Im Sonnenwinkel Staffel 5 – Familienroman. Patricia Vandenberg
den Kopf nicht in den Sand stecken. Er musste mit Liliane sprechen.
Sie geriet in Zorn. »Ich habe dir gleich gesagt, dass du heimfliegen sollst!«, warf sie ihm vor. »Was fängst du an, wenn er dich ganz vor die Tür setzt?«
»Das wird er nicht tun. Es ärgert ihn nur, dass ich so lange weg war. Du musst ihm einen Brief schreiben, dass ich krank bin, Li, schwer krank, und nicht schreiben kann.«
»Meinst du, dass es etwas nutzt?«
»Er wird sich Sorgen um mich machen. Ich kenne meinen Vater doch.«
»Dass er das Konto sperren ließ, spricht aber nicht dafür, dass er sich Sorgen macht. Wenn hinter dieser Geschichte nur nicht dieses Mädchen steckt. Sie war doch über beide Ohren in dich verliebt.«
»Katja ist viel zu stolz, um sich bloßzustellen. Wie lange ist es eigentlich her, dass das Telegramm von Sebastian kam?«
»Fast vier Wochen.«
»Tropenfieber kann lange dauern«, sagte Heinz. »Du musst schreiben, dass du mich pflegst und ich erst jetzt in der Lage bin, dir einen Brief zu diktieren. Wir müssen uns alles genau überlegen. Das Geld für die Heimreise wird er mir bestimmt anweisen, und wenn ich erst persönlich mit ihm sprechen kann, kommt alles wieder in Ordnung.«
Liliane musterte ihn kritisch.
»Du siehst wie das blühende Leben aus, mein Lieber. Er wird dir ein schweres Tropenfieber kaum abnehmen.«
»Das lass meine Sorge sein. Fangen wir gleich an mit dem Brief.«
»Und vergiss ja nicht, dass wir die Hotelrechnung auch bezahlen müssen«, sagte sie anzüglich. »Da habe ich mich in etwas eingelassen!«
»Bereust du es?«, fragte Heinz. »Hatten wir nicht eine herrliche Zeit?«
Das war nun nicht zu leugnen, aber was kam nun?
*
Die Hochzeit stand vor der Tür. Sebastian Roden hatte die ärztliche Behandlung mit wahrer Engelsgeduld über sich ergehen lassen, aber nur sein eiserner Wille wurde mit der Schwäche fertig.
Michael war gekommen, allerdings allein, doch Katja freute sich darüber.
Sie war mit Jan zum Flughafen gefahren, um ihn abzuholen.
»Wir haben uns lange nicht gesehen, Jan«, sagte Michael, »und überrascht habt ihr beiden mich auch gewaltig. Daisy tut es sehr leid, dass sie nicht mitkommen konnte, aber die Kinder sind doch noch ein bisschen zu klein, vor allem das Baby, und Tim hat Angst vor Flugzeugen.«
Er sprach ziemlich schnell, und man spürte, dass er befangen war.
»Wie lange haben wir uns eigentlich nicht gesehen?«, fragte er, als sie im Wagen saßen.
»Ich glaube, es ist jetzt sechs Jahre, her«, erwiderte Jan.
Katja stutzte, und sie war erst recht überrascht, als Michael erklärte: »Richtig. Du hieltest eine Vorlesung an der Uni. Dass meine kleine Schwester wagt, einen Wissenschaftler zu heiraten, hätte ich auch nicht gedacht.«
Wenn er jetzt nur nicht von Heinz anfängt, dachte Katja, aber Michael erwähnte ihn mit keinem Wort.
»Mit überströmender Freude wird Mama mich ja wohl nicht empfangen«, meinte er beiläufig.
»Du wirst bei uns wohnen«, sagte Jan rasch.
Michael warf Katja einen schrägen Blick zu.
»Mama dachte wohl, dass du mit Familie kommst«, bemerkte sie verlegen.
Er lachte leicht auf. Es klang bitter.
»Ich freue mich jedenfalls, euch zu sehen. Dann werde ich mal einen Anstandsbesuch bei Mama machen.«
Es ist schrecklich, dachte Katja. Wie kann einem die Mutter innerlich nur so fremd sein. Unwillkürlich musste sie wieder an die Auerbachs und Rückerts denken, an diese Harmonie.
