Wie ich Livingstone fand. Henry M. Stanley
und sich 1–2 Zoll nach dem Mageneingang hinauf erstreckt hatte. Der Inhalt des Magens und der Gedärme war von dem gelben schleimigen Ausfluss des Geschwürs geradezu überschwemmt. So hatte ich meine beiden Pferde verloren, und zwar innerhalb des kurzen Zeitraums von fünfzehn Stunden.
Der 1., 2. und 3. April gingen vorüber, und wir hörten und sahen nichts von der stets zurückbleibenden vierten Karawane. Mittlerweile vermehrte sich die Zahl unserer Unfälle. Außer dem Verlust der kostbaren Zeit infolge der Verkehrtheit des Führers der anderen Karawane und dem Verlust meiner beiden Pferde, benutzte ein mit Bootgerätschaften beladener Pagazi die Gelegenheit und desertierte. Ferner wurde mein Dolmetscher Selim von einem heftigen Anfall von Wechselfieber befallen. Ihm folgte alsbald der Koch, dann der Hilfskoch und Schneider Abdul Kader, schließlich, ehe der dritte Tag vorbei war, hatte Bombay Rheumatismus, Uledi (der frühere Diener Grants) Halsentzündung, Zaidi den Fluss, Kingaru das Mukunguru, Khamisi, ein Pagazi, litt an Schwäche der Lenden, Fardschallah bekam ein Gallenfieber, und ehe die Nacht einbrach, hatte Makoviga Durchfall. So schien mein beabsichtigter Sturmlauf nach Unyanyembé und rasches Durchschreiten der furchtbaren Seegegend dazu bestimmt, ziemlich ähnlich wie der rasche Lauf auf Magdala zu endigen, den Dr. Austin, von der Londoner »Times«, dem Sir Robert Napier in Abessinien so dringend anriet. Von einer Truppe von fünfundzwanzig Mann war einer desertiert, zehn befanden sich auf der Krankenliste, und es wurde somit die Vorahnung, dass die übel aussehende Umgegend von Kingaru uns Unglück bringen werde, zur vollen Wahrheit.
Am 4. April erschienen Maganga und seine Leute, nachdem sie sich uns durch Musketenschüsse und Hornsignale, den in diesem Land gewöhnlichen Zeichen der Annäherung einer Karawane, angemeldet hatten. Seine Kranken waren bedeutend besser, aber sie brauchten noch einen Tag Ruhe in Kingaru. Nachmittags kam er, um Angriffe auf meine Freigebigkeit zu machen, indem er mir Einzelheiten über die herzlosen Betrügereien erzählte, welche Sur Hadschi Pallu gegen ihn verübt hätte; aber ich sagte ihm, ich könne, seit ich Bagamoyo verlassen, nicht mehr freigebig sein. Wir wären jetzt in einem Land, wo das Tuch viel mehr wert sei; auch hätte ich nicht mehr Zeug, als ich für meinen und meiner Leute Unterhalt brauchte, und er und seine Karawane hätten mich mehr Geld und Mühe gekostet als die drei übrigen – was auch der Fall war. Mit dieser Entgegnung musste er sich zufriedengeben, aber ich löste wieder seine Zweifel über die Geldangelegenheit, indem ich ihm versprach, dass er, wenn er rasch mit seiner Karawane nach Unyanyembé weiterzöge, keine Ursache haben solle, sich zu beklagen.
Am 5. April hatten wir die Genugtuung, die vierte Karawane vor uns her verschwinden zu sehen mit dem erwünschten Versprechen, dass wir sie diesseits von Simbamwenni gewiss nicht wieder erblicken sollten, wenn wir auch noch so rasch folgten.
Am folgenden Morgen schlug ich, um meine Leute aus ihrer krankhaften Stumpfheit aufzurütteln, einen ermunternden Alarm mit einem eisernen Kochlöffel auf einer Zinnpfanne, wodurch ich anzeigte, dass wir im Begriff standen, eine Sofari zu unternehmen. Nach der außerordentlichen Heiterkeit zu urteilen, mit der meinem Aufruf entsprochen wurde, hatte dies eine sehr gute Wirkung. Schon vor Sonnenaufgang waren wir in der Lage, aufbrechen zu können. Nach unserem Abzug stürzten die Dorfbewohner von Kingaru mit der Schnelligkeit von Habichten heraus, um sich Lumpen oder Abfälle, die wir zurückgelassen hatten, zu sammeln.
Der lange Marsch von 15 Meilen nach Imbiki bewies, dass unser verlängerter Aufenthalt in Kingaru meine Soldaten und Pagazis völlig demoralisiert hatte. Nur wenige von ihnen hatten Kraft genug, um Imbiki vor der Nacht zu erreichen. Die andern, welche bei den beladenen Eseln waren, erschienen erst am nächsten Morgen in einem bejammernswerten Zustand des Geistes und Körpers. Khamisi – der Pagazi mit den schwachen Lenden – war weggelaufen und hatte zwei Ziegen, das Zelt für die Waren und die ganze persönliche Habe von Uledi, welche aus seinem Besuchs-Dischdascheh, einem langen Hemd nach arabischem Schnitt, 10 Pfund Perlen und einigen feinen Zeugen bestand, mitgenommen. Uledi hatte ihm dies in einem Anfall von Großmut anvertraut, während er des Pagazis Last, nämlich 70 Pfund Bubuperlen, getragen hatte. Diese Veruntreuung durfte nicht unbeachtet bleiben, auch konnte man Khamisi nicht heimkehren lassen, ohne dass ein Versuch gemacht wurde, ihn zu fassen. Daher wurden Uledi und Feradschi ausgeschickt, um ihn zu verfolgen, während wir in Imbiki blieben, um den heruntergekommenen Soldaten und Tieren Zeit zur Erholung zu geben.
