Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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Ehre nichts zu besorgen war, so fing sie an über den Vorfall zu lachen, besonders da sie die sonderbaren Wendungen seiner Beredsamkeit bemerkte, und versprach ihm eine reichliche Entschädigung der ausgestandenen Drangseligkeiten.

      Aus seinen Reden und seinem Betragen konnte sie nichts anders schließen, als daß er ein sonderbares Original von Philosophen sei, das wohl ein paar Tage Essen verdiene, um sich über seine Eigenheiten lustig zu machen, insonderheit da er zu der duldenden Art gehörte und also vermuten ließ, daß er Spott und Lachen nicht sonderlich übelnehmen würde. Sie hätte ihn gern vor ihrem Bruder verborgen, weil er ein redender Beweis war, daß er Recht hatte, als er sie beschuldigte, daß sie sich hintergehen ließ; aber die Unterredung mit ihm hatte kaum eine Viertelstunde gedauert, als der Herr Bruder hereintrat und mit Verwundrung eine halbmaskierte Figur neben seiner Schwester erblickte.

      »Hast du schon wieder Geister um dich?« fragte er.

      »Ja«, antwortete sie lachend, »aber einen sehr körperlichen Geist, der Essen und Trinken zur höchsten Not braucht!«

      Sie erzählte ihm hierauf die Geschichte, wie sie dieselbe kurz vorher aus dem Munde ihres Gastes gehört hatte, und konnte die Erzählung kaum in ordentlichem Gange erhalten, so oft wurde sie durch den lauten Triumph ihres Bruders über ihre bewiesne Leichtgläubigkeit unterbrochen. Sie gab ihm dabei zu verstehen, daß allem Ansehen nach dies ein vortreffliches Subjekt zu einem Souffre-douleur sein müsse, woran er ebenfalls gleich gedacht hatte, als er von ihr hörte qu'il donnait furieusement dans le philosophe – denn ihrem Stande gemäß sprachen sie französisch und ließen sich nur zum Deutschen herunter, wenn sie ein armes unfranzösisches Geschöpf zum besten zu haben geruhten.

      Es gibt eine Gattung von Menschen – meine Leser insgesamt werden ihrer eine Menge kennen –, bei denen die Empfindung des Vergnügens auf den einzigen Fall eingeschränkt ist, wenn sie einen armen Unschuldigen zum Ziele hinstellen können, um die ausgelassensten Spöttereien darauf abzuschießen. Am süßesten schmeckt ihnen eine solche Lustbarkeit, wenn sie einen Mann dazu haschen, den sie durch verschiedene sichtbare Vorzüge über sich erhaben fühlten und wegen seiner Bescheidenheit oder eines Mangels am lebhaften schnellem Witze, durch ihren Spott unter sich erniedrigen. Wie furchtsame schwache Kreaturen, die im Finstern pfeifen und lärmen und hernach sich selbst überreden, daß sie herzhaft sind, ob es gleich aus wahrer Feigheit geschah, um die Gedanken an Gespenster und den Teufel in ihrem Kopfe zu zerstreuen, so wollen jene plumpen Spötter durch ihren unverschämten Witz das Bewußtsein ihrer Inferiorität verscheuchen. Wo auch dieses nicht stattfindet, so ist es doch allzeit der Stolz, der solche Komödien spielet; sein Wunsch ist, andre verachten zu können, und er ist schon befriedigt, wenn er nur andre eine Zeitlang von einer Seite denken kann, die sie erniedrigt, wenn er gleich weiß, daß alle fehlerhafte verächtliche Züge daran seine Erdichtung sind. Wie oft habe ich dergleichen Elende bemitleidet, die sich obendrein noch zu der Ehre drangen, jedem stumpfen Witze in einer Gesellschaft zum Wetzsteine zu dienen! Mich deucht, um die Ehre oder das Vergnügen auf diesem Wege zu suchen, muß man ohne Empfindung von Ehre und im letztern Falle ein bettelarmer Kopf sein.

      Der Herr von a × b war ein lebendiger Beweis, daß meine Anmerkung Recht hat. War er auch gerade nicht der dürftigste Kopf in seinem Himmelsstriche – denn es waren wirklich verschiedene Kenntnisse zufälligerweise in sein Gehirn geflogen –, so war er es doch wenigstens von einer gewissen Seite. Wenn die Natur die Teilchen eines Menschengehirns so ordnet, daß es einen beständigen Kitzel fühlt, witzige muntre Einfalle hervorzubringen, und eine Lebhaftigkeit hinzutut, die diesen Kitzel immer unterhält und bestärkt, so können, wenn das Schicksal will, unschätzbare Menschen daraus werden, deren wohltätige Laune den ganzen Zirkel ihrer trüben Freunde und Bekannten aufheitert; aber wenn das Schicksal so tückisch ist, in einen solchen Kopf wenige oder nichts als konterbande Ideen und in schlechten Verbindungen kommen zu lassen, dann entsteht ein Insekt, deren ein kleiner Trupp von einem Dutzend den halsstarrigen König Pharao eher mürbe gemacht hätten als Läuse, Blattern, Heuschrecken und die übrigen ägyptischen Landplagen.