Jedenfalls tat Gerlinde Reck so, als würde sie sich freuen, nachdem sie sich überzeugt hatte, dass Michael wirklich allein kam. Aber sie wirkte verkrampft. Neben dem hochgewachsenen, breitschultrigen Michael nahm sie sich puppenhaft aus. Man konnte fast nicht glauben, dass dies ihr Sohn war.
»Wie geht es deiner Frau und den Kindern?«, erkundigte sie sich.
»Danke, gut«, erwiderte Michael förmlich.
»Wollt ihr ständig in Kanada leben?«
»Wahrscheinlich schon, wenn sich mir nicht etwas Besseres bietet.«
Die Unterhaltung schleppte sich dahin, Jan und Katja sagten kaum etwas, und dann erklärte Gerlinde, dass Michael selbstverständlich bei ihr wohnen solle, als sie aufbrechen wollten.
»Das steht doch wohl außer Frage«, sagte sie, Katja einen spöttischen Blick zuwerfend.
Hinter ihrem Rücken zuckte Michael die Schultern. Jan erhob sich, um sich zu verabschieden. Katja begleitete ihn zur Tür.
»Da kann man wohl nichts machen«, raunte er ihr zu. »Hoffentlich geht es gut.«
Am liebsten wäre sie mit ihm gegangen. Ungestüm umarmte sie ihn. Jan war überrascht, aber er drückte sie fest an sich.
»Übermorgen bist du meine Frau, Katja«, meinte er zärtlich. »Wir werden dann viel besser über manches sprechen können.«
Er ging schnell, und sie blickte sinnend dem entschwindenden Wagen nach.
Was sollten diese Worte nur bedeuten? Warum sprach er oft in Rätseln?
*
»Was sagst du zu dieser überstürzten Heirat, Michael?«, fragte Gerlinde ihren Sohn.
»Was soll ich dazu sagen? Ich freue mich, dass Katja einen solchen Mann bekommt und nicht an Heinz klebengeblieben ist. Hast du etwas gegen Jan?«
»Er ist mir zu undurchsichtig.«
»Er trägt das Herz nicht auf der Zunge. Er ist einer der intelligentesten Männer, die mir je begegnet sind. Er hat Format und …«
»Und er verfolgt doch nur einen ganz bestimmten Zweck mit dieser Heirat«, fiel sie ihm ins Wort.
»Welchen Zweck?«, fragte Michael befremdet.
»Er weiß, dass sein Vater vernarrt ist in Katja, und nutzt es dafür aus, Heinz auszubooten.«
Katja stand in der Tür. Sie war weiß wie die Wand.
»Du hast kein Recht, so zu reden, Mama!«, stieß sie erbittert hervor.
»Meinst du etwa, dass er dich liebt?«, fragte die Mutter höhnisch. »Du wirst genauso enden wie …«
»Mama!«, unterbrach Michael seine Mutter scharf. »Beherrsche dich bitte!«
»Lass sie doch aussprechen«, rief Katja dazwischen. »Wie werde ich enden?«
»Darüber hat er wohl noch nichts erzählt«, bemerkte Gerlinde Reck schrill. »Ich wollte mir ja nicht den Mund verbrennen, aber jetzt ist Michael da, und vielleicht kann er noch verhindern, dass du blindlings in dein Unglück läufst. Es gab schon mal ein Mädchen in Jans Leben. Es starb unter mysteriösen Umständen kurz vor der Hochzeit.«
»Ich verstehe dich nicht, Mama«, sagte Michael hart. »Wir wissen, dass Tina Selbstmord beging. Sie war psychisch krank.«
»Er hat sie dazu gebracht!«, rief Gerlinde anklagend. »Bring du deine Schwester zur Vernunft, Michael!«
Um Katja drehte sich alles, aber im Unterbewusstsein lehnte sie sich gegen diese Anklagen auf.
»Mich wundert es sehr, dass du erst heute darüber sprichst«, sagte sie zu ihrer Mutter.
»Mir hättest du ja doch nicht geglaubt, aber Michael wird …«
»Ich werde gar nichts«, wurde sie von ihm wieder unterbrochen. »Es ist lange Gras über die Geschichte gewachsen, und