Wyatt Earp Staffel 4 – Western. William Mark D.
Hinter ihm stand Doc Holliday mit kalten Augen. In seiner Rechten lag ein großer vernickelter Revolver.
»Lassen Sie den Colt fallen, Halbot«, drang die Stimme des Missouriers an das Ort des Mörders.
»Nein, nein, ich…«
Wyatt Earp kam auf ihn zu.
Halbot nahm den rechten Arm hoch.
Er starrte in die Augen des Missouriers – und konnte nicht schießen.
Mit einem ruhigen, sicheren Griff nahm Wyatt Earp den Revolver des Verbrechers an sich.
Es war zuviel gewesen. Ein Schock hatte den anderen gejagt. Und noch saß ihm die strapaziöse Flucht in den Knochen.
Er sackte auf die Vorbaubretter, ohne jedoch ohnmächtig zu sein. Er sah den Gambler an. Der lehnte lässig an dem Pfeiler, den Revolver hatte er längst nicht mehr in der Hand.
»Also doch krank«, versetzte der Gambler kühl, stieß sich von dem Pfosten ab und schlenderte an dem Banditen vorbei auf den Long Branch Saloon zu.
*
Der entsprungene Mörder Jake Halbot war gefaßt. Er war dem Löwen in die Fänge geraten.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt.
Holliday war noch in der Nacht zurückgekommen. Sein erster Gang am Morgen galt dem Marshal. Als er ihn nicht im Office, wo er sich übrigens nur eine Zigarette gewickelt hatte, fand, hatte er ihn in seinem Quartier gesucht.
Wyatt war kaum eine halbe Stunde da.
Holliday begrüßte ihn – und ganz beiläufig berichtete er von dem sonderbaren Gefangenen, der drüben im Jail steckte.
Wyatt hatte nur unaufmerksam zugehört. Und schließlich: Ein Mann, der im Jail steckte, der saß erstmal gut und verlangte keine Eile.
Sie gingen zusammen zu Hoover, wo sich der Marshal seine Zigarren kaufte.
Als sie sich zur Tür wandten, blickte Holliday durch die Scheibe auf die Straße und meinte: »He, da kommt ja der schwitzende Vollbart. Bat hat ihn wohl freigelassen. Komischer Kerl. Der Satan soll mich schlucken, wenn ich diesen Burschen nicht schon irgendwo gesehen habe.«
Inzwischen war Wyatt Earp neben den Gambler getreten und sah ebenfalls durch die Scheibe. Er zog jäh die Brauen zusammen und riß Holliday, der bereits die Tür geöffnet hatte, zurück.
»Heavens! Das ist doch nicht möglich!« zischte er.
Holliday schaltete sofort. »Kennen Sie ihn etwa auch?«
»Und ob – wenn ich mich nicht täusche!«
»Wer ist es?«
»Jake Halbot. Ein Mörder, den ich vor einem Jahr nach Sescattewa geschickt habe.«
»Halbot? Yeah – ich erinnere mich an die Story.«
Wyatt hatte eine Zigarre in der Hand. »Bleiben Sie hier, Doc. Vielleicht brauche ich Sie.«
Dann ging er hinaus.
So war Jake Halbot in die Falle gelaufen.
Einen einzigen Tag nur steckte der Doppelmörder, der allerdings jetzt eine völlig andere Behandlung von den Deputies erfuhr, im Dodger Jail, dann erfuhr er durch Richter Gordon, daß er nach Sescattewa zurückgebracht würde.
Diese Mitteilung löste Entsetzen in dem Gefangenen aus, gab ihm aber im nächsten Moment einen Hoffnungsschimmer.
Sie müssen mich hinbringen. Vielleicht finde ich eine Chance zur Flucht. Wen werden sie anfordern? Soldaten? Zwei Soldaten vielleicht? So wurde es oft gemacht. Halbot hatte ja gesehen, wie sie die Lebenslänglichen in Sescattewa einlieferten.
