Dr. Daniel Staffel 6 – Arztroman. Marie Francoise
Geburtstermin. »Ich will ehrlich sein, Frau Kemmerer – das könnte knapp werden. Mein Vater wird noch ungefähr zwei Wochen verreist sein. Wenn Ihr Baby also mit etwas Verspätung eintreffen sollte, könnte es klappen.« Impulsiv legte er eine Hand auf Janas Arm. »Aber selbst wenn er nicht dabeisein kann… Sie sind hier in der Klinik in den besten Händen.«
Aufmerksam sah Jana ihn an. »Sie sind Ihrem Vater wirklich sehr ähnlich.«
»Das höre ich gern«, meinte Stefan lächelnd, dann stand er auf. »Ich schicke Ihnen Schwester Bianca herein. Bevor ich Sie untersuche, möchte ich die Ergebnisse von Blutbild und Urinuntersuchung haben. In ein paar Minuten bin ich wieder zu-rück.«
Stefan war kaum draußen, da betrat die Stationsschwester der Gynäkologie, Bianca Behrens, den Untersuchungsraum.
»So, Frau Kemmerer, jetzt muß ich Sie ein bißchen in den Finger pieksen«, erklärte sie.
Jana verzog das Gesicht. »Das mag ich aber gar nicht gern.«
Bianca lächelte und griff nach Janas Hand. »Ich weiß schon, daß das ein bißchen unangenehm ist, aber es geht ja ganz schnell.«
Bianca war so geschickt, daß Jana den Stich in den Finger kaum spürte.
»Wenn Sie bitte Ihre Schuhe ausziehen würden«, bat Bianca, als sie fertig war. »Ich muß Sie noch wiegen.«
»Hoffentlich haben Sie eine Waage, die mein Gewicht tragen kann«, scherzte Jana.
»Ach, ich denke, das kriegen wir schon hin«, entgegnete Bianca grinsend. Sie notierte gewissenhaft das angezeigte Gewicht.
»So, jetzt noch eine Urinprobe, dann sind Sie von mir erlöst«, meinte sie. »Der junge Dr. Daniel wird wieder zu Ihnen kommen, sobald ich mit der Auswertung fertig bin.«
Das dauerte auch wirklich nicht lange.
»Blutbild und Urinprobe sind in Ordnung«, erklärte Stefan, als er die Tür des Untersuchungszimmers hinter sich geschlossen hatte. »Nur das Gewicht könnte ein bißchen problematisch werden.« Er blätterte noch einmal im Mutterpaß. »Mein Vater hat beim letzten Ultraschall ja schon festgestellt, daß Sie ein ziemlich großes Baby erwarten.« Er sah Jana an. »Hat er Ihnen da nicht zum Kaiserschnitt geraten?«
»Doch«, gab Jana errötend zu. »Aber Horst und ich wünschen uns so sehr eine natürliche Geburt.« Sie zögerte. »Wissen Sie, eigentlich wollte ich sogar zu Hause entbinden, aber Ihr Vater hat mich schließlich zur Klinikgeburt überredet – eben weil das Baby ziemlich groß ist. Aber ich möchte unter keinen Umständen mit Kaiserschnitt entbinden.«
Stefan nickte, dann sah er sie ernst an. »In die Klinik müssen Sie aber wirklich auf jeden Fall kommen. Wenn hier Komplikationen auftreten, können wir schnell handeln, aber wenn wir Sie von zu Hause erst in die Klinik schaffen müssen, könnte es zumindest für Ihr Baby rasch zu spät sein.«
Bei diesen Worten fiel Jana wieder auf, wie sehr sich Stefan und sein Vater glichen.
»Genau dasselbe hat Ihr Vater auch gesagt«, erklärte sie. »Und Sie können sicher sein, daß ich diesen Rat beherzigen werde. Wenn die Wehen einsetzen, dann lasse ich mich sofort hierherbringen.«
»Gut«, meinte Stefan. »Machen Sie sich jetzt bitte frei, damit ich Sie untersuchen kann. Auch auf Ultraschall würde ich mir das Baby gern mal anschauen.«
Jana strahlte. »Das ist fein! Obwohl ich selbst meistens nicht viel erkennen kann, finde ich diese Ultraschallaufnahmen immer wahnsinnig aufregend.«
Stefan nickte lächelnd. »Das kann ich gut verstehen, Frau Kemmerer. Sie freuen sich schon sehr auf Ihr Baby, nicht wahr?«
»Und wie!« bekräftigte Jana, dann versuchte sie, auf den gynäkologischen Stuhl zu klettern, doch Stefan mußte ihr dabei behilflich sein.
»Allmählich ist dieser Bauch wirklich überall im Weg«, meinte Jana, doch ihr glückliches Gesicht bewies, daß ihr das eigentlich gar nicht so unangenehm war. Sie war stolz darauf, daß man ihr die Schwangerschaft so deutlich ansehen konnte.
