Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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sit­zen, schon we­gen der Per­sickes.«

      »Wer ist denn das?«

      »Ach, so Leu­te … Aber wenn ich den­ke, ich haue mit zwei Kof­fern voll Wä­sche ab und las­se hier einen Kof­fer mit Geld und Schmuck ste­hen, dann möch­te ich mir selbst den Kopf ab­bei­ßen. Ein biss­chen muss­te mich noch su­chen las­sen. Prost, Enno!«

      »Prost, Emil! Wa­rum solls­te nich noch ein biss­chen su­chen? Die Nacht ist lang, und wir be­zah­len die Licht­rech­nung doch nicht. Aber was ich dich fra­gen woll­te: Wo willst du denn mit dei­nen Kof­fern hin?«

      »Wie­so? Was meins­te denn da­mit, Enno?«

      »Na, wo du die hin­brin­gen willst? Wohl in dei­ne Woh­nung?«

      »Na, denks­te, ich schaff sie aufs Fund­amt? Klar schaff ich die in mei­ne Woh­nung, bei mei­ne Otti. Und mor­gen früh nischt wie ab da­mit in die Münz­stra­ße und die gan­ze Sore ver­scheu­ert, da­mit der Vo­gel wie­der zwit­schert!«

      Enno ließ den Kor­ken am Fla­schen­hals zwit­schern. »Hör mal lie­ber, wie der Vo­gel zwit­schert! Prost, Emil! Ich, wenn ich du wäre, ich mach­te das nicht wie du, in die Woh­nung und über­haupt bei die Frau – was braucht die Frau von dei­nen Ne­ben­ein­nah­men zu wis­sen? Nein, ich, wenn ich du wäre, ich mach­te es wie ich, näm­lich, ich gäbe die Kof­fer auf dem Stet­ti­ner in die Ge­päck­auf­be­wah­rung, und den Hin­ter­le­gungs­schein, den schick­te ich mir selbst, aber post­la­gernd. Dann könn­te nie was bei mir ge­fun­den wer­den, und kei­ner könn­te mir was be­wei­sen.«

      »Das hast du dir nicht un­flott aus­ge­dacht, Enno«, sag­te Bark­hau­sen bei­fäl­lig. »Und wann hol­s­te dir den Kram wie­der?«

      »Na, wenn die Luft wie­der rein ist, Emil, denn doch!«

      »Und wo­von lebs­te so lan­ge?«

      »Na, ich hab dir doch ge­sagt, ich gehe bei die Tut­ti. Wenn ich der er­zäh­le, was ich für ’n Ding ge­dreht habe, nimmt sie mich lie­bend mit bei­den Ba­cken auf!«

      »Gut, sehr gut!«, stimm­te Bark­hau­sen zu. »Und wenn du auf den Stet­ti­ner gehst, mach ich auf den An­hal­ter. Weiß­te, das fällt we­ni­ger auf!«

      »Auch nicht schlecht aus­ge­dacht, Emil, hast auch ein hel­les Köpf­chen!«

      »Man kommt un­ter Leu­te«, sag­te Bark­hau­sen be­schei­den. »Man hört dies und das. Der Mensch ist wie ’ne Kuh, er lernt im­mer noch zu.«

      »Recht has­te! Na, denn prost, Emil!«

      »Prost, Enno!«

      Eine Wei­le lang be­trach­te­ten sie sich schwei­gend, mit wohl­ge­fäl­li­gem Auge und nah­men ab und zu einen. Dann sag­te Bark­hau­sen: »Wenn du dich um­drehst, Enno, es braucht aber nicht gleich sein, hin­ter dir steht ein Ra­dio, der hat min­des­tens sei­ne zehn Röh­ren. Den möch­te ich mir ger­ne ein­pa­cken.«

      »Das mach, das tu, Emil! Ra­dio ist im­mer gut, zum Be­hal­ten und zum Ver­kau­fen! Im­mer ist Ra­dio gut!«

      »Na, denn wol­len wir mal se­hen, ob wir das Ding in einen Kof­fer ver­stau­en kön­nen, und dann stop­fen wir Wä­sche rund­her­um.«

      »Soll das gleich sein, oder trin­ken wir noch einen vor­her?«

      »Ei­nen kön­nen wir vor­her noch ge­neh­mi­gen, Enno. Aber nur einen!«

      Also ge­neh­mig­ten sie einen und einen zwei­ten und einen drit­ten, und dann ka­men sie lang­sam auf die Bei­ne und müh­ten sich da­mit ab, einen großen Zehn­röh­ren-Ra­dio­ap­pa­rat in einen Hand­kof­fer zu pa­cken, der einen Volks­emp­fän­ger ge­fasst hät­te. Nach ei­ner Wei­le an­ge­streng­ten Ar­bei­tens sag­te Enno: »Es geht nich und es geht nich! Lass den ol­len Scheiß­ra­dio doch sein, Emil, nimm lie­ber ’nen Kof­fer mit An­zü­gen!«

