Wie ich Livingstone fand. Henry M. Stanley

Wie ich Livingstone fand - Henry M.  Stanley


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und mein Herz schien mir rascher zu schlagen, als es sich für das ernste Gesicht eines Führers passte, aber ich konnte es nicht zurückhalten, der Enthusiasmus der Jugend haftete mir noch an trotz meiner Reisen.

      Und vor mir glänzte die Sonne der Verheißung auf ihrem Wege gen Westen. Um mich war alles lieblich; ich sah fruchtbare Felder, eine lachende Vegetation, merkwürdige Bäume; ich hörte das Zirpen der Heimchen, das Geschrei des Kiebitzes und das Summen vieler Insekten, welche mir alle zu sagen schienen: Endlich bist du auf dem Wege! Was konnte ich anderes tun, als das Gesicht gegen den wolkenlosen Himmel zu erheben und zu rufen: »Gott sei Dank!«

      Das erste Lager, Schamba Gonera, ungefähr 3¼ englische Meilen entfernt, erreichten wir in 1 Stunde 30 Minuten. Diese erste oder »kleine« Reise lief verhältnismäßig sehr gut ab. Der Knabe Selim warf nicht mehr als dreimal den Wagen um. Der Soldat Zaidi ließ seinen Esel, der einen von meinen Kleiderkoffern und einen Munitionskasten trug, in einen Pfuhl schmutzigen Wassers fallen. Die Kleider mussten wieder gewaschen werden; der Munitionskasten war, dank meiner Vorsicht, wasserdicht.

      Die folgenden drei Tage wurden dazu verwendet, die Vorbereitungen für die lange Landreise ganz zu vollenden und unsere Vorsichtsmaßregeln gegen die Masika, die jetzt bedenklich nahe war, zu treffen, sowie unsere Rechnungen zu bezahlen. Die Soldaten und Pagazis benutzten noch die Zwischenzeit, um ihre Freundinnen zu besuchen.

      »Sofari – sofari leo! – Pakia, pakia!« (Eine Reise – eine Reise heute! – Macht euch auf den Weg – macht euch auf den Weg!) ertönte am Morgen des vierten Tages, der in allem Ernst für die Abreise bestimmt war, die muntere Stimme des Kirangozi, welche ihren Widerhall fand in der meines arabischen Knaben Selim, des Tambourmajors, Dieners und Faktotums. Als ich meine Leute zu ihrer Arbeit antrieb und kräftig mithalf, die Zelte abzubrechen, beschloss ich in meinem Geiste, dass, wenn meine vorangeeilten Karawanen mir reinen Weg gemacht hätten, ehe drei Monate vergangen wären, Unyanyembé unser Ruheort sein solle. Um 6 Uhr morgens war unser zeitiges Frühstück abgemacht, und die Esel und Pagazis zogen vom Lager Gonera ab. Selbst in dieser frühen Stunde hatte sich auf dem Lande eine ganze Menge neugieriger Eingeborener versammelt, denen wir das Abschieds-»Quahary« herzlich zuriefen. Mein kastanienbraunes Pferd erwies sich mir als unschätzbar für den Dienst des Quartiermeisters eines Transportzuges; denn mit einem solchen musste ich mich vergleichen. Ich konnte zurückbleiben, bis der letzte Esel das Lager verlassen hatte, um nach einem Galopp von wenigen Minuten mich wieder an die Front zu begeben und Shaw den Nachtrab zu überlassen.

      Der Weg war ein bloßer Fußpfad und führte über einen Boden, der, obgleich sandig, von merkwürdiger Fruchtbarkeit war und Korn und andere Pflanzen, die in ganz ungeschickter Weise gesät und gepflanzt worden, hundertfältig hervorbrachte.

      In etwa einer halben Stunde hatten wir das hohe Matama und die Felder von Wassermelonen, Gurken und Maniok hinter uns gelassen und befanden uns, nachdem wir ein Binsenmoor überschritten hatten, in einem offenen Wald von Ebenholz- und Kalabassenbäumen.

      Alsbald erreichten wir den trüben Kingani, der wegen seiner Flusspferde berühmt ist, und gingen durch das Schilfmoor längs seines rechten Ufers, bis uns durch einen engen Graben, der einen unmessbar tiefen schwarzen Schlamm enthielt, geradezu Halt geboten wurde. Die Schwierigkeit, die uns dieser darbot, war sehr groß, obgleich er kaum 8 Fuß breit war. Man konnte nämlich die Esel und vor allen Dingen die Pferde nicht dazu bringen, die beiden Stangen zu überschreiten, wie es unsere zweibeinigen Lastträger taten. Auch konnte man sie nicht in den Graben treiben, weil sie dort rasch untergegangen wären. Die einzige Möglichkeit, ihn mit Sicherheit zu überschreiten, war durch eine Brücke, welche in diesem konservativen Land Generationen lang als das Werk der Wasungu bestehen würde. So begaben wir uns denn an die Arbeit, da wir es nicht vermeiden konnten, und bauten mit den amerikanischen Äxten, welche unzweifelhaft die ersten waren, deren Streiche in diesem Teile der Welt gehört wurden, eine Brücke. Man kann sich darauf verlassen, dass sie rasch gemacht wurde, denn wo der zivilisierte Weiße sich einfindet, muss jede Schwierigkeit weichen. Die Brücke bestand aus sechs starken Bäumen, die über den Graben geworfen wurden. Kreuzweise über diese wurden fünfzehn Packsättel gelegt, welche wiederum mit einer dicken Grasschicht bedeckt wurden. Alle Tiere gingen sicher hinüber, und sodann begann zum dritten Mal an diesem Morgen das Weiterwaten.

