Im Sonnenwinkel Staffel 5 – Familienroman. Patricia Vandenberg
aber Katja nahm keine Notiz davon.
Sie hörte zwar, dass ein Auto vorfuhr, aber im gleichen Augenblick läutete das Telefon und sie nahm den Hörer ab.
Es war Jan. Er wollte wissen, ob sie schon mit ihrer Mutter gesprochen hätte. Katja erklärte ihm den Inhalt dieser Unterhaltung, und sie staunte darüber, wie unbefangen sie mit ihm sprechen konnte.
»Ich werde morgen natürlich ganz formell um deine Hand anhalten, Kleinchen«, sagte er, und seine Stimme tönte weich und zärtlich an ihr Ohr.
»Ist das denn nötig?«, fragte sie.
»Ich denke doch. Man wird es auch von mir erwarten. Übrigens hätte Vater es gern, wenn wir nicht zu lange mit der Hochzeit warten würden.«
»Du kannst den Termin bestimmen, Jan.«
»Wir werden morgen darüber sprechen. Schlaf gut, Katja. Und tausend Dank.«
»Wofür?«
»Dass du meine Frau werden willst.«
Lange klangen Katja diese Worte noch in den Ohren. Musste sie Jan nicht sagen, dass sie einmal gewünscht hatte, Heinz zu heiraten?
Fröstelnd zog sie die Schultern zusammen. Was würde er dann von ihr denken? Plötzlich erschien es ihr unerträglich, dass er sie in einem anderen Licht sehen könnte.
Sie wünschte, Heinz nie begegnet zu sein, und sie klammerte sich an den Gedanken, ihm nie wieder zu begegnen. Aber würde es sich vermeiden lassen?
*
»An deiner Stelle wäre ich doch heimgeflogen, Heinz«, sagte Liliane Hovel zu Heinz Roden.
Sie war eine rassige Frau. Die Spuren, die ein unruhevolles Leben in ihr Gesicht gezeichnet hatte, waren durch ein gekonntes Make-up fast unsichtbar gemacht.
»Um mir Moralpredigten anzuhören? Ich kenne Vater doch. Er ist zäh. Bis ich daheim bin, ist mein alter Herr schon wieder auf den Beinen, und dann legt er mich an die Kandare.«
»Aber während du weg bist, wird dein Bruder ihn einwickeln.«
»Der Spinner! Dass ich nicht lache! Ich werde Vater ein paar glänzende Aufträge präsentieren, und dann ist alles wieder okay.«
»Woher willst du die Aufträge nehmen? Vom Pokertisch?«, fragte Liliane anzüglich.
»Misch dich da nicht ein. Ich habe meine eigene Methode. Lebst du nicht sehr gut? Hast du einen Grund zur Klage?«
»Ich meine nur, dass es ratsam wäre, Gefühl zu zeigen. Wenn dein Vater nun wirklich so krank ist, dass er stirbt?«
»Und wenn schon. Er hat sein Testament gemacht, das weiß ich genau. Und bei ihm wird alles durchdacht, bevor er Entschlüsse ändert. Für Sebastians Lebensweise hat er nichts übrig. Ich sage dir doch, dass er ein Spinner ist. Keine Ahnung vom Geschäft.«
»Wie du meinst, ich habe dich gewarnt«, bemerkte sie.
»Na, dann gehen wir, Darling«, sagte Heinz Roden leichthin. »Heute ist der Dreizehnte, da habe ich bestimmt Glück.«
*
Dass heute der Dreizehnte war, wurde Katja erst bewusst, als sie die Kalenderblätter abriss. Und an diesem Tag hatte sie die Entscheidung getroffen, Jan zu heiraten. Sie war abergläubisch. Konnte das Glück bringen? Sie konnte diesen Gedanken nicht so schnell verbannen. Vieles ging ihr durch den Sinn.
War es nicht besser, wenn sie ehrlich mit Jan sprach? Er hatte doch gesagt, dass Verstehen eine gute Basis für ein gemeinsames Leben sei. Würde er dann nicht auch verstehen können, dass sie einmal in Heinz blind verliebt war?
Dann wieder sagte sie sich, dass Heinz nicht daran interessiert sein würde, ihre Beziehung ins Gespräch zu bringen. Schließlich war er derjenige, der mit verdeckten Karten gespielt hatte.
