Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff

Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte - Wilhelm  Hauff


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Blick in meine Liste und erfuhr, der eine sei ein junger Franzose, Marquis de Lasulot, der andere ein Baron von Garnmacher, ein Deutscher.

      Der Franzose war ein kleines untersetztes, gewandtes Männchen. Sein schwarzes Haar und der dichtgelockte schwarze Backenbart standen sehr hübsch zu einem etwas verbrannten Teint, hochroten Wangen und beweglichen, freundlichen schwarzen Augen; um die vollen roten Lippen und das wohlgenährte Kinn zog sich jenes schöne unnachahmliche Blau, welches den Damen so wohl gefallen soll, und in England und Deutschland bei weitem seltener, als in südlichern Ländern gefunden wird, weil hier der Bartwuchs dunkler, dichter und auch früher zu sein pflegt, als dort.

      Offenbar ein Incroyable von der Chaussee d’Antin! Das elegante Negligé, wie es bis auf die geringste Kleinigkeit hinaus der eigensinnige Geschmack der Pariser vor vier Monaten (so lange mochte der junge Herr bereits verstorben sein) haben wollte. Von dem, mit zierlicher Nachlässigkeit umgebundenen ostindischen Halstuch, dem kleinen blaßroten Shawl mit einer Nadel à la Duc de Berry zusammengehalten, bis herab auf die Kamaschen, die man damals seit drei Tagen nach innen zuknöpfte, bis auf die Schuhe, die, um als modisch zu gelten, an den Spitzen nach dem großen Zehen sich hinneigen, und ganz ohne Absatz sein mußten, ich sage bis auf jene Kleinigkeiten, die einem Ungeweihten, geringfügig und miserabel, einem, der in die Mysterien hinlänglich eingeführt ist, wichtig und unumgänglich notwendig erscheinen, war er gewissenhaft nach dem neuesten »Geschmack für den Morgen« angezogen.

      Er schien soeben erst seinem Jean die Zügel seines Cabriolets in die Hand gedrückt, die Peitsche von geglättetem Fischbein kaum in die Ecke des Wagens gelehnt zu haben und jetzt in meinen Kaffee hereingeflogen zu sein, um mehr gesehen zu werden, als zu sehen, mehr zu schwatzen, als zu hören.

      Er lorgnettierte flüchtig den Gentleman im Fauteuil, schien sich an dem ungemeinen Rumglas und dem Rauchapparat, den jener vor sich hatte, ein wenig zu entsetzen, schmiegte sich aber nichtsdestoweniger an die Seite Seiner Lordschaft: und fing an zu sprechen:

      »Werden Sie heute abend den Ball besuchen, mein Herr, den uns Monseigneur le diable gibt? Werden viel Damen dort sein, mein Herr? ich frage, ich bitte Sie, weil ich wenig Bekanntschaft hier habe.

      Mein Herr, darf ich Ihnen vielleicht meinen Wagen anbieten, um uns beide hinzuführen; es ist ein ganz honettes Ding, dieser Wagen, habe ich die Ehre, Sie zu versichern, mein Herr; er hat mich bei Latonnier vor vier Monaten achtzehnhundert Franken gekostet. Mein Herr, Sie brauchen keinen Bedienten mitzunehmen, wenn ich die Ehre haben sollte, Sie zu begleiten, mein Jean ist ein Wunderkerl von einem Bedienten.«

      So ging es im Galopp über die Zunge des Incroyable. Seine Lordschaft schien sich übrigens nicht sehr daran zu erbauen. Er sah bei den ersten Worten den Franzosen starr an, richtete dann den Kopf ein wenig auf, um seine rechte Hand frei zu machen, ergriff mit dieser – die erste Bewegung seit einer halben Stunde – das Kelchglas, nippte einige Züge Rum, rauchte behaglich seine Zigarre an, legte den Kopf wieder auf die rechte Hand, und schien dem Franzosen mehr mit dem Auge als mit dem Ohr zuzuhören und auch auf diese Art antworten zu wollen, denn er erwiderte auch nicht eine Silbe auf die Einladung des redseligen Franzosen und schien, wie sein Landsmann Shakespeare sagt:

      »der Zähne doppelt Gatter«

      vor seine Sprachorgane gelegt zu haben.

      Der Deutsche hatte sich während dieses Gespräches dem Tische genähert, eine höfliche Verbeugung gemacht und einen Stuhl dem Lord gegenüber genommen. Man erlaube mir, auch ihn ein wenig zu betrachten. Er war, was man in Deutschland einen gewichsten jungen Mann zu nennen pflegt, ein Stutzer; er hatte blonde, in die Höhe strebende Haare, an die etwas niedere Stirne schloß sich ein »allerliebstes Stumpfnäschen«, über dem Mund hing ein Stutzbärtchen, dessen Enden hinaufgewirbelt waren, seine Miene war gutmütig, das Auge hatte einen Ausdruck von Klugheit, der wie gut angebrachtes Licht auf einem grobschattierten Holzschnitt keinen üblen Effekt hervorbrachte.

