Dr. Daniel Staffel 6 – Arztroman. Marie Francoise
muß ich mich allein quälen.« Er warf Dr. Daniel einen kurzen Blick zu. »Ich nehme an, Ihre Frau schickt Sie.«
»Ganz so würde ich das nicht bezeichnen«, entgegnete Dr. Daniel wider Willen schmunzelnd. »Ich mußte Manon beinahe zwingen, sich helfen zu lassen.«
Dr. Scheibler lächelte ebenfalls, ohne sich aber in seiner Arbeit unterbrechen zu lassen. »In ein paar Minuten bin ich fertig.«
»Ich gehe in der Zwischenzeit zur Intensivstation und sehe nach Fräulein Neubert«, erklärte Dr. Daniel. »Ich komme dann wieder her. Sie müssen mir das Ergebnis der Blutuntersuchung also nicht noch hinterhertragen.«
»Danke, Robert, aber ich glaube, das hätte ich heute sowieso nicht tun können.«
Dr. Daniel winkte ab. »Ich kenne Sie.«
Dr. Scheibler nickte bedeutungsvoll. »Das scheint mir auch so.«
»Also, bis gleich«, meinte Dr. Daniel, dann verließ er das Labor und ging raschen Schrittes zur Intensivstation hinüber.
Eva-Maria war wach, und ein Blick auf den Monitor zeigte Dr. Daniel, daß ihre Werte zu gut waren, um einen weiteren Aufenthalt auf dieser Station zu rechtfertigen.
»Du hast dich ja wirklich schnell erholt«, stellte er erfreut fest.
»Finden Sie?« entgegnete Eva-Maria zweifelnd. »Ich fühle mich miserabel, und die Schmerzen im Bauch kommen auch schon wieder.«
»Das kann ich mir vorstellen«, meinte Dr. Daniel. »Du hast schließlich eine lange und sehr schwierige Operation hinter dir. Wenn man sich das alles vor Augen hält, dann hast du dich tatsächlich sehr schnell erholt.« Er lächelte. »Das bedeutet allerdings nicht, daß du jetzt gleich wieder nach Hause gehen kannst. Ein Weilchen wirst du schon noch hierbleiben müssen, aber heute nachmittag kannst du immerhin auf die normale Station verlegt werden. Das ist für dich dann ein bißchen angenehmer.« Während er gesprochen hatte, hatte er eine Spritze vorbereitet, die er wiederum direkt in die Infusionskanüle injizierte. »Die Schmerzen werden gleich besser werden, Eva-Maria.« Er kontrollierte das Thermometer, doch das junge Mädchen hatte kein Fieber mehr, woraufhin Dr. Daniel den Temperaturfühler gleich entfernte.
»Was war das?« wollte Eva-Maria wissen. »Es hat die ganze Zeit so schrecklich gedrückt, aber die Schwester sagte, es müsse dort bleiben, wo es ist.«
»Das war nur eine Art Fieber-thermometer«, antwortete Dr. Daniel. »Aber es ist jetzt nicht mehr nötig, deine Temperatur rund um die Uhr zu kontrollieren.«
In diesem Moment trat Schwester Bianca herein.
»Gut, daß Sie kommen«, meinte Dr. Daniel. »Fräulein Neubert kann auf die normale Station verlegt werden. Temperaturfühler ist bereits draußen, Katheder und Infusion müssen noch ein paar Tage bleiben. Kontrollieren Sie bitte dreimal täglich Temperatur, Blutdruck und Puls. Sollte irgend etwas nicht normal sein, benachrichtigen Sie mich bitte auf der Stelle.«
»In Ordnung, Herr Doktor«, stimmte Bianca zu.
Dr. Daniel wandte sich noch einmal an Eva-Maria. »Heute abend komme ich wieder zu dir, und soviel ich weiß, werden dich deine Eltern heute nachmittag besuchen.«
Eva-Maria preßte die Lippen zusammen, dann schüttelte sie den Kopf.
»Ich…, ich möchte nicht…« wehrte sie leise ab. »Wenn sie mir Vorwürfe machen…«
Aufmerksam sah Dr. Daniel sie an. »Haben sie denn einen bestimmten Grund dazu?«
Eva-Maria zuckte die Schultern. »Ich hatte eine Fehlgeburt und liege im Krankenhaus…, das sind vermutlich Gründe genug, um mir Vorwürfe zu machen.«
»Nicht unbedingt«, entgegnete Dr. Daniel. »Allerdings…, wenn du heute noch keinen Besuch empfangen möchtest, dann kann ich deine Eltern davon benachrichtigen.«
Eva-Maria nickte. »Ja, bitte, Herr Doktor. Ich…, ich möchte nicht, daß sie mich so sehen…, mit all diesen Schläuchen…« Doch ihr Erröten bewies, daß das nur die halbe Wahrheit war.
