Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke

Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke - Rainer Maria  Rilke


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und wunderbar.

       Wie feiertägliches Geläute

       ging es durch alle Häuser groß;

       und die einst mädchenhaft Zerstreute

       war so versenkt in ihren Schooß

       und so erfüllt von jenem Einen

       und so für Tausende genug,

       daß alles schien, sie zu bescheinen,

       die wie ein Weinberg war und trug.

      Aber als hätte die Last der Fruchtgehänge

       und der Verfall der Säulen und Bogengänge

       und der Abgesang der Gesänge

       sie beschwert,

       hat die Jungfrau sich in anderen Stunden,

       wie von Größerem noch unentbunden,

       kommenden Wunden

       zugekehrt.

      Ihre Hände, die sich lautlos lösten,

       liegen leer.

       Wehe, sie gebar noch nicht den Größten.

       Und die Engel, die nicht trösten,

       stehen fremd und furchtbar um sie her.

      So hat man sie gemalt; vor allem Einer,

       der seine Sehnsucht aus der Sonne trug.

       Ihm reifte sie aus allen Rätseln reiner,

       aber im Leiden immer allgemeiner:

       sein ganzes Leben war er wie ein Weiner,

       dem sich das Weinen in die Hände schlug.

      Er ist der schönste Schleier ihrer Schmerzen,

       der sich an ihre wehen Lippen schmiegt,

       sich über ihnen fast zum Lächeln biegt –

       und von dem Licht aus sieben Engelskerzen

       wird sein Geheimnis nicht besiegt.

      Mit einem Ast, der jenem niemals glich,

       wird Gott, der Baum, auch einmal sommerlich

       verkündend werden und aus Reife rauschen;

       in einem Lande, wo die Menschen lauschen,

       wo jeder ähnlich einsam ist wie ich.

      Denn nur dem Einsamen wird offenbart,

       und vielen Einsamen der gleichen Art

       wird mehr gegeben als dem schmalen Einen.

       Denn jedem wird ein andrer Gott erscheinen,

       bis sie erkennen, nah am Weinen,

       daß durch ihr meilenweites Meinen,

       durch ihr Vernehmen und Verneinen,

       verschieden nur in hundert Seinen

       ein Gott wie eine Welle geht.

      Das ist das endlichste Gebet,

       das dann die Sehenden sich sagen:

       Die Wurzel Gott hat Frucht getragen,

       geht hin, die Glocken zu zerschlagen;

       wir kommen zu den stillern Tagen,

       in denen reif die Stunde steht.

       Die Wurzel Gott hat Frucht getragen.

       Seid ernst und seht.

      Ich kann nicht glauben, daß der kleine Tod,

       dem wir doch täglich übern Scheitel schaun,

       uns eine Sorge bleibt und eine Not.

      Ich kann nicht glauben, daß er ernsthaft droht;

       ich lebe noch, ich habe Zeit zu bauen:

       mein Blut ist länger als die Rosen rot.

      Mein Sinn ist tiefer als das witzige Spiel

       mit unsrer Furcht, darin er sich gefällt.

       Ich bin die Welt,

       aus der er irrend fiel.

      Wie er

       kreisende Mönche wandern so umher;

       man fürchtet sich vor ihrer Wiederkehr,

       man weiß nicht: ist es jedesmal derselbe,

       sinds zwei, sinds zehn, sinds tausend oder mehr?

       Man kennt nur diese fremde gelbe Hand,

       die sich ausstreckt so nackt und nah –

       da da:

       als käm sie aus dem eigenen Gewand.

      Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe?

       Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?)

       Ich bin dein Trank (wenn ich verderbe?)

       Bin dein Gewand und dein Gewerbe,

       mit mir verlierst du deinen Sinn.

      Nach mir hast du kein Haus, darin

       dich Worte, nah und warm, begrüßen.

       Es fällt von deinen müden Füßen

       die Samtsandale, die ich bin.

      Dein großer Mantel läßt dich los.

       Dein Blick, den ich mit meiner Wange

       warm, wie mit einem Pfühl, empfange,

       wird kommen, wird mich suchen, lange und

       legt beim Sonnenuntergange

       sich fremden Steinen in den Schooß.

      Was wirst du tun, Gott? Ich bin bange.

      Du bist der raunende Verrußte,

       auf allen Öfen schläfst du breit.

       Das Wissen ist nur in der Zeit.

       Du bist der dunkle Unbewußte

       von Ewigkeit zu Ewigkeit.

      Du bist der Bittende und Bange,

       der aller Dinge Sinn beschwert.

       Du bist die Silbe im Gesange,

       die immer zitternder im Zwange

       der starken Stimmen wiederkehrt.

      Du hast dich anders nie gelehrt:

      Denn du bist nicht der Schönumscharte,

       um welchen sich der Reichtum reiht.

       Du bist der Schlichte, welcher sparte.

       Du bist der Bauer mit dem Barte

       von Ewigkeit zu Ewigkeit.

      An den jungen Bruder

      Du, gestern Knabe, dem die Wirrnis kam:

       Daß sich dein Blut in Blindheit nicht vergeude.

       Du meinst nicht den Genuß, du meinst die Freude;

       du bist gebildet als ein Bräutigam,

       und deine Braut soll werden: deine Scham.

      Die große Lust hat auch nach dir Verlangen,

       und alle Arme sind auf einmal nackt.

       Auf frommen Bildern sind die bleichen Wangen

       von fremden Feuern überflackt;

       und deine Sinne sind wie viele Schlangen,

       die, von des Tones Rot umfangen,

       sich spannen in der Tamburine Takt.

      Und plötzlich bist du ganz allein gelassen

       mit deinen Händen, die dich hassen –

       und wenn dein Wille nicht ein Wunder tut:

      – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

      Aber


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