Wyatt Earp Staffel 4 – Western. William Mark D.
Dielen des Fußbodens.
Langsam ging Wyatt hinaus.
Der Bursche folgte ihm.
Als sie im Flur standen, hörten sie einen dumpfen Fall.
Wyatt stieß sofort die Tür auf.
Mitten im Raum lag der Farmer.
Wyatt rannte sofort auf ihn zu, blickte in sein Gesicht, horchte an seiner Brust und riß ihm dann mit fliegenden Fingern das Hemd auf.
Mit entsetzten Augen war der Bursche dem Tun des Marshals gefolgt.
»Was ist...?« stammelte er tonlos.
Wyatt richtete sich langsam auf. »Dein Vater ist tot«, sagte er dumpf.
Jim starrte auf den Körper des Mannes am Boden, so, als habe er nicht begriffen.
Drüben im Stuhl war die Frau wieder zu sich gekommen. Sie wandte den Kopf, sah den Vater am Boden liegen, und wieder brach das irre Lachen aus ihr heraus.
»Da liegt er – da liegt er – wie Jack. Auch Jack liegt da...«
*
Wyatt ging hinaus.
O’Brian kam ihm entgegen. »Ich habe alles gehört. Es ist furchtbar.«
Wyatt blickte düster über den Farmhof.
Er machte sich jetzt Vorwürfe, daß er auf den kranken, alten Mann nicht genug Rücksicht genommen hatte.
O’Brian, der den Missourier inzwischen besser kennengelernt hatte, ahnte dessen Gedanken. »Machen Sie sich doch keine Gedanken, Wyatt. Sie haben nicht die mindeste Schuld an der Sache. Der Mann war schwerkrank. Und daß er an der Tür gelauscht hat, war doch nicht Ihre Schuld.«
Als Wyatt nach einer Weile wieder ins Haus ging, sah er durch die offenstehende Tür den Burschen immer noch vor dem Toten stehen.
Die Frau drüben spielte mit ihren Fingern, lachte leise und blickte aus dem Fenster.
»Wir kommen heute abend wieder, Jim«, sagte Wyatt halblaut. »Wir helfen dir dann.«
Der Bursche löste sich aus seiner Erstarrung und blickte den Marshal an. »Was soll ich jetzt tun?« fragte er.
Mit einem Toten und einer Geistesgestörten stand er nun da auf der väterlichen Farm.
Wyatt legte die Hand auf seine Schulter. »Hör zu, Jim. Mein Freund bleibt gleich hier, und ich komme heute abend zurück. Ich muß hinunter in die Stadt zum Mayor und ins Sheriffs Office.«
Der Bursche warf ihm einen dankbaren Blick zu.
Wyatt ging hinaus. »Sam, der Junge steht im Augenblick völlig allein da, er ist hilflos und...«
»Verstehe. Werde bei ihm bleiben. Wann kommen Sie zurück?«
»Gegen Abend.«
Wyatt reichte ihm die Hand und ritt davon.
Der Mayor war ein kleiner, energischer Mann, wie ihn eine aufblühende Stadt in diesem dünnbesiedelten Land brauchen konnte.
Er empfing den Marshal zuvorkommend und führte ihn in sein Office. »Wir haben schon auf Sie gewartet, Mister Earp. Ich habe für heute abend eine Versammlung in die City Hall einberufen. Anschließend werden Sie mir die Ehre geben, mit mir und meiner Frau zu Abend zu essen.«
Wyatt kannte diesen kühlen Typ. Leider brauchte der Westen Männer dieses Schlages nur zu notwendig.
Der Mayor sprach dann von dem aus Arizona stammenden Jack Oliver Norton. Er berichtete von jenem Tag:
»Das war damals eine vertrackte Sache. Drüben in der Spielhölle – die ich auch bald ausräuchern werde, saß der Revolvermann. Er hatte schon mehrere Leute verletzt und dachte nicht daran, die Stadt zu verlassen. Der Sheriff legte mir den Stern hin, als ich ihn aufforderte, den Mann zu stellen.
In dieser Situation kam Norton in die Stadt. Er war gerade draußen auf Vaughams Farm gewesen, wo am Abend zuvor das Mädchen niedergeschossen war. Ohne etwas zu sagen, ging er hinüber in den Saloon. Was dann geschah, weiß ich nur von dem Salooner. Norton ging an den Tisch des Schießers und forderte ihn auf, hinauszukommen.