»In Ordnung, Eva-Maria«, stimmte Dr. Daniel nachdenklich zu, zögerte einen Moment und fuhr dann fort: »Ich nehme an, daß ich heute abend noch ein paar Fragen an dich haben werde, und ich hoffe, daß du mir dann die ganze Wahrheit anvertrauen wirst.«
Wieder errötete das junge Mädchen, blieb die Antwort aber schuldig.
»Eine ziemlich harte Nuß«, urteilte Dr. Parker, als er Dr. Daniel auf dem Flur vor der Intensivstation begegnete.
Der Arzt seufzte. »Ich weiß nicht, Jeff, Eva-Maria war immer ein sehr liebes, nettes Mädchen. Ihr momentanes Verhalten paßt irgendwie gar nicht zu ihr – ebenso wie die Tatsache, daß sie sich die Spirale nicht entfernen ließ, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr.« Er runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie überhaupt zu einer solchen Ansicht?«
»Ich kam zufällig dazu, als Fräulein Neubert Schwester Bianca förmlich bekniete, ihr den Temperaturfühler zu entfernen«, erzählte Dr. Parker. »Ich weiß natürlich, daß der Druck, den er verursacht, recht unangenehm ist, aber zu diesem Zeitpunkt konnten wir ihrem Wunsch einfach noch nicht entsprechen. Um sie von den ganzen Unannehmlichkeiten ein wenig abzulenken, habe ich versucht, mit ihr zu sprechen, doch sie zeigte sich dabei äußerst verstockt und gab mir – wenn überhaupt – nur sehr knappe, fast schon unfreundliche Antworten.«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Auch das ist untypisch für sie, aber ich hoffe doch sehr, daß ich herausbekommen werde, was sie so verändert hat.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Meine Güte, schon so spät! Ich muß ja schnellstens ins Labor hinüber.«
Er verabschiedete sich hastig von dem jungen Anästhesisten und eilte zu Dr. Scheibler, der inzwischen mit der Auswertung von Brigitte Kleins Blutprobe fertig war.
»Ich dachte schon, Sie hätten vergessen, noch einmal herzukommen«, empfing ihn der Oberarzt nicht ganz ernst.
»Ich stehe zwar wieder mal im Streß«, entgegnete Dr. Daniel. »Aber im ganzen funktioniert mein Gedächtnis noch recht gut.«
»Daran habe ich auch nicht gezweifelt«, verwahrte sich Dr. Scheibler, dann reichte er Dr. Daniel das Blatt, auf dem die Ergebnisse verzeichnet waren, faßte seine Erkenntnisse aber gleich kurz zusammen. »Die Blutsenkung ist beschleunigt und der Eisenwert zu niedrig. Der Eisenmangel ist aber nicht so gravierend, daß er für die Ohnmachtsanfälle der Patientin die Ursache sein sollte.«
Dr. Daniel lächelte. »Woraufhin Sie natürlich den HCG-Wert überprüft haben.«
Dr. Scheibler nickte. »Richtig, und ich würde sagen, die Patientin ist schwanger.« Bei dieser Nachricht blieb er ungewöhnlich ernst, doch mit dem Grund dafür hielt er nicht lange hinter dem Berg. »Allerdings – und das ist nun die schlechte Nachricht – leidet Fräulein Klein an Diabetes. Möglicherweise ist es ihr bekannt, aber ich vermute eigentlich eher Gestationsdiabetes, so daß sich dieser Zustand nach der Schwangerschaft wahrscheinlich wieder verflüchtigen wird.«
»Was die augenblickliche Gefahr für das Kind aber leider nicht vermindert«, meinte Dr. Daniel stirnrunzelnd und nahm nun auch das zweite Blatt Papier entgegen, das Dr. Scheibler ihm reichte. »»Ich werde sofort mit Manon und Fräulein Klein sprechen. Wenn wir die Zuckerkrankheit in den Griff bekommen, kann sie ja dennoch eine normale Schwangerschaft und Geburt haben.« Er reichte dem Oberarzt die Hand. »Danke, Gerrit, daß Sie das gleich für mich erledigt haben.«
»Ist doch selbstverständlich.« Er schwieg kurz. »Grüßen Sie Fräulein Klein von mir, und sagen Sie ihr, ich würde ihr auf jeden Fall alles Gute wünschen.«
*
Als Dr. Daniel die Praxis wieder erreichte, war das Wartezimmer leer.
»Manon?« rief er fragend.
»Ich bin hier!« erklang ihre helle Stimme aus dem kleinen Raum, der normalerweise für Blutabnahmen gebraucht wurde.
Als Dr. Daniel eintrat, sah Manon ihm erwartungsvoll entgegen. Brigitte Klein, die noch