Stefan streifte sich Plastikhandschuhe über, dann trat er zu Jana. »Schön entspannen, Frau Kemmerer.« Sehr vorsichtig, aber dennoch gründlich nahm Stefan die Untersuchung vor. Mittlerweile hatte er schon ein bißchen Erfahrung damit. Seit sein Vater nach Sardinien gefahren war, hatte er bereits des öfteren gynäkologische Untersuchungen durchführen müssen, denn auch Alena Reintaler war hier in der Klinik nicht immer verfügbar gewesen.
»Ich glaube, Sie werden einmal ein ähnlich guter und rücksichtsvoller Arzt wie Ihr Vater«, meinte Jana.
»Ein solches Kompliment höre ich natürlich gern«, entgegnete Stefan, dann trat er zurück. »Soweit ist alles in Ordnung.« Er schaltete den Monitor ein, dann griff er nach einer Tube. »Nicht erschrecken, jetzt wird’s ein bißchen kalt auf Ihrem Bauch.«
»Das kenne ich schon«, erklärte Jana, während Stefan das spezielle Gel, das für die Ultraschallaufnahme nötig war, auf ihrem Bauch verteilte. Dann ließ er den Schallkopf darübergleiten.
»Hier sehen Sie das Herz sehr schön«, erläuterte Stefan, und Jana nickte begeistert.
»Ich finde es immer wieder faszinierend, wie man damit so einfach in den Bauch hineinschauen kann«, erklärte sie und schaute gebannt auf den Bildschirm, um von den hellen und dunklen Schatten möglichst viel zu erkennen.
Stefan nahm nun die Abmessungen vor, und dabei stiegen seine Bedenken noch.
»Ich will ganz ehrlich sein, Frau Kemmerer, ich wäre sehr viel beruhigter, wenn Sie sich doch zu einem Kaiserschnitt entschließen könnten«, betonte er. »Das Baby wiegt bestimmt acht Pfund – wenn nicht sogar noch mehr. Wenn es Ihr zweites oder drittes Kind wäre, hätte ich etwas weniger Bedenken, aber so… Sie sind Erstgebärende, und da können bei einem sehr großen Kind wirklich Komplikationen auftreten.«
»Sie sind so besorgt um mich«, erwiderte Jana und wurde ein bißchen verlegen. »Da habe ich direkt ein schlech-
tes Gewissen, wenn ich einen Kaiserschnitt ablehnte.« Sie schwieg einen Moment. »Wissen Sie, Herr Doktor, ich habe mich die ganze Zeit über auf eine natürliche Geburt eingestellt, und ich freue mich schon so…, dieses Erlebnis möchte ich unter gar keinen Umständen verschlafen.«
»Wenn der Kaiserschnitt geplant ist, muß er nicht zwangsläufig unter Vollnarkose durchgeführt werden«, wandte Stefan ein. »Wir könnten eine Periduralanästhesie machen. Dabei würden Sie in den Rückenmarkskanal eine Spritze bekommen, die das Schmerzempfinden ausschalten würde. Auf diese Weise könnten Sie den Kaiserschnitt wach miterleben und Ihr Baby unmittelbar danach in die Arme nehmen.«
Jana nickte. »Darüber habe ich schon gelesen, aber…, ich glaube, das würde ich nicht verkraften. Wenn ich mir vorstel-
le, daß ich mitbekommen würde, wie Sie mir da den Bauch aufschneiden…« Unwillkürlich schüttelte sie sich. »Nein, Herr Doktor, das wäre nichts für mich. Ich möchte mein Baby auf ganz normalem Wege zur Welt bringen.«
»Also schön«, seufzte Stefan. »Aber ich sage es Ihnen gleich, Frau Kemmerer, es wird eine sehr schwere Geburt werden.«
*
Chiara Sandrini hatte Angst vor der ersten Begegnung mit Dr. Daniel, obwohl Monsignore Antonelli ihr versichert hatte, daß der deutsche Doktor keine Untersuchung vornehmen würde, sondern sich nur mit ihr unterhalten wollte.
Völlig verschüchtert stand sie nun schräg hinter dem Monsignore und wagte kaum, den Arzt anzusehen. Sehr behutsam legte Monsignore Antonelli einen Arm um Chiaras Schultern und schob sie ein wenig nach vorn.
»Herr Doktor, das ist Chiara Sandrini«, stellte er sie dann vor.
Mit einem herzlichen Lächeln ergriff Dr. Daniel die schmale Hand der jungen Frau und suchte ihren Blick, doch Chiara hielt den Kopf weiterhin gesenkt.
»Buon giorno, Signora San-drini«, grüßte er.
Langsam hob Chiara den