Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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Liebhabers mechanischerweise ausschüttete, obgleich Elmickor sich aus allen Kräften bemühte, diese lustige Laune zu unterdrücken; allein das Unglück oder das Glück – wie man es nehmen will – führte plötzlich einen alten Bruder herbei, der weder Teufel noch Hölle glaubte und es also für ein verdienstliches Werk hielt, ihm und seinen Bundesgenossen einen losen Streich zu spielen. Er hatte oft mit Elmickors Gönnerin über diesen Punkt gestritten und ihre Leichtgläubigkeit bald bedauert, bald verspottet; sie war zwar weit entfernt, die wunderbaren Erscheinungen, mit welchen sie täglich unterhalten wurde, dem bösen Geiste zuzuschreiben; so weit waren sie beide eins; aber auch selbst die Ursache, die sie angab, wollte der Ungläubige nicht einräumen. Die Freundschaft wurde dadurch nicht wenig gestört, und er schwur bei Leib und Seele, keinen Schritt wieder in ihr Haus zu tun, solange sie sich von Elmickorn hintergehn ließ. Er hielt Wort; doch den nämlichen Abend hatte Bacchus seinen Eifer für die Wahrheit angeflammt, und ohne an seinen Schwur zu denken, kam er in der völligen Absicht, Elmickors Geister mit gewaffneter Hand in die Flucht zu schlagen und seinen Betrug sichtbar zu beweisen. Weil man einen so feindlichen Überfall im mindesten nicht befürchtete, so war aus allzu großer Sicherheit die Tür nicht wie sonst verschlossen; er trat wie ein Herkules, der Ungeheuer bekämpfen will, in das Zimmer hinein, ging auf den Schauspieler los, faßte ihn mit der äußersten Verwegenheit bei dem Kopfe und würde ihn gewiß mit seiner kriegerischen Faust umgebracht haben, wenn [dem] armen Bedrängten nicht ein Trieb von Selbsterhaltung die List eingegeben hätte, die Maske schnell loszubinden und sich mit der Flucht zu retten – oder riß ihm vielleicht eine Schutzgöttin die Bänder los, wie Venus dem Paris, daß dem ergrimmten Ajax der leere Helm in der Hand zurückblieb?

      Elmickorn wird die Fassung bei einem so plötzlichen Angriffe schwer werden! – Keineswegs! Anfangs konnte er sich wohl nicht enthalten, ein wenig zu erschrecken; aber bald sammelte er seinen Mut und traute sich, durch seine Künste doch diesen Gegner zu überwinden. Er hatte die Gewohnheit, vermittelst eines gewissen Pulvers, das er auf Kohlen streute, einen Dampf in dem Zimmer zu erregen, der in kurzer Zeit alle Sinnen benebelte und nur so viel Bewußtsein übrigließ, als hinreichend war, die sichtbaren Gegenstände zu unterscheiden. Er verstärkte also schnell die Dosis; doch ehe sie noch ihre Wirkung tun konnte, hatte ihn der grimmige Mann schon bei dem Kragen gefaßt, um ihn – was weiß ich, was er tun wollte? Bei einer solchen Nähe der Gefahr hielt es Elmickor für das Beste, dem Beispiele meines Helden zu folgen: Er riß sich los und entwischte.

      Die betrogne Dame hatte indessen das ganze Scharmützel nur wie im Traume gesehn, so sehr war sie von dem Dampfe berauscht; sie wollte aufspringen, um ihren Bruder abzuhalten, aber sie konnte nicht. Er faßte sie also auf und führte sie an die frische Luft, die ihr ihre Sinnen bald wieder verschaffte. Sie sah sich mit Erstaunen in ihres Bruders Armen und hatte beinahe Lust, über sein Verfahren ungehalten zu sein; er demonstrierte ihr aber sehr bündig, wieviele Verdienste er sich durch diese rasche Tat um ihre Ehre und ihren Menschenverstand erworben habe. Sie schwieg zwar, aber sie war doch zween Tage lang nicht überzeugt, daß Elmickor ein Betrieger sei, und hätte herzlich gern gesehn, wenn sie ihren Bruder von dem Gegenteile hätte überführen können. Sie stritt mit allen Waffen des Geistersystems, das sie ihr Liebling gelehrt hatte, wider ihn; doch ohne sich in dergleichen spitzfündige Untersuchungen einzulassen, beharrte der Halsstarrige auf seiner Meinung und lauerte nur auf eine Gelegenheit, sie durch den Augenschein von dem zu überzeugen, was er durch keine Gründe beweisen konnte.

      Man wird sich vermutlich einbilden, daß mein Held sich so weit gerettet habe, als ihn seine Füße tragen wollten? – Viel gefehlt! Nicht eine Handbreit weiter kroch er, als bis in das Behältnis in der Mauer, wo er die vorhergehende Nacht und den Tag über versteckt gewesen war. Hier setzte er sich ruhig nieder; doch Elmickor lief in vollem Galoppe zu seinen Mitbrüdern in der Höhle.

