Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff

Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte - Wilhelm  Hauff


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nun die Turnplätze eigentlich die Tierparks und Salzlecken des demagogischen Wildes, Sie aber, wie wir in Erfahrung gebracht haben, einer der eminentesten Turner sind: so haben Sie sich durch Ihre Saltus mortales und Ihre übrigen Künste als einen kleinen Jahn, einen offenbaren Demagogen gezeigt. Habe ich nicht recht, Herr Doktor Bruttler? sage ich nicht die Wahrheit, Herr Doktor Schräg?«>

      »Vollkommen, Euer Magnifizenz!« versicherten diese und schnupften.>

      »Demagogen«, fuhr er fort, »Demagogen schleichen sich ohne bestimmten äußern Zweck ins Land, und suchen da Feuer einzulegen; sie sind unstete Leute, denen man ihre Verdächtigkeit gleich ansieht; der Herr Studiosus von Barbe ist ohne bestimmten Zweck hier, denn er läuft in allen Kollegien und Wissenschaften umher, ohne sie für immer zu frequentieren oder gar> nachzuschreiben>; was folgt? Er hat sich der Demagogie sehr verdächtig gemacht; ich füge gleich den vierten Grund bei: man hat bemerkt, daß Demagogen, vielleicht von geheimen Bünden ausgerüstet, viel Geld zeigen und die Leute an sich locken; wer hat sich in diesem Punkt der Anklage würdiger gemacht, als Delinquent? Habe ich nicht recht, meine Herren?«>

      »Sehr scharfsinnig, vollkommen!« antworteten die Aufgerufenen unisono und ließen die Dose herumgehen.>

      Mit Majestät richtete sich Magnificus auf: »Wir glauben hinlänglich bewiesen zu haben, daß Sie, Herr Studiosus Friedrich von Barbe, in dem Verdacht geheimer Umtriebe stecken; wir sind aber weit entfernt, ohne den Beklagten anzuhören, ein Urteil zu fällen, darum verteidigen Sie sich. – Aber mein Gott! wie die Zeit herumgeht, da läutet es schon zu Mittag; ich denke, der Herr kann seine Verteidigung im Karzer schriftlich abfassen; somit wäre die Sitzung aufgehoben; wünsche gesegnete Mahlzeit, meine Herren.«>

      So schloß sich mein merkwürdiges Verhör. Im Karzer entwarf ich eine Verteidigung, die den Herren einleuchten mochte. Wahrscheinlicher aber ist mir, daß sie sich scheuten, einen jungen Mann, der so viel Geld ausgab, aus ihrer guten Stadt zu verbannen. Sie gaben mir daher den Bescheid, daß man mich aus besonderer Rücksicht diesmal noch mit dem Concilium verschonen wolle, und setzten mich wieder auf freien Fuß.>

      Als Demagog eingekerkert zu sein, als Märtyrer der guten Sache gelitten zu haben, zog einen neuen Nimbus um meinen Scheitel, und im Triumph wurde ich aus dem Karzer nach Haus begleitet; aber die Freude sollte nicht lange dauern. Ich hatte jetzt so ziemlich meinen Zweck, der mich in jene Stadt geführt hatte, erreicht, und gedachte weiterzugehen. Ich hatte mir aber vorgenommen, vorher noch den Titel eines Doktors der Philosophie auf gerechtem Wege zu erringen. Ich schrieb daher eine gelehrte Dissertation, und zwar über ein Thema, das mir am nächsten lag, de rebus diabolicis, ließ sie drucken und verteidigte sie öffentlich; wie ich meine Gegner und Opponenten tüchtig zusammengehauen, erzähle ich nicht aus Bescheidenheit; einen Auszug aus meiner Dissertation habe ich übrigens dem geneigten Leser beigelegt.>

      Post exantlata oder nachdem ich den Doktorhut errungen hatte, gab ich einen Ungeheuern Schmaus, wobei manche Seele auf ewig mein wurde. Solange noch die guten Jungen meinen Champagner und Burgunder mit schwerer Zunge prüften, ließ ich meine Rappen vorführen, und sagte der lieben Musenstadt Valet. Die Rechnung des Doktorschmauses aber überbrachte der Wirt am Morgen den erstaunten Gästen, und manches Pochen des ungestümen Gläubigers, das sie aus den süßen Morgenträumen weckte, mancher bedeutende Abzug am Wechsel erinnerte sie auch in spätem Zeiten an den berühmten Doktorschmaus und an ihren guten Freund, den Satan.>

      II

      Unterhaltungen des Satan und des Ewigen Juden in Berlin>

       Inhaltsverzeichnis

      Die heutigen dummen Gesichter sind nur

       das bœuf a la mode der früheren dummen

       Gesichter.

