Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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sind als diesem spekulativischen Kopfe das barbara celerant. Da sein Studium hierinne bestund, so mußte sein Gespräch den Stoff aus dem nämlichen Fache der menschlichen Wissenschaften holen und seine Grundsätze die Grundsätze seines Lehrmeisters sein, que le plaisir de la table est de toutes les nations et de tout homme, und wie sie weiter heißen mögen. Er hegte auch die gute Hoffnung, daß die Politur, die das übrige Deutschland itzt zierte, bald in seine Gegend durchdringen und man in allen benachbarten Häusern im besten Geschmacke zu essen geben würde, wo damals noch eine so unerträgliche Barbarei herrschte, daß ein Mann von Geschmack und Wissenschaft nicht ein Mittagsmahl einnehmen konnte, ohne sich durch seinen Unwillen über das viele Anstößige auf acht Tage lang den Appetit zu verderben.

      Ein lächerlicher Kontrast war es, ihn neben seiner Schwester figurieren zu sehn, deren Spekulation auf viel geistigere Gegenstände ausging. Sie kannte zwar von denen Wissenschaften, die die Speise der Gelehrten sind, nur die Oberfläche, nur so viel, als ihre Neigung zum Sonderbaren zu sättigen nötig war, und gleichwohl war ihr Enthusiasmus für sie insgesamt so heftig, als wenn sie von Kindesbeinen an in dem Mittelpunkte derselben gelebt hätte. Sie bewunderte blind, aber lebhaft, oft bloß den seltsamen Klang der Worte, und ein Mann, dessen Schriften solche Verbindungen von Worten enthielten, die bei dem ersten Anhören jedes Mitglied ihrer Gesellschaft als ungereimt verdammte, war einer göttlichen Verehrung sicher und gewiß; sein Name war in ihrem Munde und in ihrem Herzen, bis ihn ein andrer mit noch auffallendern Paradoxien verdrängte. Helvetius, Rousseau und andre dergleichen ketzerische Schriftsteller waren ihre Lieblingsnamen; sie hatte das verständliche Besondre aus ihren Schriften abgeschöpft, um ihr Gespräch mit diesen zusammengelesnen Brocken pikant zu machen; sie wußte nicht, wie sie dazu kam, es für Wahrheit zu halten; denn die Beweise, die diese Männer brauchten, um ihre Meinungen zur Wahrscheinlichkeit zu erheben, überschlug sie als anklebenden Schulwust wohlbedächtig – es war ihr genug zu lesen, daß es der Natur gemäßer sei, von wilden Kastanien als von Brote zu leben, der Natur gemäßer, ein Hurone als ein polizierter Europäer zu sein, daß der Mensch alles um seines Interesse willen tue – ohne sich zu bekümmern, wie das gemeint war oder ob Helvetius und ein Kornhändler, wenn sie den Menschen alles um seines Interesse willen tun lassen, nicht von zwei ganz verschiedenen Dingen reden – alles dies und andre Erfodernisse, die man bei dem Lesen und der Nützung solcher Schriften nicht entbehren kann, beiseite gesetzt, war lesen und glauben bei ihr eins.

      Ihr Bruder, der H. von a × b gab sich alle ersinnliche Mühe, sie von dergleichen unnützen und einer Dame höchst unanständigen Beschäftigungen abzuziehn und auf solche zu lenken, die nach seinen Einsichten einem Frauenzimmerverstande mehr Ehre machten. Er versorgte sie daher von Zeit zu Zeit mit den vortrefflichsten Kochbüchern und seinen eignen Ausarbeitungen, die in dieses Fach schlugen, mit den herrlichsten Notizen, wie an jedem Galatage die Tafel bei Hofe oder bei jeder Hochzeit von einigen Aufsehn serviert gewesen war, mit Nachrichten von Getreidepreisen, von den Aussichten auf künftige Teurung, von See- und Landstürmen, fruchtbaren und schädlichen Regen, Schloßen, Donnerwettern, Feuersbrünsten, Diebesgeschichten, Totschlägen etc. – lauter Neuigkeiten, die er durch eine höchst mühsame Korrespondenz viele Meilen weit erhielt. Doch die Frau Schwester – sie war eine junge Witwe – fand an allen diesen Herrlichkeiten keinen Geschmack und dankte ihm meistens mit einem höhnischen Lachen für die Mitteilung derselben. Um sein Verdienst vollständig zu machen , borgte er ihr alle ihre paradoxesten Lieblingsschriften allmählich ab, unter dem Vorwande, sich mit ihnen bekannt zu machen; doch ohne einen Blick darein zu werfen, wurden sie insgesamt unter einem Schwalle Verwalterrechnungen und Küchenrezepte vergraben, und da eines Abends Papier gesucht wurde, das Kaminfeuer so lange zu unterhalten, bis der Bediente Holz herbeibrachte, so fiel der unglückliche Helvetius gerade in die Hände; er mußte noch einmal in die Flamme und brannte mit einem so schönen Feuer, daß die Sorbonne und die Jesuiten ihre Freude daran hätte sehen müssen.

