Wie ich Livingstone fand. Henry M. Stanley

Wie ich Livingstone fand - Henry M.  Stanley


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winden sich enge Täler, in denen Matama und Mais angebaut wird. Hinter dem Dorf fließt der Ungerengeri-Fluss, welcher in der Masikazeit ein ungestümer Gebirgsstrom und imstande ist, seine steilen Ufer zu überfluten, in der trockenen Jahreszeit dagegen in seinem gewöhnlichen Zustand verharrt und als kleiner, sehr klares, süßes Wasser enthaltender Bach erscheint. Von Kisemo läuft er erst südwestlich, dann östlich, und er bildet den Hauptzufluss des Kingani.

      Während des Nachmittags kehrten Uledi und Feradschi, die dem weggelaufenen Khamisi nachgeschickt worden waren, mit ihm und allen fehlenden Gegenständen zurück. Dem Khamisi waren bald, nachdem er den Weg verlassen und sich in das Dickicht gestürzt hatte, wo er sich im Geiste über seine Beute freute, einige plündernde Waschensi begegnet, die Nachzüglern fast immer auflauern; sie hatten ihn ohne Umschweife in den Wald in ihr Dorf geschleppt und an einen Baum gebunden, um ihn zu töten. Khamisi hatte, wie er uns sagte, sie gefragt, warum sie ihn anbänden, worauf sie ihm antworteten, sie stünden im Begriff, ihn zu töten, weil er ein Mgwana sei, und diese pflegten sie sofort nach der Gefangennahme zu töten. Diesen Debatten über Khamisis Schicksal machten jedoch Uledi und Feradschi, welche bald darauf gut bewaffnet an den Ort kamen, ein Ende, indem sie ihn als einen aus dem Lager des Musungu weggelaufenen Pagazi sowie alle Gegenstände, die er zur Zeit seiner Gefangennahme bei sich hatte, für sich in Anspruch nahmen. Die Räuber machten ihnen auch das Recht auf den Pagazi, die Ziege, das Zelt und alle anderen Wertsachen, die bei jenem gefunden worden, gar nicht streitig, sondern meinten nur, sie verdienten eine Belohnung dafür, dass sie ihn gefangen genommen. Da dies Verlangen als gerechtfertigt anerkannt wurde, wurde ihnen eine Belohnung von zwei Doti und einem Fundo oder zehn Schnüren Perlen gewährt.

      Es war unmöglich, Khamisi seine Desertion und den Raubversuch zu verzeihen, ohne dass er erst bestraft worden wäre. In Bagamoyo hatte er, ehe er in meinen Dienst genommen wurde, einen Vorschuss von 5 Dollars an Geld verlangt und erhalten; und die Last von Bubuperlen, die er zu tragen gehabt, war nicht schwerer als jede andere Pagazilast; es gab also gar keine Entschuldigung für seine Desertion. Um jedoch bei seiner Bestrafung keine Unklugheit zu begehen, ließ ich acht Pagazis und vier Soldaten als Richter zusammentreten und bat sie, darüber zu entscheiden, was zu geschehen habe. Ihr einmütiger Urteilsspruch lautete, dass er eines unter den wanyamwezischen Pagazis sonst unbekannten Verbrechens schuldig sei, und da dasselbe geeignet sei, den Letzteren einen schlechten Ruf zu schaffen, so verurteilten sie ihn dazu, mit des »großen Herrn« Eselspeitsche geprügelt zu werden. Darauf ließ ich ihn binden, und in Erwägung, dass infolge seiner Handlungsweise die Pagazis an ihrem guten Ruf, die Soldaten an der Wertschätzung ihres Herrn als ausreichende Wachen Schaden gelitten hatten und Shaw von mir dafür getadelt worden war, dass er nicht besser nach den Nachzüglern gesehen, erteilte ich den Befehl, dass jeder Pagazi und Soldat sowie Shaw ihn mit je einem Hieb bestrafen sollten. Dies wurde auch unter des armen Khamisi lautem Wehklagen ausgeführt.

      Ehe die Nacht anbrach, kam eine kleine Karawane von Wangwana an, die mir einen langen Brief von dem liebenswürdigen amerikanischen Konsul in Sansibar sowie eine Reihe neuer Zeitungsnummern des »New York Herald«, die bis zum 4. Februar reichten, brachte.

      Am 14. passierten wir den Ungerengeri, welcher hier in südlicher Richtung bis an die südliche Grenze des Tales fließt, wo er sich bis Kisemo hin nach Osten wendet. Nachdem wir hier über den Fluss gesetzt waren, der zu allen Zeiten passierbar und nur 18 Meter breit ist, hatten wir das Tal, welches einen sehr feuchten Boden und üppigen Graswuchs hat, noch eine Meile lang zu durchziehen. Dann erhob es sich und führte durch einen Wald von Mparamusi, Tamarinden, Tamarisken, Akazien und blühenden Mimosen. So stiegen wir zwei Stunden lang aufwärts und befanden uns dann auf dem Rücken des größten Bergkammes, von wo wir freie Aussichten über die unten liegende bewaldete Ebene und die fernen Höhenzüge von Kisemo, die wir vor Kurzem verlassen hatten, genossen. Nachdem wir ein paar Hundert Fuß hinabgestiegen waren, kamen wir in ein tiefes, aber trockenes Mtoni mit sandigem Bett, auf dessen anderer Seite wir wieder die gleiche Höhe zu ersteigen hatten, wo sich ein ähnliches Land unseren Blicken eröffnete, bis wir eine neu errichtete Boma mit wohlgebauten Grashütten nahe an einer Wasserpfütze fanden, die wir sofort als Halteplatz für die Nacht in Beschlag nahmen. Der Karren machte uns bedeutende Mühe; selbst unser stärkster Esel, der mit Bequemlichkeit 196 Pfund auf dem Rücken tragen konnte, vermochte ihn mit einer nur aus 225 Pfund bestehenden Belastung nicht fortzuziehen.

