Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke

Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke - Rainer Maria  Rilke


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      Für sie ist beten immer noch: Erbauen,

       aus allen Maßen bauen, daß das Grauen

       fast wie die Größe wird und schön, –

       und: jedes Hinknien und Vertrauen

       (daß es die andern nicht beschauen)

       mit vielen goldenen und blauen

       und bunten Kuppeln überhöhn.

      Denn was sind Kirchen und sind Klöster

       in ihrem Steigen und Erstehn

       als Harfen, tönende Vertröster,

       durch die die Hände Halberlöster

       vor Königen und Jungfraun gehn.

      Und Gott befiehlt mir, daß ich schriebe:

      Den Königen sei Grausamkeit.

       Sie ist der Engel vor der Liebe,

       und ohne diesen Bogen bliebe

       mir keine Brücke in die Zeit.

      Und Gott befiehlt mir, daß ich male:

      Die Zeit ist mir mein tiefstes Weh,

       so legte ich in ihre Schale:

       das wache Weib, die Wundenmale,

       den reichen Tod (daß er sie zahle),

       der Städte bange Bacchanale,

       den Wahnsinn und die Könige.

      Und Gott befiehlt mir, daß ich baue:

      Denn König bin ich von der Zeit.

       Dir aber bin ich nur der graue

       Mitwisser deiner Einsamkeit.

       Und bin das Auge mit der Braue …

      Das über meine Schulter schaue

       von Ewigkeit zu Ewigkeit.

      Es tauchten tausend Theologen

       in deines Namens alte Nacht.

       Jungfrauen sind zu dir erwacht,

       und Jünglinge in Silber zogen

       und schimmerten in dir, du Schlacht.

      In deinen langen Bogengängen

       begegneten die Dichter sich

       und waren Könige von Klängen

       und mild und tief und meisterlich.

      Du bist die sanfte Abendstunde,

       die alle Dichter ähnlich macht;

       du drängst dich dunkel in die Munde,

       und im Gefühl von einem Funde

       umgibt ein jeder dich mit Pracht.

      Dich heben hunderttausend Harfen

       wie Schwingen aus der Schweigsamkeit.

       Und deine alten Winde warfen

       zu allen Dingen und Bedarfen

       den Hauch von deiner Herrlichkeit.

      Die Dichter haben dich verstreut

       (es ging ein Sturm durch alles Stammeln),

       ich aber will dich wieder sammeln

       in dem Gefäß, daß dich erfreut.

      Ich wanderte in vielem Winde;

       da triebst du tausendmal darin.

       Ich bringe alles was ich finde:

       als Becher brauchte dich der Blinde,

       sehr tief verbarg dich das Gesinde,

       der Bettler aber hielt dich hin;

       und manchmal war bei einem Kinde

       ein großes Stück von deinem Sinn.

      Du siehst, daß ich ein Sucher bin.

      Einer, der hinter seinen Händen

       verborgen geht und wie ein Hirt;

       (mögst du den Blick der ihn beirrt,

       den Blick der Fremden von ihm wenden).

       Einer der träumt, dich zu vollenden

       und: daß er sich vollenden wird.

      Selten ist Sonne im Sobór.

       Die Wände wachsen aus Gestalten,

       und durch die Jungfraun und die Alten

       drängt sich, wie Flügel im Entfalten,

       das goldene, das Kaiser-Tor.

      An seinem Säulenrand verlor

       die Wand sich hinter den Ikonen;

       und, die im stillen Silber wohnen,

       die Steine, steigen wie ein Chor

       und fallen wieder in die Kronen

       und schweigen schöner als zuvor.

      Und über sie, wie Nächte blau,

       von Angesichte blaß,

       schwebt, die dich freuete, die Frau:

       die Pförtnerin, der Morgentau,

       die dich umblüht wie eine Au

       und ohne Unterlaß.

      Die Kuppel ist voll deines Sohns

       und bindet rund den Bau.

      Willst du geruhen deines Throns,

       den ich in Schauern schau.

      Da trat ich als ein Pilger ein

       und fühlte voller Qual

       an meiner Stirne dich, du Stein.

       Mit Lichtern, sieben an der Zahl,

       umstellte ich dein dunkles Sein

       und sah in jedem Bilde dein

       bräunliches Muttermal.

      Da stand ich, wo die Bettler stehn,

       die schlecht und hager sind:

       aus ihrem Auf-und Niederwehn

       begriff ich dich, du Wind.

       Ich sah den Bauer, überjahrt,

       bärtig wie Joachim,

       und daraus, wie er dunkel ward,

       von lauter Ähnlichen umschart,

       empfand ich dich wie nie so zart,

       so ohne Wort geoffenbart

       in allen und in ihm.

      Du läßt der Zeit den Lauf,

       und dir ist niemals Ruh darin:

       der Bauer findet deinen Sinn

       und hebt ihn auf und wirft ihn hin

       und hebt ihn wieder auf.

      Wie der Wächter in den Weingeländen

       seine Hütte hat und wacht,

       bin ich Hütte, Herr, in deinen Händen

       und bin Nacht, o Herr, von deiner Nacht.

      Weinberg, Weide, alter Apfelgarten,

       Acker, der kein Frühjahr überschlägt,

       Feigenbaum, der auch im marmorharten

       Grunde hundert Früchte trägt:

      Duft geht aus aus deinen runden Zweigen.

       Und du fragst nicht, ob ich wachsam sei;

       furchtlos, aufgelöst in Säften, steigen

       deine Tiefen still an mir vorbei.

      Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,

       dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.

       Aber die Worte, eh jeder beginnt,

      


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