Wyatt Earp Staffel 4 – Western. William Mark D.
Sollte dann noch Zeit sein, so war der blonde Bursche an der Reihe.
Aber dazu würde es wohl nicht mehr kommen.
Zweifellos hatte Wyatt Earp keine Pappfiguren um sich versammelt. Die Deputies sahen alle so aus, als ob sie mit einem Revolver umzugehen verständen. Niemals würde es ihm gelingen, drei gezielte Schüsse hintereinander anzubringen.
»Bitte«, hörte er da die dunkle Stimme Morgans hinter sich.
Mechanisch hob er das rechte Bein.
Dann flog er herum.
Den Revolver hatte er aus dem Halfter gerissen, aber er bekam ihn nicht hoch.
Der bullige Mann hatte mit einer Blitzreaktion gehandelt. In seiner klobigen rechten Faust lag ein großer alter Navycolt.
Halbot hatte seine Waffe noch nicht einmal anheben können.
Sie verstanden nicht nur, mit dem Revolver umzugehen, die Trabanten Wyatt Earps – sie waren sogar Meisterschützen. Das dämmerte dem Banditen dumpf. Er starrte betroffen in das schnauzbärtige Gesicht des Bulligen.
Der grinste plötzlich. »Was soll der Spaß, Mister? – Morgan, nimm ihm endlich die Kanone ab.«
Da riß Halbot die Waffe hoch.
Aber im gleichen Augenblick erhielt er von dem Bulligen einen Fußtritt, der ihm den Revolver aus der Hand schleuderte.
»Sind Sie gemütskrank, Mister?« fragte der schnauzbärtige Deputy.
Morgan hob indessen den Colt auf.
Da ließ der Bullige seinen Revolver ins Halfter gleiten. »Hören Sie, Mister, ich bin William Masterson und will Ihnen gleich sagen, daß Sie jetzt ins Jail kommen. Solche Kunststücke schätzen wir hier nicht.«
Weiß wie eine gekalkte Wand war der bärtige Bandit geworden. Mit weit offenen Augen und aufgerissenem Mund stand er da. Den Schmerz in seiner Rechten, den ihm der Fußtritt des Chief-Deputy eingetragen hatte, spürte er gar nicht.
Daß der Sternträger statt des Trittes auch eine Kugel hätte loslassen können, ging dem Verbrecher nicht auf.
Und als er die nächsten Worte Mastersons hörte, glaubte er, daß ihm der Boden unter den Füßen weggleiten müsse.
»Morgan Earp hat Sie hergebracht, weil Sie wie ein Blinder mit einer Feuerwaffe durch die Stadt laufen. An sieben Ecken steht groß und breit angeschlagen, daß das Tragen von Feuerwaffen in der Stadt verboten ist. Und nun glauben Sie, hier uns obendrein noch mit solchen Kunststücken unterhalten zu können. No, Mister – das gibt wenigstens drei Tage Jail.«
Jake Halbot prallte zurück. Hart schlug er gegen den Türrahmen.
Und dann brach ein dröhnendes Lachen von seinen Lippen. »Ich… ich wollte mal sehen, was hier so passiert, wenn man zum Revolver greift«, stieß er heiser hervor.
Masterson lachte humorlos. »Leider haben wir für diese Einfälle kein Verständnis, Mister. Dafür gibt’s bei uns drei Tage Gratisaufenthalt hinter Gittern. Morgan, bring ihn in Zelle drei und nimm alles auf!«
Ein wahrer Felsstein war von der Brust des Verbrechers gefallen. Aufatmend ließ er sich von Morgan in die Zelle führen und gab den gleichen Namen an, den er auch dem Nachtportier im Dodge-House-Hotel genannt hatte: Reginald Jefferson.
»Well, Mister Jefferson«, meinte Morgan, »vielleicht wird Ihnen in drei Tagen klar, daß wir es hier mit allem ernst meinen und ernst meinen müssen.«
Halbot feixte. Urplötzlich aber erstarb dieses Feixen und blieb in seinen Zähnen hängen. Ein fürchterlicher Gedanke war ihm gekommen. Wann wurde der Marshal zurückerwartet?
Bill Tilghman hatte gesagt zum Wochenende.
Damned! Heute war Mittwoch.
Am Samstagmorgen um diese Zeit würden sie ihn hier wieder rauslassen.
Was war, wenn der Marshal vorher kam?
