Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff

Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte - Wilhelm  Hauff


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und einige schöne Ideen genugsam warmes Wasser gießt und den Leuten damit aufwartet? Zucker und Rum tut jeder nach Belieben dazu und man amüsiert sich dort trefflich.«>

      »Habe ich je so etwas gehört, so will ich Hans heißen«, versicherte der Jude, »und was kostet es, wenn man’s sehen darf?«>

      »Kosten? nichts kostet es, als daß man der Frau vom Haus die Hand küßt, und wenn ihre Töchter singen oder mimische Vorstellungen geben, hie und da ein ›wundervoll‹ oder ›göttlich‹ schlüpfen läßt.«>

      »Das ist ein wunderliches Volk geworden in den letzten achtzig Jahren. Zu Friedrichs des Großen Zeiten wußte man noch nichts von diesen Dingen. Doch des Spaßes wegen kann man hingehen; denn ich verspüre in dieser Sandwüste gewaltig Langeweile.«>

      Der Besuch war also auf den nächsten Tag festgesetzt; wir besprachen uns noch über die Rolle, die ich als Eleve von zwei-bis dreiundzwanzig Jahren, er als Hofmeister zu spielen hätte, und schieden.>

      Ich versprach mir treffliche Unterhaltung von dem morgenden Tage. Der Ewige Jude hatte so alte, unbehülfliche Manieren, wußte sich so gar nicht in die heutige Welt zu schicken, daß man ihn im Gewand eines Hofmeisters zum wenigsten für einen ausgemachten Pedanten halten mußte. Ich nahm mir vor, mir selbst so viel Eleganz, als dem Teufel nur immer möglich ist, anzulegen und den Alten dadurch recht in Verlegenheit zu bringen. Zerstreuung war ihm überdies höchst nötig, denn er hatte in der letzten Zeit auf seinen einsamen Wanderungen einen solchen Ansatz zur Frömmelei bekommen, daß er ein Pietist zu werden drohte.>

      Der Dichter, zu welchem mich der Ewige Jude führte, ein Mann in mittleren Jahren, nahm uns sehr artig auf. Der Jude hieß sich Doktor Mucker, und stellte in mir seinen Eleven, den jungen Baron von Stobelberg vor. Ich richtete meine äußere Aufmerksamkeit bald auf die schönen Kupferstiche an der Wand, auf die Titel der vielen Bücher, die umherstanden, um desto ungeteilter mein Ohr, und wenn es unbemerkt möglich war, auch mein Auge an der Unterhaltung teilnehmen zu lassen.>

      Der alte Mensch begann mit einem Lob über die Novelle vom Ewigen Juden; der Dichter aber, viel zu fein und gebildet, als daß er seinen Gast hätte auf diesem Lob stehenlassen, wandte das Gespräch auf die Sage vom Ewigen Juden überhaupt, und daß sie in ihm auf jene Weise aufgegangen sei. Der Ewige schnitt, zur Verwunderung des Dichters, grimmige Gesichter, als dieser unter anderm behauptete: es liege in der Sage vom Ewigen Juden eine tiefe Moral, denn der Verworfenste unter den Menschen sei offenbar immer der, welcher seinen Schmerz über getäuschte Hoffnung gerade an dem auslasse, der diese Hoffnungen erregt habe; besonders verworfen erscheine er, wenn zugleich der, welcher die Hoffnung erregte, noch unglücklicher erscheine, als der, welcher sich täuschte.>

      Es fehlte wenig, so hätte der Herr Doktor Mucker sein Inkognito abgelegt, und wäre dem wirklich genialen Dichter als Ewiger Jude zu Leib gegangen. Noch verwirrter wurde aber mein alter Hofmeister, als jener das Gespräch auf die neuere Literatur brachte. Hier ging ihm die Stimme völlig aus, und er sah die nächste beste Gelegenheit ab, sich zu empfehlen.>

      Der brave Mann lud uns ein, ihn noch oft zu besuchen, und kaum hatte er gehört, wir seien völlig fremd in Berlin, und wissen noch nicht, wie wir den Abend zubringen sollen, so bat er uns, ihn in ein Haus zu begleiten, wo alle Montag ausgesuchte Gesellschaft von Freunden der schönen Literatur bei Tee versammelt sei; wir sagten dankbar zu und schieden.>

      Zwölftes Kapitel>

      Satan besucht mit dem Ewigen Juden einen ästhetischen Tee>

       Inhaltsverzeichnis

      Ahasverus war den ganzen Tag über verstimmt; gerade das, daß er in seinem Innern dem Dichter recht geben mußte, genierte ihn so sehr. Er brummte einmal über das andere über die »naseweise Jugend« (obgleich der Dichter jener Novelle schon bei Jahren war), und den Verfall der Zeiten und Sitten. Trotz dem Respekt, den ich gegen ihn als meinen Hofmeister hätte haben sollen, sagte ich ihm tüchtig die Meinung, und brachte den alten Bären dadurch wenigstens so weit, daß er höflich gegen den Mann sein wollte, der so artig war, uns in den ästhetischen Tee zu führen.>

