Wyatt Earp Staffel 4 – Western. William Mark D.
In der Stadt Dry Fork, in Utah, machte er halt.
Heute noch ist im Canadian-Hotel sein Name in dem alten Gästebuch zu lesen.
Drei Tage blieb der Missourier in der Stadt. Und er vertat sie nicht müßig.
Er zog über den Telegraphen Erkundigungen nach Städten in Arizona ein, die den Namen Sunset trugen.
Es gab keine Stadt, die diesen Namen trug.
Am nächsten Morgen ritt der Missourier weiter.
Schon wehten die weichen Märzwinde hier über die Plains und trugen ihm die warme Luft des Südens entgegen.
Hinter der Grenze Arizonas kam er in die große Navajo Reservation.
Schon in den Clay Hills hatte er gehört, daß vor kurzem im Südwesten ein Indianeraufstand stattgefunden habe. Die Navajos hatten gegen die Agenten revoltiert, die sie mit minderwertigen Waren belieferten, die ihnen nur einen Teil der von der Regierung vorgeschriebenen Tuchmengen gaben, die die Messer anderwärts verschacherten, die für die Rot-häute bestimmt waren, und die alles getan hatten, die Geduld der Indianer zu vernichten.
Wyatt scherte sich nicht an den alarmierenden Nachrichten.
Vielleicht hatte es in Wirklichkeit nie einen anderen Mann im amerikanischen Westen gegeben, der mit so eiserner Energie und geradezu starrer Verbissenheit seinen Trail verfolgte.
Einen Trail, der eigentlich gar keiner war.
Wohin ritt er denn? Hatte er ein Ziel? Wo lag Sunset? Hieß der Ort überhaupt so?
Die Behörden hatten ihm doch in der Auskunft klar erklärt, daß es in Arizona keine Stadt mit der Bezeichnung Sunset gebe.
Trotzdem ritt der einsame Mann weiter.
Und eines Vormittags, als er aus einer Bodenwelle hügelan ritt und auf eine Baumgruppe zuhielt, schossen plötzlich drüben am Hügelkamm sechs Reiter aus der Erde.
Indianer!
Der Missourier hielt an und sah zu den Indsmen hinüber.
Er hatte keine Furcht, der Mann aus Missouri. Zudem hatte er schon oft aus seinen Ritten Begegnungen mit Indianern gehabt. Er verstand wie kaum ein anderer, mit ihnen umzugehen, vertraute auf seine guten Erfahrungen mit Rothäuten.
Einer der Indsmen – ein kurzgeratener, breitschultriger Bursche ohne Hut – trug eine gefleckte Feder im Haarschopf.
Er war der Anführer.
Wyatt ritt ein paar Schritte näher und blickte diesen Mann scharf an.
Wyatt schwieg – wie die Indianer schwiegen.
Er wußte, daß die Roten es verachteten und haßten, wenn ein Bleichgesicht zuerst sprach.
Die Navajos sahen ihn starr wie Holzfiguren an.
Nur in den Augen des untersetzten Chiefs blitzte es jetzt auf. »Wer bist du?« fragte er rauh.
Der Marshal ließ ein paar Sekunden verstreichen, um damit seine Gelassenheit und Selbstsicherheit kundzutun und antwortete schließlich: »Mein Name ist Wyatt Earp.«
Aus sechs Indianerkehlen kam ein ärgerlicher Ruf.
Der rote Chief hob die Hand. »Weshalb glaubst du, uns anlügen zu dürfen?«
Wyatt wartete eine Zeit ab, dann versetzte er stolz: »Ich lüge nicht.«
Nun zog er eine schwarze Zigarre aus der Tasche, zündete sie an und blies den Rauch genießerisch in kleinen Wölkchen vor sich her.
Der rote Chief zog die wulstige Stirn in tiefe Falten. »Wenn du Wyatt Earp wärest, hättest du einen Stern.«
»Den habe ich in der Tasche.«
»Weshalb?«
»Weshalb muß ich ihn tragen? Ich bin Marshal in einer Stadt, die weit von hier wegliegt.«
»Wyatt Earp ist in Dodge City«, versetzte der Anführer in ziemlich glattem Englisch, »und du bist ein Lügner.«
»Es hat mich noch kein Mann ungestraft einen Lügner genannt.«
Da flog der Schatten eines Lächelns über das dunkle Gesicht des Indianers.