Hell and devils! Dieser Gedanke trieb eine Siedehitze in seinen Körper.
Mußte er denn von einem Unglück ins andere fallen?
Nun saß er wieder in der Klemme.
Drei höllische Tage der Ungewißheit standen ihm bevor.
Es war nicht einmal notwendig, daß der Marshal selbst zurückkam. Jeden Augenblick konnte ihn einer der Deputies erkennen. Schließlich hatten sie seinen Steckbrief mit allen Einzelheiten gelesen und ihn höchstwahrscheinlich drüben noch irgendwo am Brett hängen.
In Sescattewa war alles herausgekommen. Er hatte es nicht geschafft, unter falschem Namen in das Camp der Lebenslänglichen zu kommen. Schon im Vorlager, wo er drei Tage gelegen hatte, war er auf Herz und Nieren untersucht worden, und ein alter Sergeant sagte ihm auf den Kopf zu, daß er einen falschen Namen angegeben hatte. Allein die Drohung jedoch, daß das Urteil jederzeit widerrufen und er sofort an den Strick gebracht werden könne, falls sich seine Angaben als falsch herausstellen, hatte den Verbrecher veranlaßt, seinen wahren Namen anzugeben.
Und dieser Name nebst einer gründlichen, eingehenden Beschreibung standen auf seinem Steckbrief.
Er selbst hatte ihn in einer Stadt während seines Rittes gesehen, in einer Mondnacht vor einem Sheriffs-Office. Das Plakat war feucht vom Regen gewesen, und Jake Halbot hatte es heruntergerissen, zusammengeknüllt und eingesteckt. Bei Tageslicht hatte er es gründlich studiert.
Doch, sie hatten einen scharfen Steckbrief hinter ihm hergeschickt, die Aasgeier aus Sescattewa.
*
Halbot schwitzte Blut und Wasser, als Bat Masterson sich gegen Mittag einen Schemel vor das Gitter zog und sich zu einem Plausch niederließ.
Der Bandit hatte den Kopf auf die Brust gesenkt und sein Gesicht so gedreht, daß der Schatten darauf fiel und der Chief-Deputy es nicht deutlich sehen konnte.
Masterson war im Grunde seines Wesens trotz seiner Rauhbeinigkeit ein gemütlicher Bursche. Der ›Eingelochte‹ tat ihm längst leid, aber er mußte die eisernen Gesetze der Stadt, die Wyatt Earp unter vielerlei Anstrengungen durchgesetzt hatte, einhalten.
»Pokern Sie, Jefferson?«
Halbot schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin Fallensteller und reite meist allein. Da habe ich keine Zeit zum Pokern.«
Masterson kratzte sich das Kinn. »Kid wird Ihnen Ihr Essen drüben im Dodge-House holen. Schließlich müssen Sie ja dafür bezahlen.«
Halbot nickte, dann betrachtete er angelegentlich die Hände.
»Soll ich Ihnen Tabak holen lassen?« fragte Masterson.
»Thanks, ich habe noch Zigarren.«
Masterson stand wieder auf, stemmte die klobigen Arme in den Rücken und schlenderte ins Office zurück. Halbot wußte, daß der Mann trotz seiner Leutseligkeit ein gefährlicher Gegner war. Genug hatte er schließlich von Wyatt Earps Stellvertreter gehört. Und wie reaktionsschnell Masterson war, hatte Halbot ja draußen an der Officetür selbst erlebt.
Als der Chief-Deputy gegen Mittag abgelöst wurde, atmete Halbot auf.
Die Zeit kroch dahin.
Der Mittwoch verging, der Donnerstag und auch der Freitag.
Spät in der Nacht zum Samstag schrak Halbot, der vor innerer Unruhe keinen festen Schlaf hatte finden können, von seiner Pritsche hoch.
Er hatte Bill Tilghmans Stimme gehört. Der Deputy hatte gerade zu dem blonden Kid Carney gesagt: »Morgen früh kommt der Marshal zurück. Er hat Masterson eine Depesche geschickt.«
Halbot war sofort hellwach.
Er saß auf der Kante seiner Pritsche und spürte, wie sich ihm die Kopfhaut zusammenzog und der Angstschweiß ihm bis in die Stiefel rann. Damned, da ereilte es ihn also doch noch, das gnadenlose Geschick.
Die ganzen Tage hatte er sich die bittersten