      Die siebente Stunde schlug; in einem modischen Frack, wohlparfümiert, in die feinste, zierlichst gefältelte Leinwand gekleidet, die Beinkleider von Paris, die durchbrochenen Seidenstrümpfe von Lyon, die Schuhe von Straßburg, die Lorgnette so fein und gefällig gearbeitet, wie sie nur immer aus der Fabrik der Herren Lood in Werenthead hervorgeht, so stellte ich mich den erstaunten Blicken des Juden dar; dieser war mit seiner modischen Toilette noch nicht halb fertig und hatte alles höchst sonderbar angezogen, wie er z. B. die elegante, hohe Krawatte, ein Berliner Meisterwerk, als Gurt um den Leib gebunden hatte, und fest darauf bestand, dies sei die neueste Tracht auf Morea.>

      Nachdem ich ihn mit vieler Mühe geputzt hatte, brachen wir auf. Im Wagen, den ich, um brillanter aufzutreten, für diesen Abend gemietet hatte, wiederholte ich alle Lehren über den gesellschaftlichen Anstand.>

      »Du darfst«, sagte ich ihm, »in einem ästhetischen Tee eher zerstreut und tief denkend als vorlaut erscheinen; du darfst nichts ganz unbedingt loben, sondern sehe immer so aus, als habest du sonst noch etwas in petto, das viel zu weise für ein sterbliches Ohr wäre. Das Beifallächeln hochweiser Befriedigung ist schwer, und kann erst nach langer Übung vor dem Spiegel völlig erlernt werden; man hat aber Surrogate dafür, mit welchen man etwas sehr loben und bitter tadeln kann, ohne es entfernt gelesen zu haben. Du hörst z. B. von einem Roman reden, der jetzt sehr viel Aufsehen machen soll; man setzt als ganz natürlich voraus, daß du ihn schon gelesen haben müssest, und fragt dich um dein Urteil. Willst du dich nun lächerlich machen und antworten, ich habe ihn nicht gelesen? Nein! du antwortest frisch drauf zu: ›Er gefällt mir im ganzen nicht übel, obgleich er meinen Forderungen an Romane noch nicht entspricht; er hat manches Tiefe und Originelle, die Entwickelung ist artig erfunden, doch scheint mir hie und da in der Form etwas gefehlt und einige der Charaktere verzeichnet zu sein.‹>

      Sprichst du so, und hast du Mund und Stirne in kritische Falten gelegt, so wird dir niemand tiefes und gewandtes Urteil absprechen.«>

      »Dein Gewäsch behalte der Teufel«, entgegnete der Alte mürrisch; »meinst du, ich werde wegen dieser Menschlein, oder gar um dir Spaß zu machen, ästhetische Gesichter schneiden? Da betrügst du dich sehr, Satan, Tee will ich meinetwegen saufen, soviel du willst, aber –«>

      »Da sieht man es wieder«, wandte ich ein, »wer wird denn in einer honetten Gesellschaft ›saufen‹? wieviel fehlt dir noch, um heutzutage als gebildet zu erscheinen! nippen, schlürfen, höchstens trinken – aber da hält schon der Wagen bei dem Dichter, nimm dich zusammen, daß wir nicht Spott erleben, Ahasvere!«>

      Der Dichter setzte sich zu uns, und der Wagen rollte weiter. Ich sah es dem Alten wohl an, daß ihm, je näher wir dem Ziele unserer Fahrt kamen, desto bänger zumut war. Obgleich er schon seit achtzehn Jahrhunderten über die Erde wandelte, so konnte er sich doch so wenig in die Menschen und ihre Verhältnisse finden, daß er alle Augenblicke anstieß. So fragte er z. B. den Dichter unterwegs, ob die Versammlung, in welche wir fahren, aus> lauter> Christen bestehe, zu welcher Frage jener natürlich große Augen machte, und nicht recht wissen mochte, wie sie hieher komme.>

      Mit wenigen, aber treffenden Zügen entwarf uns der Dichter den Zirkel, der uns aufnehmen sollte. Die milde und sinnige Frömmigkeit, die in dem zarten Charakter der gnädigen Frau vorwalten sollte; der feierliche Ernst, die stille Größe des ältern Fräuleins, die, wenngleich Protestantin, doch ganz das Air jener wehmütig heiligen Klosterfrauen habe, die, nachdem sie mit gebrochenen Herzen der Welt Ade gesagt, jetzt ihr ganzes Leben hindurch an einem großartigen, interessanten Schmerz zehren. Das jüngere Fräulein, frisch, rund, blühend, heiter, naiv, sei verliebt in einen Gardelieutenant, der aber, weil er der ältern nicht sinnig genug sei, nicht zu dem ästhetischen Tee komme. Sie habe die schönsten Stellen in Goethe, Schiller, Tieck usw., welche ihr die Mutter zuvor angestrichen, auswendig gelernt und gäbe sie hie und da mit allerliebster Präzision preis. Sie singt, was nicht anders zu erwarten ist, auf Verlangen italienische Arietten mit künstlichen


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