»Was wolltest du tun? Wir sind sechs Krieger, wir stampfen dich in die Erde!«
»Tut es, wenn ihr es könnt.« Kalt und völlig ruhig hatte es der Marshal gesagt.
Da flog der Arm des Häuptlings in die Höhe.
Die fünf Roten an seiner Seite stießen schrille Schreie aus und schlugen die Hacken ihrer weichen Flechtlederschuhe in die Weichen ihrer Schecken.
Doch wie angewurzelt hielten sie inne.
In jeder Faust des weißen Mannes lag urplötzlich ein Revolver.
Die Indianer hielten den Atem an.
Endlich öffnete sich der Mund ihres Anführers. »Der weiße Mann hat nicht gelogen. Ich glaube ihm.«
Wyatt ließ die Revolver zurück in die Halfter gleiten.
Da sagte der Rote: »Wir haben einen bösen Weg vor uns.« Und als der Marshal nichts darauf erwiderte, versetzte der Indianer: »Wir reiten nach Fort Cory. Die weißen Männer haben unsere Pferde gestohlen, unsere Zelte niedergebrannt und unsere Rinder gestohlen. Wir reiten zu dem weißen Häuptling – und wissen doch, daß es ein nutzloser Weg ist.«
Davon war der Missourier allerdings auch überzeugt. Es war ganz sicher ein nutzloser Weg, denn die Worte eines Indianers galten bei den Blauröcken in den Forts nicht viel. Zu lange und zu erbittert hatten die Soldaten gegen die Indianer gekämpft.
Jeder glaubte damals im Recht zu sein. Der Weiße hielt den Roten für einen Banditen, der in ganzen Scharen, in wilden Horden den mühsam erbauten Boden vernichten wollte, der die kleinen Ansiedlungen niederbrannte und den weißen Pionier, der sich dieses Land doch so mühsam erobert und erkämpft hatte, angriff und befehdete, wo er nur konnte. So lange, bis er selbst fast aufgerieben worden war; die überlegenen Waffen der Weißen und ihre Zahl, die immer größer wurde, erdrückten die Indianer.
Die Roten ihrerseits verteidigten ihr Land, ihre Heimat. Nichts weiter. Und sie taten es so, wie sie es ihren Lebensgewohnheiten und Möglichkeiten entsprechend tun konnten. Sie hielten diesen Kampf nicht nur für ihr heiliges Recht, sondern sogar für ihre Pflicht.
Dann, als die Indianer niedergerungen waren, pferchte man die Reste der einzelnen Stämme in oft geradezu lächerliche kleine Reservate, zwang sie, darin zu bleiben, sie, die Nomaden, die das Leben auf dem Pferderücken gewohnt waren, die von der Jagd gelebt hatten, die mit den wilden Tieren gekämpft hatten – sie hockten nun in den kleinen Landfetzen und vegetierten dahin.
Jetzt sagte der Häuptling: »Du bist Wyatt Earp. Wir haben viel von dir gehört. Und deine Augen sind gut. Wir wissen, daß du unseren Brüdern oben in den Bergen Colorados geholfen hast und unten im Land der Teufelfurche unter den Mimbrenjos und Mescaleros Freunde hast. Kannst du nicht auch uns helfen?«
Wyatt hatte Mühe, seine Freude über die offenen Worte des Navajo-Chiefs zu verbergen. »Wie kann ich euch helfen?«
»Reite mit uns zu dem weißen Häuptling in Fort Cory. Er wird auf deine Worte mehr Wert legen als auf meine.«
»Ich habe nicht erlebt, was bei euch geschehen ist...«
»Komm!« sagte der Rote nur, wandte sich um und ritt nach Südwesten davon.
Wyatt setzte den Falben in Bewegung und folgte dem Häuptling.
An dem leichten Geräusch der eisenlosen Hufe hörte er, daß ihm die anderen in Schlangenlinie nach Indianerart folgten.
Es ging anderhalb Stunden über sandigen Hügelland südwestwärts.
Dann führte der Häuptling den kleinen Trupp auf eine Anhöhe zu, von deren Kamm aus der Missourier