      »Mei­ne Otti hört aber ger­ne Ra­dio!«

      »Ich den­ke, du willst dei­ner Ol­len von dem gan­zen Ge­schäft nichts er­zäh­len? Du bist ja blau, Emil!«

      »Und du und dei­ne Tut­ti? Ihr seid ja alle bei­de blau! Wo has­te denn dei­ne Tut­ti?«

      »Die zwit­schert! Ich sage dir, und wie die zwit­schert!« Und er lässt wie­der den feuch­ten Kor­ken am Fla­schen­hals zwit­schern. »Neh­men wir noch einen!«

      »Prost, Enno!«

      Sie trin­ken, und Bark­hau­sen fährt dann fort: »Aber den Ra­dio, den möch­te ich doch mit­neh­men. Wenn das olle Dings durch­aus nicht in den Kof­fer rein will, häng ich mir den Kas­ten mit ei­nem Strick vor die Brust. Dann habe ich die Hän­de im­mer noch frei.«

      »Das mach, Mensch. Na, denn wol­len wir mal zu­sam­men­pa­cken!«

      »Ja, das wol­len wir. Wird Zeit!«

      Aber sie blei­ben bei­de ste­hen und star­ren ein­an­der blö­de grin­send an.

      »Wenn man denkt«, fängt Bark­hau­sen dann wie­der an, »es ist doch ein schö­nes Le­ben. All die­se gu­ten Sa­chen hier«, er nickt mit dem Kopf, »und wir kön­nen uns neh­men, was wir wol­len, und tun noch di­rekt ein gu­tes Werk, wenn wir’s so ’ner Jüd­schen fort­neh­men, die doch al­les ge­stoh­len hat …«

      »Da has­te recht, Emil – ein gu­tes Werk tun wir, am deut­schen Volk und un­serm Füh­rer. Das sind die gu­ten Zei­ten, wo er uns ver­spro­chen hat.«

      »Und un­ser Füh­rer hält Wort, der hält Wort, Enno!«

      Sie be­trach­ten sich ge­rührt, Trä­nen in den Au­gen.

      »Was macht ihr denn hier, ihr bei­de?«, klingt eine schar­fe Stim­me von der Tür her.

      Sie fah­ren zu­sam­men und er­bli­cken einen klei­nen Bur­schen in brau­ner Uni­form.

      Dann nickt Bark­hau­sen dem Enno lang­sam und trau­rig zu: »Das ist der Herr Bal­dur Per­si­cke, von dem ich dir ge­sagt habe, Enno! Jetzt kom­men die Schwie­rig­kei­ten!«

      8. Kleine Überraschungen

      Wäh­rend die bei­den Be­trun­ke­nen so mit­ein­an­der spre­chen, hat sich der gan­ze männ­li­che Teil der Fa­mi­lie Per­si­cke in der Stu­be ver­sam­melt. Zu­nächst dem Enno und Emil steht der klei­ne, drah­ti­ge Bal­dur, die Au­gen fun­kelnd hin­ter der scharf ge­schlif­fe­nen Bril­le, kurz hin­ter ih­nen die bei­den Brü­der in ih­ren schwar­zen SS-Uni­for­men, aber ohne Müt­zen, und nahe der Tür, als traue er dem Frie­den nicht ganz, der alte Ex­k­nei­pier Per­si­cke. Auch die Fa­mi­lie Per­si­cke ist al­ko­ho­li­siert, aber bei ihr hat der Schnaps eine we­sent­lich an­de­re Wir­kung ge­habt als bei den bei­den Ein­bre­chern. Sie sind nicht rühr­se­lig, dumm und ver­ge­ss­lich ge­wor­den, son­dern die Per­sickes sind noch schär­fer, noch gie­ri­ger, noch bru­ta­ler als in ih­rem Nor­mal­zu­stand.

      Bal­dur Per­si­cke fragt scharf: »Nun, wird’s bald? Was macht ihr bei­de hier? Oder ist das etwa eure Woh­nung?«

      »Aber, Herr Per­si­cke!«, sagt Bark­hau­sen mit kla­gen­der Stim­me.

      Bal­dur tut, als er­ken­ne er den Mann erst jetzt. »Aber das ist ja der Bark­hau­sen aus der Kel­ler­woh­nung im Hin­ter­haus!«, ruft er ganz er­staunt sei­nen Brü­dern zu. »Aber, Herr Bark­hau­sen, was ma­chen Sie denn hier?« Sein Er­stau­nen wan­delt sich in Spott. »Wär’s nicht bes­ser, Sie küm­mer­ten sich – zu­mal mit­ten in der Nacht – ein biss­chen um ihre Frau, das gute Ot­ti­chen? Ich habe so was ge­hört, es wer­den da Fes­te


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