      Am 16. erreichten wir nach kurzem Marsch Ulagalla. Dies ist der Name eines Bezirks oder eines Teils eines Bezirks, der zwischen den Bergen von Uruguru, die ihn südlich begrenzen, und denen von Udoe liegt, welche nördlich und parallel mit jenen und nur zehn Meilen davon entfernt verlaufen. Der Hauptteil des so gebildeten Beckens heißt Ulagalla.

      Muhalleh ist die nächste Ansiedlung, und hier befanden wir uns auf dem Gebiet der Waseguhha. In Muhalleh befand sich die vierte Karawane unter Maganga mit drei neuen Kranken, welche sich bei meiner Annäherung mit gierigen Blicken zu mir, dem Medizinspender, wandten. Kleingewehrsalven begrüßten mich, und ein Geschenk von Reis- und Maisähren zum Rösten wartete nur darauf, dass ich es annähme. Aber es wäre mir lieber gewesen, dass Maganga und seine Leute acht oder zehn Märsche weiter vorwärts wären, was ich ihm auch sagte. In diesem Lager kamen wir auch mit Salim bin Raschid zusammen, welcher eine mit 300 Elfenbeinzähnen beladene Karawane nach Osten führte. Außer der in einem Geschenk von Reis bestehenden Bewillkommnung dieses guten Arabers gab er mir noch Nachrichten von Livingstone. Er war dem alten Reisenden in Udschidschi begegnet, hatte zwei Wochen in einer Hütte neben ihm gewohnt und beschrieb ihn als sehr alt aussehend mit langem grauem Bart und Schnurrbart, eben von schwerer Krankheit genesen und noch sehr angegriffen aussehend. Livingstone hatte die Absicht, nach erfolgter völliger Genesung ein Land, das Manyema heißt, über Marungu zu besuchen.

      Dem Seitental des Ungerengeri folgend, brachte uns ein Marsch von zwei Stunden am nächsten Morgen dicht an der Hauptstadt von Useguhha, Simbamwenni, vorüber. Die erste Ansicht der ummauerten, am westlichen Fuß des Uruguru-Gebirges gelegenen Stadt mit ihrem schönen üppigen Tal, das von zwei Flüssen und mehreren durchsichtigen Bächen, die von den tau- und wolkenreichen Höhen herabrieseln, bewässert wird, war derartig, wie wir sie nicht im östlichen Afrika zu finden gedacht hatten. In Mazanderan in Persien würde eine solche Landschaft unseren Erwartungen entsprochen haben, aber hier war sie ganz unerwartet. Die Stadt kann eine Bevölkerung von etwa 3000 Menschen zählen, da sie ungefähr 1000 Häuser hat; bei der großen Dichtigkeit der Einwohner könnte sogar die Zahl 5000 der Wahrheit noch näher kommen. Die Häuser in der Stadt sind charakteristisch afrikanisch, aber nach dem besten Stil gebaut. Die Befestigungen sind nach arabisch-persischem Muster angelegt und vereinigen arabische Zierlichkeit mit persischer Planmäßigkeit. Bei einem 950 Meilen langen Ritt in Persien habe ich keine Stadt, außer den ganz großen, besser als Simbamwenni befestigt gesehen. In Persien bestanden die Befestigungswerke, sogar die von Kasvin, Teheran, Ispahan und Schiras aus Lehm; die von Simbamwenni sind aus Stein, der von zwei Reihen Schießscharten für Musketen durchlöchert ist. Der Flächeninhalt der Stadt beträgt ungefähr eine halbe Quadratmeile und bildet ein Viereck. Jede Ecke wird von wohlgebauten Steintürmen geschützt; vier Tore, von denen je eins einer Himmelsrichtung entspricht und sich in der Mitte zwischen zwei Türmen befindet, vermitteln die Kommunikation mit der Umgegend. Diese Tore werden von festen quadratischen Türen verschlossen, welche aus afrikanischem Teakholz bestehen und mit Schnitzwerk nach unendlich feinen komplizierten arabischen Mustern geschmückt sind, woraus ich schließe, dass sie entweder in Sansibar oder an der Küste gefertigt und Brett für Brett nach Simbamwenni gebracht worden sind. Da jedoch viel Verkehr zwischen Bagamoyo und Simbamwenni stattfindet, so ist es auch möglich, dass Eingeborene die Verfertiger dieser künstlichen Arbeiten sind, zumal ich an den größten Häusern mehrere ähnlich, obgleich nicht ganz so mühevoll geschnitzte und ziselierte Türen erblickte. Der Palast des Sultans ist nach dem Stil der an der Küste befindlichen gebaut, hat ein langes, sanft absteigendes, stark vorspringendes Dach und eine Veranda an der Front.

      Die Sultanin ist die älteste Tochter des berühmten Kisabengo, eines in den Nachbarländern Udoe, Ukami, Ukwere, Kingaru, Ukwenni und Kiranga-Wanna wegen seiner Liebhaberei für den Menschenraub berüchtigten Mannes. Kisabengo, von niedriger Abkunft, zeichnete er sich auch durch seine persönliche Körperkraft aus, seine Redebegabung, seine kurzweilige und gewandte Sprache, durch die er sich einen großen Einfluss auf flüchtige Sklaven zu verschaffen wusste


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