Am 8. setzten wir unsere Reise fort und kamen in Msuwa an. Dieser Marsch wird als der angreifendste von allen in der Erinnerung unserer Karawane lebendig bleiben, obwohl die Entfernung nur 10 Meilen betrug. Er führte fortwährend durch Dschungeldickicht, nur unterbrochen von drei dazwischen liegenden Waldwiesen von beschränkten Dimensionen, die uns drei Atempausen in der grässlichen Reisearbeit durch das Dickicht gewährten. Der Geruch, der den wilden Pflanzen desselben entströmte, war so durchdringend, so stechend scharf und das aus den verwesten Pflanzenstoffen entstehende Miasma so dicht, dass ich jeden Augenblick erwartete, ich und meine Leute würden in akuten Fieberanfällen hinstürzen. Glücklicherweise jedoch gesellte sich dieses Unglück nicht noch zu dem Übelstand, dass wir die häufig fallenden Pakete auf- und abzuladen hatten.
In Msuwa wurde haltgemacht, damit unsere Tiere sich erholen konnten. Der Häuptling des Dorfes, außer in der Farbe ein Weißer in jeglicher Beziehung, schickte mir und meinen Leuten das fetteste breitschwänzige Schaf seiner Herde und fünf Maß Matamakorn. Das Hammelfleisch war ausgezeichnet, unvergleichlich schön. Für sein rechtzeitiges, uns so notwendiges Geschenk gab ich ihm zwei Doti und amüsierte ihn damit, dass ich ihm den wundervollen Mechanismus des gezogenen Winchestergewehrs und meiner Hinterlader-Revolver auseinandersetzte.
Er und seine Leute waren intelligent genug, um die Nützlichkeit dieser Waffen in der Not zu begreifen, und deuteten mit ausdrucksvollen Pantomimen die mächtige Wirkung derselben gegen bloß mit Speer und Bogen bewaffnete Massen an, indem sie ihre Arme so ausstreckten, als ob sie eine Flinte hielten, und mit derselben einen großen Kreis umschrieben. »Wahrlich«, sagten sie, »die Wasungu sind viel klüger als die Waschensi. Was für Köpfe haben sie! Was für wunderbare Dinge machen sie! Man sehe nur ihre Zelte, ihre Gewehre, ihre Uhren, ihre Kleider und das kleine rollende Ding (den Karren) an, das mehr als fünf Menschen transportieren kann – que!«
Am 10. marschierte meine Karawane von Msuwa ab, nachdem sie sich von der furchtbaren Anstrengung des letzten Tages erholt hatte. Von den gastfreien Dorfbewohnern wurden wir, soweit ihre Verteidigungspfähle reichten, begleitet und dort mit einstimmigen »Quaharys« verabschiedet. Außerhalb des Dorfes versprach der Marsch weniger schwierig zu sein als zwischen Imbiki und Msuwa. Nachdem die Straße durch eine hübsche kleine Ebene gegangen war, welche ein trockener Graben oder Mtoni durchschnitt, führte sie an ein paar bebauten Feldern vorüber, wo uns die Ackerbauer wie bezaubert, nur durch starres Anglotzen begrüßten.
Bald darauf stießen wir auf ein Schauspiel, das in diesem Teil der Welt gewöhnlich ist, nämlich auf eine gefesselte Sklavenbande, die nach Osten zog. Die Sklaven sahen durchaus nicht niedergeschlagen aus, sondern schienen im Gegenteil von dem philosophischen Humor erfüllt, den der muntere Diener Martin Chuzzlewits an den Tag legt. Wäre es nicht um die Ketten gewesen, so hätte man nur mit Schwierigkeit den Herrn vom Sklaven unterscheiden können; die physiognomischen Züge waren dieselben. Das milde Wohlwollen, mit dem sie uns anblickten, war auf allen Gesichtern gleichmäßig zu sehen. Die Ketten waren schwer und hätten auch Elefanten fesseln können, aber da die Sklaven außer denselben nichts zu tragen hatten, konnte ihr Gewicht nicht unerträglich sein.
Auf diesem Marsch gab es wenig Dickicht, und obgleich die Pakete an einigen Stellen Unfälle erlitten, so waren diese doch nicht so bedeutend, dass wir dadurch erheblich aufgehalten worden wären. Um zehn Uhr vormittags kampierten wir mitten in einer Gegend, die eine imposante Aussicht auf grünen Rasen und Wald darbot, über die sich ein wolkenloser Himmel wölbte. Wir hatten unser Lager wieder in der Wildnis aufgeschlagen und, wie es bei Karawanen Sitte ist, zwei Schüsse abgefeuert, um den Waschensi, die Korn verkaufen wollten, anzuzeigen, dass wir zum Handel bereit seien.
Unser nächster Halteplatz war das nur 11 Meilen von Msuwa entfernte Kisemo, ein in einem volkreichen Bezirk gelegenes Dorf, das in seiner Umgebung nicht weniger als fünf andere Dörfer zählt, welche sämtlich mit Pfählen und Dornenverhauen befestigt sind und einen ebenso trotzigen Unabhängigkeitssinn an den Tag legen, als ob ihre kleinen Gebieter lauter Percy und Douglas wären. Jedes Dorf lag oben auf einem Bergkamm oder