Er selbst war ja auch von zwei Blauröcken hingebracht worden.
Vielleicht gab der Marshal einen der Deputies zur Sicherheit mit. Möglich war es immerhin. Wenn es nicht gerade Bat Masterson war, wollte er sich schon damit abfinden.
*
Im Morgengrauen des nächstes Tages hörte der Verbrecher harte, sporenklirrende Schritte im Zellengang.
Als er aufblickte, sah er in das harte, kantige Gesicht des Marshals.
Wyatt Earp trug das gleiche Lederzeug, mit dem der Texaner ihn oben in den Bergen getroffen hatte. Außerdem hatte er Sporen an den Stiefeln.
»Stehen Sie auf, Halbot. Es geht los!«
Der Gefangene erhob sich von seiner Pritsche und kam an die von Wyatt geöffnete Gittertür.
»Was –?«
»Kommen Sie!«
Wyatt führte ihn ins Office.
Masterson stand neben der Tür und reichte dem Marshal die eisernen Handschellen.
Der Missourier winkte ab.
Und das war typisch für ihn.
Masterson verzog den Mund, aber er sagte nichts. Schließlich kannte er seinen Boß.
Wyatt ging mit Halbot hinaus.
Draußen standen die gesattelten Pferde der beiden.
In dem Moment, als sie auf die Straße traten, war ein Mann vom Vorbau heruntergesprungen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf Doc Holliday, der drüben an einem Vorbaupfeiler des Long Branch Saloons lehnte.
Dieser Mann war der Revolverschwinger Lewt Farhey, der von Garden City herübergekommen war. Er hatte die Absicht gehabt, gleich hier an Ort und Stelle auf Doc Holliday zu warten. Und kaum war er hier, sah er ihn.
Er hatte einen Revolver in der Hand.
»Holliday!« brüllte er.
Der Gambler sah kalt zu ihm hinüber.
Wyatt Earp warf einen kurzen Blick zu Masterson hinauf, der auf dem Vorbau stand und bedeutete ihm, Halbot im Auge zu behalten. Dann ging er auf Farhey zu.
Der bemerkte den Marshal erst, als der ihm auf die Schulter tippte.
Entgeistert starrte er ihn an.
Wyatt nahm ihm mit einem schnellen Griff den Colt aus der Hand und warf ihn seinem Bruder Morgan zu. Dann packte er Farhey am Arm und rief Bat Masterson zu: »Die üblichen drei Tage!«
Der Chef-Deputy nickte grinsend, stieg langsam die Vorbaustufen hinunter und nahm den neuen Arrestanten in Empfang. »Komm, Brother, es ist gerade eine hübsche Mittelzelle leer geworden.«
Halbot war dieser Szene mit brennenden Augen gefolgt.
Mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt hatte der Dodger Marshal diese Sache erledigt. In jedem Sekundenbruchteil hätte Farhey mit dem Revolver herumwirbeln können, als der Marshal auf ihn zukam.
Den schien das gar nicht gestört zu haben. Er war an den Revolverschwinger herangetreten und hatte ihm ganz ruhig die Waffe aus der Hand genommen.
Damned! Was hätte man mit einem Revolver, den man schon in der erhobenen Faust hatte, nicht alles anstellen können.
Was hätten zwei solche Männer wie Wyatt Earp und Doc Holliday, wären sie in der Lage Farheys und Halbots gewesen, mit dem einen Revolver nicht alles angestellt!
Diese Gedanken zogen durch den Schädel des Sträflings, als Wyatt ihn anstieß.
»Aufsteigen!«
Halbot setzte sich mit steifen Bewegungen in Gang, zog sich in den Sattel und sah starr geradeaus.
Der Ritt war nicht weit, kaum hundert Yards. Da hielt Wyatt an.
»Absteigen!« befahl er trocken.
Halbot starrte ihn erschrocken an. »Was denn, ist der Ritt schon zu Ende?«
»Vorerst ja.«
Gegenüber lag das flachgestreckte