Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff
einer Zauberformel seinem dienstbaren Ungeziefer die Kante, welche ihn bannte, zu benagen. Auch kann ich nicht in das Studierzimmer treten, ohne daß der Doktor Faust dreimal »Herein!« ruft. In andere Zimmer, wie z. B. bei Frau Martha und in Gretchens Stübchen trete ich ohne diese Erlaubnis. Doch den Schlüssel zu diesen sonderbaren Zumutungen finden wir vielleicht in dem Vers:
»Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei auch etwas denken lassen!«
Doch weiter.
Ich stehe auf einem ganz besondern Fuß mit den Hexen. Die in der Hexenküche hätte mich gewiß liebevoller empfangen, aber sie sah keinen Pferdefuß, und um mich bei ihr durch mein Wappen zu legitimieren, mache ich eine unanständige Gebärde.
»Mein Freund, das lerne wohl verstehen,
Das ist die Art, mit Hexen umzugehen.«
Auf dem Brocken in der Walpurgisnacht bin ich noch viel besser bekannt. Das Gehen behagt mir nicht, ich sage daher zum Doktor:
»Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.«
Auch hier
»Zeichnet mich kein Knieband aus,
Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.«
Um unter diesem gemeinen Gelichter mich recht zu zeigen, tanze ich mit einer alten Hexe und unterhalte mich mit ihr in Zoten, die man nur durch Gedankenstriche
»Der hatt ein – – – – –
So – es war, gefiel mir’s doch«
anzudeuten wagt.
Ich bin, selbst in Fausts Augen, ein widerwärtiger, hämischer Geselle, der
»– kalt und frech
Ihn vor sich selbst erniedrigt –«
Ich bin ohne Zweifel von häßlicher, unangenehmer Gestalt und Gesicht, zurückstoßend, was man, mit mildem Ausdruck markiert, intrikant und im gemeinen Leben einen abgefeimten Spitzbuben zu nennen pflegt.
Daher sagt Gretchen von mir:
»Der Mensch, den du da bei dir hast,
Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt.
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben
Als des Menschen widrig Gesicht. –
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut,
Ich hab vor dem Menschen ein heimlich Grauen. –
– Kommt er einmal zur Tür herein
Sieht er immer so spöttisch drein
Und halb ergrimmt. –
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Daß er nicht mag eine Seele lieben« etc.
Daher sage ich auch nachher:
»Und die Physiognomie versteht sie meisterlich,
In meiner Gegenwart wird ihr, sie weiß nicht wie,
Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn,
Sie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie,
Vielleicht wohl gar der Teufel bin.«
Soll dies bei Gretchen Ahnung sein? Ist sie befangen in der Nähe eines Wesens, das, wie man sagt, ihren Gott verleugnet? Ist es etwa ein unangenehmer Geruch, eine schwüle Luft, die ihr meine Nähe ängstlich macht? Ist es kindlicher Sinn, der den Teufel früher ahnet, als der schon gefallene Mensch, wie Hunde und Pferde vor nächtlichem Spuk scheuen, wenn sie ihn auch nicht sehen? Nein – es ist nur allein mein Gesicht, mein Mäskchen, mein lauernder Blick, mein höhnisches Lächeln, das sie ängstlich macht, so ängstlich, daß sie sagt:
»– Wo er nur mag zu uns treten,
mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr –«
Wozu nun dies? warum soll der Teufel ein Gesicht schneiden, das jedermann Mißtrauen einflößt, das zurückschreckt, statt daß die Sünde, nach den gewöhnlichsten Begriffen, sich lockend, reizend sehen läßt?
Wer hat nicht die herrlichen Umrisse über Goethes Faust von dem genialen Retsch gesehen! Gewiß, selbst der Teufel muß an einem solchen Kunstwerk Freude haben. Ein paar Striche, ein paar Pünktchen bilden das liebliche, sinnige Gesicht des kindlichen, keuschen Gretchens, Faust in der vollendeten Blüte des Mannes steht neben ihr, welche Würde noch in dem gefallenen Göttersohn!
Aber der Maler folgt der Idee des Dichters, und siehe, ein Scheusal in Menschengestalt steht neben jenen lieblichen Bildern. Die unangenehmen Formen des dürren Körpers, das ausgedörrte Gesicht, die häßliche Nase, die tiefliegenden Augen, die verzerrten Mundwinkel – hinweg von diesem Bild, das mich schon so oft geärgert hat.
Und warum diese häßliche Gestalt? frage ich noch einmal. Darum, antworte ich, weil Goethe, der so hoch über seinem Werk schwebende Dichter, seinen Satan anthropomorphisiert; um den gefallenen Engel würdig genug darzustellen, kleidet er ihn in die Gestalt eines tief gefallenen Menschen. Die Sünde hat seinen Körper häßlich, mager, unangenehm gemacht. In seinem Gesicht haben alle Leidenschaften gewühlt und es zur Fratze entstellt, aus dem hohlen Auge sprüht die grünliche Flamme des Neides, der Gier; der Mund ist widrig, hämisch wie der eines Elenden, der alles Schöne der Erde schon gekostet hat und jetzt aus Übersättigung den Mund darüber rümpft; der Unschuld ist es nicht wohl in seiner befleckenden Nähe, weil ihr vor diesen Zügen schaudert.
So hat der Dichter, weil er einen schlechten Menschen vor Augen hatte, einen schlechten Teufel gemalt.
Oder steht etwa in der Mythologie des Herrn von Goethe, der Teufel könne nun einmal nicht anders aussehen, er könne sein Gesicht, seine Gestalt nicht verwandeln? Nein, man lese:
»Auch die Kultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt;
Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen,
Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut,
Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere;«
Und an einem andern Ort läßt er mich mein Gesicht ein »Mäskchen« nennen; folglich kann er sich eine Maske geben, kann sich verwandeln; aber wie gesagt, der Dichter hat sich begnügt, das nordische Phantom dennoch beizubehalten, nur daß er mich von » Hörnern, Schweif und Klauen« dispensiert.
Dies ist das Bild des Mephistopheles, dies ist Goethes Teufel, jenes nordische Phantom soll mich vorstellen; darf nun ein vom Dichter so hoch gestellter Mensch durch eine so niedrige Kreatur, die sich schon durch ihre Maske verdächtig macht, ins Verderben geführt werden? darf jener große Geist, der noch in seinem Falle die übrigen hoch überragt, darf er durch einen gewöhnlichen »Bruder Lüderlich«, als welchen sich Mephisto ausweist, herabgezogen werden? Und – muß nicht diese Maske der Würde jener Tragödie Eintrag tun?
Doch ich schweige; an geschehenen Dingen ist nichts zu ändern, und meine verehrte Großmutter würde über diesen Gegenstand zu mir sagen:
»Söhnchen! Diabole! Bedenke, daß ein großer Dichter ein großes Publikum haben, und um ein großes Publikum zu bekommen, so populär als möglich sein muß.«
Siebzehntes Kapitel
Der Besuch
Bei diesem allem bleibt »Faust« ein erhabenes Gedicht, und Goethe einer der ersten Geister seiner Zeit, und man darf sich daher nicht wundern, daß ich ein