Ja, er war ein Spieler. Er konnte die Menschen mit seinem charmanten Lächeln täuschen. Er war nicht auf den ersten Blick zu durchschauen, und selbst sein Vater, der doch wahrhaft immer einen klaren Verstand gehabt hatte, ließ sich von ihm täuschen.
Grübelnd verbrachte Katja Stunde um Stunde, bis der Schlaf sie überkam. Sie schrak aus diesem empor, als sie im Vorgarten girrendes Lachen vernahm und die Stimme ihrer Mutter.
Benommen schaute sie auf die Uhr. Es war zwei Uhr nachts. Mit wem redet Mama, dachte sie. Aber sie war zu müde, um mehr Gedanken daran zu verschwenden. Sie drehte sich um und schlief weiter.
*
Katja hatte schon gefrühstückt, als ihre Mutter aufstand. Es war fast elf Uhr, als Gerlinde Reck das kleine Esszimmer betrat, und sie war noch im Negligé.
»Guten Morgen, Katja«, sagte sie gähnend. »Entschuldige, aber gestern wurde es ziemlich spät. Ich habe Herrn Rassow getroffen.«
»Hast du dich gut amüsiert?«, fragte Katja beiläufig.
»Es war recht nett.«
»Ich will dich nicht erschrecken, aber Jan wird heute kommen und um meine Hand anhalten, Mama«, erklärte Katja.
»Dann ist es also wirklich ernst?«, fragte Gerlinde Reck irritiert. »Ich verstehe das alles nicht.«
»Du wirst dich damit abfinden müssen«, äußerte Katja entschlossen.
»Ich werde mich ankleiden müssen«, seufzte ihre Mutter.
Katja lächelte. »Tu das, es ist elf Uhr vorbei.«
Gerlinde Reck legte die Hand an die Stirn.
»So reden heutzutage Kinder mit ihren Eltern«, bemerkte sie stöhnend.
»Ich bin kein Kind mehr«, widersprach Katja. »Du hast erst kürzlich gesagt, dass ich alt genug sei, um an meine Zukunft zu denken.«
Gerlinde Reck runzelte die Stirn.
»Ich dachte dabei nicht daran, dass du dich für einen anderen Mann entscheiden würdest«, sagte sie herablassend.
»Wie gut kennst du Jan, Mama?«, fragte Katja spöttisch.
Ihre Mutter rauschte hinaus. Das Negligé flatterte hinter ihr her wie eine Fahne. An der Tür drehte sie sich noch einmal um.
»Mach mich bitte nicht so überstürzt auch zur Großmutter«, murmelte sie entsagungsvoll.
Katja starrte ihr nach. Ihr Gesicht war blass geworden. Dann stieg heiße Glut in ihre Wangen.
An Kinder hatte sie noch nicht gedacht. Überhaupt nichts hatte sie gedacht. Soweit waren ihre Beziehungen zu Heinz nicht gegangen. Aber sie würde in absehbarer Zeit Jans Frau werden, und eine Heirat war mit dem Jawort auf dem Standesamt oder vor dem Traualtar nicht beendet.
Unruhig lief sie im Zimmer hin und her, und bei jedem Geräusch schrak sie zusammen. Und als es dann läutete, konnte sie sich kaum noch bewegen.
»Nun mach schon auf«, rief ihre Mutter. »Ich frisiere mich noch.«
Wie Blei schienen Katjas Füße am Boden zu kleben, als sie zur Tür ging. Aber als dann Jan vor ihr stand, wurde alles ganz leicht.
Er sah sehr verändert aus in dem dunkelgrauen Anzug mit weißem Hemd und grauweißer Krawatte. Dass es ihm nicht behaglich war, konnte man von seinem Gesicht ablesen, aber gerade dieser Ausdruck gab Katja die Fassung zurück.
»So formell, Jan?«, bemerkte sie mit einem flüchtigen Lächeln.
»Ich kann schlecht im Pullover erscheinen, wenn es um so viel geht«, gab er zurück.
Um wie viel, dachte sie, und ihr Herz begann rasend zu klopfen.
Eingefangen von seinem Blick, versuchte sie ein Lächeln. Ungemein jung und verlegen sah sie aus. Jan legte rasch seine Hand an ihre Wange, aber da erschien schon Gerlinde Reck.
Sie blieb an der Tür stehen und starrte Jan an. Dann senkte sie ihre Lider, und das Blut wich aus ihren Wangen.
Katja