       Inhaltsverzeichnis

      Wenn jemand ein vollständiges Gedankenregister von jeder langwierigen Gefangenschaft solcher Leute besäße, die sich für Philosophen ausgaben, so könnte er mathematisch berechnen, wie viele Grade, Minuten und Tertien mein Philosoph mehr Philosoph ist als sie alle. In einem engen Schranke, wo nur eine Stellung des Körpers Platz hatte, in der beständigen Besorgnis, herausgezogen und für die Betriegereien, wobei er ein Werkzeug gewesen war, nach der Strenge bestraft zu werden, ohne die geringste Aussicht, unbemerkt zu entfliehn, in der Notwendigkeit, hier ruhig zu verhungern oder herauszugehn und sich einer vermutlich nicht allzu günstigen Aufnahme auszusetzen – gewiß, eine Situation, die zum Probiersteine der Philosophie dienen konnte! Die seinige hielt die Probe zween ganze Tage und Nächte aus; zugleich hatte er Muße und Gelegenheit, sie ansehnlich zu vermehren. Er tat es auch wirklich.

      Ich bin in jedem Zustande glücklich! –war allemal der Anfang seiner Selbstbetrachtungen. – Mein Glück ist in mir; gleichwohl hungert mich ganz verzweifelt. Da ich satt war, befand ich mich wahrhaftig besser. –Ja, der Körper ist unser ganzes Unglück; man bliebe ohne alle unangenehme Empfindung, wenn er nicht wäre. – Man muß sich von ihm losreißen! Weiter ist nichts zu tun. – Man muß allen Empfindungen den Eingang verstopfen und bloß in sich glücklich sein, und alsdann kann man es auch in jedem Zustande sein. Wieviel besser wäre es itzt für mich, wenn ich diese elende Hülse abstreifen könnte! Aber das geht nicht! – So muß ich mich wider die Empfindung des Körpers stemmen, und der Hunger soll mich doch nicht verhindern, in allen Umständen glücklich zu sein.

      Sein philosophischer Stolz hätte ihn eher auf der Stelle verhungern lassen, als verstattet, daß er eine bei sich festgesetzte Meinung aufgab. – Man weiß es schon: Philosophen sind sich gemeiniglich untrüglich, und wie könnten sie sich in diesem süßen Gefühle erhalten, wenn sie eine ihrer Meinungen durch die Erfahrung wollten widerlegen lassen?

      Den zweiten Tag fiel es schon etwas schwerer, sich wider die körperlichen Empfindungen zu stemmen. Das war eine traurige Bedrängnis für den Stolz – oder vielmehr für eine Meinung, die unvermerkt die Rechte eines Vorurteils an sich gerissen hatte.

      Alles Übel kömmt von der Materie, das ist ganz sicher; wenn wir ganz Geist wären – ach, was für eine gute Sache! – Zwar dieses Losreißen vom Körper läßt sich nicht auf einmal tun; es gehört Übung dazu. Itzt da ich noch gleichsam in der Lehre stehe, itzt kann man mir es nicht übelnehmen, wenn ich dem Körper nachgebe! – Es wird sich schon mehr Gelegenheit in meinem Leben finden, es mit der Losreißung vom Körper zur Vollkommenheit zu bringen. – Ich gehe hinaus und sehe, wo ich meinen Hunger stille.

      Er ging. Furcht und sein geliebter Grundsatz zogen zwar den Fuß etwas bedenklich zurück; aber der Witz, diese allgemeine Mittelsperson bei einer Uneinigkeit im Kopfe oder im Herzen, trat zwischen beide. »Ihr wunderlichen Geschöpfe!« rief er, »seht ihr denn nicht, daß Tobias Knaut, wenn er aus diesem Loche geht, viel mehr philosophische Standhaftigkeit beweisen kann, als wenn er hier verhungert? Und die Gelegenheit zu Beweisung größrer Tugend ist doch wohl den geringern vorzuziehn? – Er muß gehn, um zu zeigen, daß er Philosoph genug ist, allen Gefahren und Beschwerlichkeiten zu trotzen!« – Er ging.

      Im Finstern und bei völliger Unbekanntschaft mit den Gelegenheiten des Hauses, ging er durch die erste beste Tür, die er offen fand, über einen Saal hinweg und trat – in die Stube der gnädigen Frau, die eben auf dem Kanapee bei einem Wachslichte ein Trebillanisches Geschichtchen las. Da dieses ihre geheime Lektüre war, die sie sogleich verbarg, wenn sie eine Mannsperson dabei überraschte, so steckte sie augenblicklich, als sie jemanden hereintreten hörte, aus einer mechanischen Furcht das Buch unter die Küssen des Kanapees, sah sich nach dem Ankommenden um und – wie erschrak sie! Gewiß, sie glaubte einen bösen Geist zu sehn, den die Göttin der weiblichen Schamhaftigkeit abgeschickt habe, sie für ihre Lektüre zu bestrafen; gleichwohl war sie sich bewußt, daß sie alles getan hatte, was die Scham verlangt – sie hatte es niemanden gewahr werden lassen, daß sie solche Bücher las. Diese Besorgnis wurde endlich ganz niedergeschlagen, als der vermeinte Geist seinen Mund öffnete und um Nahrung bat. Da sie einmal merkte, daß es ein Sterblicher war, so ward sie über seine ungeheure Sünde wider die Etikette unwillig und verwies es ihm ernstlich, daß er mit der unverzeihlichsten Verwegenheit sie in ihrem Zimmer überfallen habe. Nachdem


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