      Ich kann es nicht leugnen, der Herr von a × b befand sich unter diesem Fluche des Schicksals. Vergnügen, Freude, Munterkeit, Lebhaftigkeit und tausend andre Annehmlichkeiten des männlichen und weiblichen Geschlechts hätten einen Kreis von Gesellschaftern um ihn machen können, als sie Jupiter an seinem fröhlichsten Feste kaum gehabt haben mag – er wäre unbewegt geblieben – es hätte denn jemand durchgezogen werden müssen. Sobald er aber eine Kreatur erwischte, deren Geduld mit einem Panzer wider die ärgsten Turlepinaden versehn war, dann lebte er in seinem Elemente, dann war er der fröhlichste Mann unter der Sonne; mit welchem innigen Vergnügen mußte er also unsern Philosophen erblicken, besonders da er zu einem Stande gehörte, den er, ohne ihn zu kennen, zu verachten Herz genug hatte. Seine einzige Kenntnis war die Ökonomie oder vielmehr ein studiertes System des Eigennutzes; was nicht unmittelbar mit diesem zusammenhing, gehörte nicht in seinen Plan eines vollkommnen Staates. Welche Wissenschaft mußte also nicht von ihm aus der Zahl der brauchbaren Dinge in dieser Welt ausgeschlossen werden? – Er schloß sie auch wirklich davon aus, und seine platonische Republik war eine solche, wo alle Müßiggänger, unter welchen er den Gelehrten den ersten Platz anwies, mit einem Joche am Halse den Pflug ziehen müssen, keinen Verstand haben, der nicht zu geschickter Bestellung ihrer Handarbeiten unentbehrlich ist, und unter täglicher Plackerei vom Morgen bis zum Abend ihr Leben dürftig hinschleppen – sollte ein solcher Staat seine höchste Vollkommenheit erreichen, so müßte er der unumschränkte Beherrscher aller dieser Lasttiere sein, so müßten diese sich plagen und darben, damit er seine Tafel bis zum Überflusse besetzen, Armeen von Hunden und Bedienten halten und jede Stunde im Jahre mit neuen und schönern Pferden prangen könnte.

      Außerdem kam noch ein gewisser kleiner Stolz, ein kaltblütiger Neid hinzu, der keine Art von Größe über sich dulden und nichts bewundern sehen konnte, das außer seiner Sphäre lag. Wie ein indischer König, der sich unter seinem Strohdache mächtig genug dünkt, allen Monarchen des Erdbodens täglich zweimal die Erlaubnis zu erteilen, wenn sie essen sollen, lebte er in seinem Winkel und glaubte sich bei dem Kommando über eine Handvoll elender Fronarbeiter groß genug, um alle Musen und Grazien wie seine Grasemägde zu behandeln.

      Armer Knaut! bei einem solchen Manne wirst du alle Kräfte deines Stoizismus nötig haben!

       Inhaltsverzeichnis

      Was für ein herrliches Fest mußte sich der neue Mäzenat meines Helden für seine Spottsucht versprechen, da er sich ihn von seiner Schwester ausbat, ohne daß er ihn länger als zwo Stunden probiert hatte! Sie trat ihr Recht auf ihn ungern ab, weil er von ihr schon zu einem andern Endzwecke bestimmt war; doch geschah es, und der Arme diente seinem Patrone gerade dazu, was ein Mohr oder eine andre ausländische Figur in dem Gefolge eines großen Herrn ist. – »Obgleich Gelehrte, Philosophen, Poeten und dergleichen Müßiggänger«, sagte der Herr von a × b, »ein höchst unnützer Plunder in der Welt sind, so kann ich sie doch ganz wohl leiden, wenn ich aufgeräumt bin; sie sagen und tun so närrisches Zeug, daß mir meine große Docke nicht so viel zu lachen machen kann. Ich will das schnakische Geschöpf eine Zeitlang bei mir füttern, da ohnehin meine ganze Nachbarschaft verreist ist; so habe ich ihnen doch etwas von seinen lächerlichen Bocksprüngen zu erzählen, wenn sie wiederkommen.« – Dies war die Bestallung des Philosophen, der seine eigentliche Bestimmung in diesem neuen Posten nicht wußte und darum sehr verwundert war, als man so viele Anstalten machte, ihn mit dem Anzuge und andern Dingen zu versorgen, die er brauchte, um mit Anstande in der Gesellschaft seines Patrons zu erscheinen.

      Anfangs hatte sich dieser vorgenommen, ihm eine Kleidung zu geben, die durch ihre Lächerlichkeit ihn vor den übrigen Mitgliedern seines Hofstaates auszeichnete und jedermann sogleich seinen Hofnarren darinne vermuten ließ; allein nachdem er manche lustige Stunde auf die Erfindung derselben verwandt hatte und eine possierliche Idee die andre in seinem Kopfe jagte, auch schon wirklich ein Riß dazu fertig war, der ein Original in seiner Art heißen konnte, so ließ er plötzlich den ganzen Gedanken fahren, weil er besorgte, daß seine Schwester, die sich die Miene einer Liebhaberin der Philosophie gab, es als eine Erniedrigung derselben übel aufnehmen könnte.

      Knaut


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