      Auf diese Art hatte der Herr von a × b beinahe die ganze paradoxe Bibliothek seiner Schwester in sein Haus gebracht, und ihre Schränke waren dagegen mit den auserlesensten Küchenraritäten angefüllt. Da unser Knaut seiner Bestimmung von ihrem Bruder entsetzt worden war, so bat sie sich ihn zu ihrem Vorleser aus; er willigte herzlich gern darein und wollte den neuen Vorleser bereden, alle noch übrige böse Bücher seiner Schwester ihm heimlich auszuliefern. Er trat sein Amt an, und seine Gebieterin war ganz wohl mit ihm zufrieden. Kraft der ihm daher zuwachsenden Pflicht saß er eines Abends ihr gegenüber und las in der deutschen Übersetzung – den Helvetius – aber wohl gemerkt! nur die von ihr sogenannten brillanten Stellen, die sie mit einem Bleistiftstriche bezeichnet hatte, das heißt, die Überschriften der Kapitel, die etwas auffallenden Gedanken und die Histörchen. Ehe sie es vermutete, trat der Bruder herein, und zwar so schnell, daß es nicht möglich war, das Buch vor ihm zu verbergen, wozu auch der Vorleser nicht die mindeste Ursache bei sich fand. Er sah ihm flüchtig über die Schultern hinein; da er aber deutsche Buchstaben darinne gewahr wurde und deswegen glaubte, daß es alltäglich genug sein müßte, um keinen Schaden anzurichten, so war ihm der erste Blick schon genug. Er setzte sich, das Gespräch ging an, und indem er seine gewöhnlichen Zeitungen mitteilte, faßte unbewußterweise seine Hand das daliegende Buch, blätterte spielend hier, blätterte dort, bis durch einen Zufall seine Augen sich gleichfalls darein mischten und auf dem Titel – Helvetius gewahr wurden. Er hatte sich es nie versehn, daß die guten einfältigen Deutschen, die so gern auf der geraden betretnen Heerstraße fortwandeln, solche Bücher übersetzen würden, und erstaunte darum nicht wenig, den Helvetius in dieser Tracht zu finden.

      »Aber, ma soeur«, fing er an, »warum willst du dir den Kopf mit dergleichen Sachen brouillieren? Laß die Bagatelles den Gelehrten, die weiter nichts zu tun haben!«

      »Wo denkst du hin, mon frère? – Die weiter nichts zu tun haben! – Könnten sie etwas Erhabneres tun, als die Welt erleuchten?«

      »Ach, die Welt erleuchten! Sie ist ohne ihre Mühe helle genug. Die fainéants wissen nicht, was sie mit der Zeit anfangen sollen; darum kalkulieren sie die Sterne, parlieren von Esprit, vom Gouvernement, von Education – und tausend andre Liaiseries. – Wenn sie dafür etwas Nützliches täten, auf dem Acker arbeiteten, brauchbare Leute in der Oeconomie würden, so verginge ihnen wohl die Lust, von solchen Grillen zu radotieren.«

      »Aber, mon frère, wir haben ja nicht bloß einen Körper mit Nahrung und Bequemlichkeiten zu versorgen; soll unser Geist hungern? Wenn ein Teil der Menschen beschäftigt ist, für die Leiber aller übrigen zu arbeiten, so müssen die übrigen erkenntlich sein und den Geistern ihrer Mitbrüder die nämlichen Dienste erweisen.«

      »Ach, ma soeur, alles brouillierte Ideen! Lauter Zeug, das dir deine Gelehrten aufgeheftet haben! Lächerlich! Was liegt mir an den Geistern der Leute, die mir mein Feld bauen? Gute robuste Körper, capable Hände! die gibt ihnen kein Gelehrter! – und diese brauchen sie! weiter nichts!«

      »Bester Bruder, du setzest mich in Erstaunen! – Gesetzt diese armen Menschen hätten nicht mehr nötig, brauchst du denn nicht mehr? mehr Kenntnisse? mehr Ideen?«

      »Du radotierst, Schwester! – Ich brauche freilich mehr, aber nützliche Ideen! nützliche Kenntnisse! Meinen Kopf werde ich mir in Ewigkeit mit dergleichen Grübeleien nicht gravieren, wie du –«

      »Was nennst du denn deine nützlichen Kenntnisse?

      »Aber daher kommen auch hernach solche hübsche Historiettes! wie neulich die mit dem Fripon, Elmickor! – Solche Erleuchtung geben die Gelehrten!«

      Sie errötete und schlug die Augen nieder.

      »Ich habe gelebt, vergnügt und wohl gelebt, ohne etwas vom Rousseau und Helvetius zu wissen. Die hypochondrischen Kreaturen! zum Pfluge mit ihnen! Da könnten sie ihren Hypochonder kurieren und sich nützlicher desennuyieren.«

      »Mon cher frère, höre nur einmal diese Stelle: Jede Entdeckung eines Mannes von Genie und Wissenschaft hat einen Wert, sie betreffe, was sie wolle; ist ihr Nutzen nicht unmittelbar und in die Augen fallend, so ist er eine schlafende Kraft, die vielleicht erst unter unsrer Nachkommenschaft im dritten Gliede sich wirksam erzeigt. Man muß entweder das ganze Feld der Wissenschaften überschauen, im Buche des Schicksals lesen können, was für einen Samen von wichtigen Vorteilen für die Zukunft eine neue noch so sonderbare


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