       Welt und Zeit

      Eilftes Kapitel>

      Wen der Teufel im Tiergarten traf>

       Inhaltsverzeichnis

      Ich saß, es mögen bald drei Jahre sein, an einem schönen Sommerabend im Tiergarten zu Berlin, nicht weit vom Weberischen Zelt; ich betrachtete mir die bunte Welt um mich her und hatte großes Wohlgefallen an ihr; war es doch schon wieder ganz anders geworden als zu der frommen Zeit Anno dreizehn und fünfzehn, wo alles so ehrbar, und, wie sie es nannten, altdeutsch zuging, daß es mich nicht wenig ennuyierte. Besonders über die schönen Berlinerinnen konnte ich mich damals recht ärgern; sonst ging es sonntags nachmittags mit Saus und Braus nach Charlottenburg oder mit Jubel und Lachen die Linden entlang nach dem Tiergarten heraus; aber damals –? Jetzt aber ging es auch wieder hoch her. Das Alte war dem Neuen gewichen, Lust und Leben wie früher zog durch die grünen Bäume, und der Teufel galt wieder was, wie vor Zeiten, und war ein geschätzter, angesehener Mann.>

      Ich konnte mich nicht enthalten, einen Gang durch die buntgemischte Gesellschaft zu machen. Die glänzenden Militärs von allen Chargen mit ihren ebenso verschieden chargierten Schönen, die zierlichen Elegants und Elegantinnen, die Mütter, die ihre geputzten Töchter zu Markt brachten, die wohlgenährten Räte mit einem guten Griff der Kassengelder in der Tasche, und Grafen, Baronen, Bürger, Studenten und Handwerksbursche, anständige und unanständige Gesellschaft – sie alle um mich her, sie alle auf dem vernünftigsten Wege,> mein> zu werden! In fröhlicher Stimmung ging ich weiter und weiter, ich wurde immer zufriedener und heiterer.>

      Da sah ich, mitten unter dem wogenden Gewühl der Menge ein paar Männer an einem kleinen Tischchen sitzen, welche gar nicht recht zu meiner fröhlichen Gesellschaft taugen wollten. Den einen konnte ich nur vom Rücken sehen, es war ein kleiner beweglicher Mann, schien viel an seinen Nachbar hin zu sprechen, gestikulierte oft mit den Armen, und nahm nach jedem größeren Satz, den er gesprochen, ein erkleckliches Schlückchen dunkelroten Franzweins zu sich.>

      Der andere mochte schon weit vorgerückt in Jahren sein, er war ärmlich aber sauber gekleidet, beugte den Kopf auf die eine Hand, während die andere mit einem langen Wanderstab wunderliche Figuren in den Sand beschrieb, er hörte mit trübem Lächeln dem Sprechenden zu und schien ihm wenig, oder ganz kurz zu antworten.>

      Beide Figuren hatten etwas mir so Bekanntes, und doch konnte ich mich im Augenblick nicht entsinnen, wer sie wären. Der kleine Lebhafte sprang endlich auf, drückte dem Alten die Hand, lief mit kurzen schnellen Schritten, heiser vor sich hinlachend, hinweg, und verlor sich bald ins Gedränge. Der Alte schaute ihm wehmütig nach und legte dann die tiefgefurchte Stirne wieder in die Hand.>

      Ich besann mich auf alle meine Bekannten, keiner paßte zu dieser Figur; eine Ahnung durchflog mich, sollte es – doch was braucht der Teufel viel Komplimente zu machen? Ich trat näher, setzte mich auf den Stuhl, welchen der andere verlassen hatte, und bot dem Alten einen guten Abend.>

      Langsam erhob er sein Haupt und schlug das Auge auf, ja er war es, es war der> Ewige Jude>.>

      »Bon soir, Brüderchen!« sagte ich zu ihm, »es ist doch schnackisch, daß wir einander zu Berlin im Tiergarten wiederfinden, es wird wohl so achtzig Jährchen sein, daß ich nicht mehr das Vergnügen hatte?«>

      Er sah mich fragend an; »So, du bist’s?« preßte er endlich heraus; »hebe dich weg, mit dir habe ich nichts zu schaffen!«>

      »Nur nicht gleich so grob,> Ewiger>«, gab ich ihm zur Antwort; »wir haben manche Mitternacht miteinander vertollt, als du noch munter warst auf der Erde, und so recht systematisch lüderlich lebtest, um dich selbst bald unter den Boden zu bringen. Aber jetzt bist du, glaube ich, ein Pietist geworden.«>

      Der Jude antwortete nicht, aber ein hämisches Lächeln, das über seine verwitterten Züge flog, wie ein Blitz durch die Ruine, zeigte mir, daß er mit der Kirche noch immer nicht recht einig sei.>

      »Wer ging da soeben von dir hinweg?« fragte ich, als er noch immer auf seinem Schweigen beharrte.>


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