützte sich aufs Sattelhorn und starrte in die Straße.
Das also war Dodge. Das berüchtigte Dodge, in dem so viele wilde Gunfights getobt hatten, in dessen Straßen der graue Pulverrauch noch zu stehen schien.