Dann standen sie da. Mitten auf der Straße. Wir alle hatten den Coltman schon schießen sehen, und niemand hätte auch nur einen roten Cent auf Norton gesetzt. Der Schießer fiel. Norton war schneller gewesen. Ich gab ihm den Stern. Er steckte ihn an seine Jacke, nahm sein Gewehr, ging noch einmal ins Office, wo er als neuer Sheriff dem Deputy O’Connor ein paar Anweisungen erteilte, und ritt davon. Sie müssen wissen, daß der hiesige Sheriff das ganze County unter sich hat, womit also die Sache da oben bei der Vaugham Farm tatsächlich in seinen Kreis gehört.
Aber trotzdem, das war für einen vernünftigen Menschen keine Handlungsweise. Wie konnte ein klardenkender Mann wie ein Wilder losstürmen, um...«
Wyatt erhob sich. »Es tut mir leid, Mayor, aber ich glaube, es wird Zeit für mich.«
Der Bürgermeister blickte ihn verdutzt an. »Sie sind nicht meiner Meinung, Mister Earp?«
»Nein, Mayor. Für mich hat Jack Norton richtig gehandelt. Er mußte dem Mann, der die Frau niedergeschossen hatte, sofort folgen. Und er hat es so schnell wie möglich getan. Er hat sogar ein Duell dafür in Kauf genommen...«
Ein paar Minuten später stand der Marshal in O’Connors Sheriffs Office.
Der Deputy begrüßte den Marshal freundlich. Überhaupt war er ein aufgeschlossener und entgegenkommender Mensch.
Als er die Geschichte hörte, blickte er trübe vor sich hin. »Wissen Sie, Mister Earp, ich wollte immer gern einmal Sheriff werden. Aber nun habe ich keine Freude mehr an dem Job. Ich werde dem Mayor meinen kleinen Stern zurückgeben, soll er sich dafür und für den großen neue Männer suchen.«
»Aber, Junge, so dürfen Sie doch nicht reden. Sie sind noch jung und...«
»Der Mayor ist ein skrupelloser Mensch. Er hätte Jack den Stern auch vor dem Duell geben können. Er denkt nur an sich und an seinen Posten. An die Stadt, die Stadt und noch mal an die Stadt. Aber diese Stadt ist er, sein Amt, sein hoher Posten.«
Wyatt lachte. »So schlimm wird es nicht sein, Cecil.«
»Es ist noch schlimmer. Der Mayor ist ein Egoist und ein Tyrann. Jeden, der hier eine Amtsstelle hat, kommandiert er.«
»Well, dann sehen Sie zu, daß Sie den großen Stern kriegen. Und wenn Sie ihn haben, machen Sie ihm die Pflichten, aber auch die Rechte eines County Sheriffs klar. Er wird dann erfahren, daß er einen Sheriff nicht absetzen kann. Daß er einen Sheriff nicht bevormunden und herumkommandieren kann. Setzen Sie sich gegen ihn durch. Sie sind dann kein Deputy mehr, sondern oberster Polizeiboß in der Stadt. Und da Sie allem Anschein nach Norton gern hatten, haben Sie eine Chance, etwas für seine Ehrenrettung zu tun. Der alte Vaugham und vielleicht auch der Mayor haben das Bild des Sheriffs verwischt, sie haben sich alle Mühe gegeben, es etwas getrübt erscheinen zu lassen. Er sei ein Feigling und deshalb nicht zurückgekommen. Das Gegenteil ist der Fall. Norton hat hier einen Gunfight gegen einen Berufsschießer ausgetragen. Dann hat er sich ohne Rast in den Sattel gesetzt, um dem Mann zu folgen, der eine wehrlose Frau zum Krüppel und zur unheilbar Geisteskranken geschossen hat. Offenbar hat er den Banditen gestellt – und ist dabei selbst ums Leben gekommen. Nehmen Sie den Stern, Cecil – und ich verspreche Ihnen, daß ich den Mörder Jack Nortons finden und jagen werde!«
Da nahm der Deputy die Hand des ihn fast um Haupteslänge überragenden Marshals. »Yeah, Sie haben recht. Ich will mich nicht vor Wyatt Earp schämen müssen...«
Auch O’Connor wußte keine Einzelheit des Überfalls auf Mabel Vaugham.
Der gründliche und zähe Missourier suchte noch in zwei Saloons etwas über die Geschichte in Erfahrung zu bringen, mußte aber überall hören, daß niemand etwas Näheres wußte.
Gegen Abend kehrte er auf die Farm zurück.
O’Brian