      Seine Kleidung, wie seine Sitten schien er von verschiedenen Nationen entlehnt zu haben. Sein Rock mit vielen Knöpfen und Schnüren war polnischen Ursprungs; er war auf russische Weise auf der Brust vier Zoll hoch wattiert, schloß sich spannend über den Hüften an, und formierte die Taille so schlank, als die einer hübschen Altenburgerin; er hatte ferner enge Reithosen an, weil er aber nicht selbst ritt, so waren solche nur aus dünnem Nanking verfertigt, aus ebendiesem Grund mochten auch die Sporen mehr zur Zierde und zu einem wohltönenden, Aufmerksamkeit erregenden Gang, als zum Antreiben eines Pferdes dienen. Ein feiner italienischer Strohhut vollendete das gewählte Kostüm.

      Ich sehe es einem gleich bei der Art, wie er den Stuhl nimmt und sich niedersetzt, an, ob er viel in Zirkeln lebte, wo auch die kleinste Bewegung von den Gesetzen des Anstandes und der feinen Sitte geleitet wird; der Stutzer setzte sich passabel, doch bei weitem nicht mit jener feinen Leichtigkeit, wie der Franzose, und der Engländer zeigte selbst in seiner nachlässigen, halb sitzenden, halb liegenden Stellung mehr Würde als jener, der sich so gut aufrecht hielt, als es nur immer ein Tanzmeister lehren kann.

      Diese Bemerkungen, zu welchen ich vielleicht bei weitem mehr Worte verwendet habe, als es dem Leser dieser Memoiren nötig scheinen möchte, machte ich in einem Augenblick, denn man denke sich nicht, daß der junge Deutsche mir so lange gesessen sei, bis ich ihn gehörig abkonterfeit hatte.

      Der Marquis wandte sich sogleich an seinen neuen Nachbar. »Mein Gott, Herr von Garnmacker«, sagte er, »ich möchte verzweifeln; der englische Herr da scheint mich nicht zu verstehen und ich bin seiner Sprache zu wenig mächtig, um die Konversation mit gehöriger Lebhaftigkeit zu führen; denn ich bitte Sie, mein Herr, gibt es etwas Langweiligeres, als wenn drei schöne junge Leute beieinander sitzen, und keiner den andern versteht?«

      »Auf Ehre, Sie haben recht«, antwortete der Stutzer in besserem Französisch, als ich ihm zugetraut hätte; »man kann sich zur Not denken, daß ein Türke mit einem Spanier Billard spielt, aber ich sehe nicht ab, wie wir unter diesen Umständen mit dem Herrn plaudern können.«

      »J’ai bien compris, Messieurs«, sagte der Lord ganz ruhig neben seiner Zigarre vorbei, und nahm wieder einigen Rum zu sich.

      »Ist’s möglich, Mylord?« rief der Franzose vergnügt, »das ist sehr gut, daß wir uns verstehen können! Marqueur, bringen Sie mir Zuckerwasser! O das ist vortrefflich, daß wir uns verstehen, welch schöne Sache ist es doch um die Mitteilung, selbst an einem Ort, wie dieser hier.«

      »Wahrhaftig, Sie haben recht, Bester!« gab der Deutsche zu; »aber wollen wir nicht zusammen ein wenig umherschlendern, um die schöne Welt zu mustern? Ich nenne Ihnen schöne Damen von Berlin, Wien, von allen möglichen Städten meines Vaterlandes, die ich bereist habe; ich hatte oben große Bekanntschaften und Konnexionen, und darf hoffen, an diesem verfl … Ort manche zu treffen, die ich zu kennen das Glück hatte; Mylord nennt uns die Schönen von London, und Sie, teuerster Marquis, können uns hier Paris im kleinen zeigen.«

      »Gott soll mich behüten!« entgegnete eifrig der Franzose, indem er nach der Uhr sah, »jetzt, um diese frühe Stunde wollen Sie die schöne Welt mustern?«

      »Meinen Sie, mein Herr, ich habe in diesem détestable purgatoire so sehr allen guten Ton verlernt, daß ich jetzt auf die Promenade gehen sollte?«

      »Nun, nun«, antwortete der Stutzer, »ich meine nur, im Fall wir nichts Besseres zu tun wüßten. Sind wir denn nicht hier wie die drei Männer im Feuerofen? Sollen wir wohl ein Loblied singen wie jene? Doch wenn es Ihnen gefällig ist, mein Herr, uns einen Zeitvertreib vorzuschlagen, so bleibe ich gerne hier.«

      »Mein Gott«, entgegnete der Incroyable, »ist dies nicht ein so anständiger Kaffee, als Sie in ganz Deutschland keinen haben? Und fehlt es uns an Unterhaltung? Können wir nicht plaudern, soviel wir wollen? Sagen Sie selbst, Mylord, ist es nicht ein gutes Haus, kann man diesen Salon besser wünschen, nein! Monsieur le diable hat Geschmack in solchen Dingen, das muß man ihm lassen.«

      »Une confortable maison!« murmelte Mylord, und winkte dem Franzosen Beifall zu. »Et ce salon confortable.«

      »Gute Tafel, mein Herr?« fragte der Marquis, »nun die wird auch da sein, ich denke mir, man speist wohl nach der Charte? Aber meine Herren, was sagen Sie dazu, wenn wir uns zur Unterhaltung gegenseitig


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