      Der Kingani fließt hier nach Norden, und unser Weg lag an dem rechten Ufer entlang. Nachdem wir eine halbe Meile in der Richtung durch ein Dickicht von ungeheuren Binsen und üppigen Schlingpflanzen gegangen waren, kamen wir an eine Fähre, wo die Tiere wieder einmal abgeladen werden mussten.

      Kingwere, der Nachenruderer, der uns von seinem Dickicht-Versteck auf der anderen Seite erblickte, beantwortete höflich unsere Hallos und brachte seinen großen ausgehöhlten Baum geschickt über die Wirbel des Stromes an den Ort, wo wir auf ihn warteten. Während ein Teil unserer Gesellschaft den Nachen mit unseren Gütern belud, machten andere ein langes Seil zurecht, welches den Tieren um den Hals befestigt wurde, um sie durch den Fluss aufs andere Ufer hinüberzuziehen.

      Die Karawane war mittlerweile mit ihren Ballen, Gepäckstücken, Eseln und Leuten glücklich hinübergegangen. Ich hatte daran gedacht, am Ufer zu kampieren, um mich mit der Antilopenjagd zu amüsieren, mir das Fleisch derselben zu verschaffen und dadurch meine Ziegen zu schonen, von denen ich eine Anzahl lebendig mit mir führte; aber dank dem Schrecken und der Furcht, welche meine Leute vor den Flusspferden empfanden, musste ich bis an die Vorposten der Belutschgarnison von Bagamoyo, die sich in einem kleinen, vier Meilen vom Fluss entfernt liegenden Dorf namens Kikoko befand, weitereilen.

      Das westliche Ufer des Flusses war bedeutend besser als das östliche. Die Ebene erhob sich eine Meile lang allmählich, wie der Strand eines Badeortes, bis sie in einem sanften, abgerundeten Bergrücken gipfelte, und bot nicht die Schwierigkeiten dar, welche uns auf der anderen Seite belästigt hatten. Dort gab es keine jener ungeheuren Schmutzmassen und schwarzen Kotlachen mit den überhohen Gräsern. Es fehlten die miasmenreichen Dschungel mit ihren schädlichen Ausdünstungen. Die Landschaft war gerade so, wie man sie vor einem englischen Herrenhaus findet, eine schöne, ausgedehnte, mit Rasen belegte Ebene, auf der genug Gebüsch vorhanden ist, um eine angenehme Abwechslung hineinzubringen. Die Straße führte, nachdem sie über eine offene Fläche gegangen, durch einen Hain junger Ebenholzbäume, wo Perlhühner und ein Hartebeest sichtbar wurden; dann wandte sie sich mit den charakteristischen großen Krümmungen eines Ziegenpfades eine Reihe von Landwellen hinauf und hinab, umsäumt von dem dunkelgrünen Laub des Mango- und den spärlicheren und heller gefärbten Blättern des großen Kalabassenbaumes.

      Wir kamen in Kikoka um fünf Uhr nachmittags an, nachdem wir unsere Packtiere viermal auf- und abgeladen, eine tiefe Pfütze, eine Schlammquelle und einen Fluss passiert und 11 Meilen zurückgelegt hatten.

      Die Ansiedlung von Kikoka besteht aus einer Anzahl Strohhütten, die nach keinem architektonischen Stil, sondern in einer Mischform gebaut sind, die von trägen Ansiedlern aus der Mrima und Sansibar erfunden wurde, um soviel Sonnenschein wie möglich von dem durch vorspringende Dächer beschatteten Äußeren und dem Innern des Hauses abzuhalten. Eine Quelle und einige Brunnen versehen sie mit Wasser, das, obgleich süß, nicht besonders gesund oder appetitlich ist, da große Mengen verwester Stoffe durch den Regen hineingewaschen werden, dort liegen bleiben und sich dann weiter zersetzen. Man hat einen schwachen Versuch gemacht, die Gegend zu lichten, um Platz für den Ackerbau zu gewinnen, aber anstatt sich der schwierigen Aufgabe des Abholzens der Dschungel zu unterziehen, benutzen die Ansiedler lieber offene Waldplätze, von denen sie nur das Gras beseitigen, sodass sie bloß den Boden 2–3 Zoll tief aufzuhacken brauchen, um den Samen hineinzuwerfen, und mit Bestimmtheit auf Ertrag rechnen können.

      Am nächsten Tag machten wir in Kikoka halt, da die vierte Karawane, welche bloß aus Wanyamwezi bestand, sich als ein großes Hindernis für ein schnelleres Fortkommen erwies. Maganga, ihr Führer, versuchte es auf verschiedene Weise, mir mehr Tuch und Geschenke abzupressen, obwohl er schon mehr als die drei anderen Führer zusammen gekostet hatte; aber seine Anstrengungen fruchteten weiter nichts, als dass ich ihm einen Lohn versprach, wenn er so rasch wie möglich nach Unyanyembé käme, damit ich ungehindert weiterkönne.

      Am 27. bald nach sieben Uhr morgens brachen wir unser Lager ab, nachdem die Wanyamwezi fort waren. Das Land hatte denselben Charakter wie das zwischen dem


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