Seewölfe - Piraten der Weltmeere 58. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 58 - John  Curtis


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Faß Wasser trägt. Dann wird er ausgesetzt, und Gott soll sein Richter sein.“

      In der Kuhl herrschte schweigen. Jeder der Männer wußte, was das für den Gefangenen bedeutete. Die Chance, daß ihn irgendein Schiff fand oder er lebend das Land erreichen würde, war jedenfalls äußerst dünn.

      Niemand erhob Widerspruch. Sollte dieser Mörder und Leuteschinder ruhig eine Weile über seine Untaten nachdenken, ehe er zur Hölle fuhr!

      Hasard verschaffte sich durch Handzeichen erneut Aufmerksamkeit.

      „Zweitens habe ich beschlossen, heute nacht mit der ‚Isabella‘ zur Küste zurückzusegeln. Ich muß dafür sorgen, daß Gwen und die Kinder in Sicherheit sind, während wir uns in der Karibik befinden. Wir segeln zur Wembury Bay. Dort gibt es eine versteckte Bucht, in der wir unser Schiff verbergen können. Außerdem wird uns dort niemand suchen. Ben kennt diese Bucht.“

      Ben Brighton nickte, aber die anderen, die sich bei dem Seewolf auf dem Achterkastell befanden, blickten überrascht hoch.

      Dan trat näher an den Seewolf heran.

      „Befürchtest du etwa, daß Keymis oder Burton sich an Gwen heranmachen werden?“ fragte er, und seine Brauen zogen sich drohend zusammen.

      „Nein, Dan, ich glaube nicht, daß sie das wagen werden. Doktor Freemont hat zu mächtige Freunde bei Hof. Aber ich muß mit Freemont reden, ich muß Gwen genügend Mittel dalassen, damit sie in materieller Hinsicht völlig unabhängig ist. Ich weiß ja gar nicht, wann wir England wieder anlaufen werden. Außerdem muß Gwen erfahren, was geschehen ist – von mir erfahren, nicht durch andere. Und zum letzten: Ich weiß, das Jean Ribault und Karl von Hutten sich wieder in England befinden, ich kenne ihre Adressen. Doktor Freemont wird sich in meinem Auftrag an sie wenden. Bei ihnen und unter ihrem Schutz ist Gwen mit den Kindern sicher. Das kann und das muß ich für meine Familie tun!“

      Der alte O’Flynn, der mitgehört hatte, stelzte mit seinem Holzbein die Stufen zum Achterkastell hoch.

      „Recht so, Hasard! Wenn Doktor Freemont, Ribault und von Hutten sich um Gwen und die Kinder kümmern, dann sind sie so sicher wie in Abrahams Schoß! Aber nimm dir ein paar Leute mit, wenn du zu Gwen fährst – man kann nie wissen!“

      Der Seewolf nickte.

      „Dan und ich werden fahren. Dan wird DoktorFreemont verständigen, während ich schon zu Gwen und den Kindern reite. Mehr als zwei Mann sind zu auffällig.“

      „Recht so.“ Der alte O’Flynn nickte wieder, anschließend humpelte er auf die Kuhl zurück.

      „Ferris, nimm dir ein paar Mann, beginne damit, das Floß für den Kerl in der Vorpiek zu zimmern. Wir werden ihn aussetzen, sobald es dunkel ist!“

      Der rothaarige Hühne verschwand. Auf der Kuhl angelte er sich noch zwei Mann und verschwand mit ihnen unter Deck.

      „So wahr ich Ferris Tucker heiße und Schiffszimmermann der ‚Isabella‘ bin“, brummte er. „ich werde dafür sorgen, daß dieser Dreckskerl bis zu seiner Höllenfahrt einen nassen Hintern hat. Der soll sich wundern!“

      Ferris Tucker war sonst weder grausam noch rachsüchtig, aber auch bei ihm war das Maß endgültig voll.

      Schon ein paar Minuten später schleppte er mit Bahuti und Big Old Shane ein paar Bohlen aus dem Schiffsinneren an Deck. Gleich darauf klangen die Schläge schwerer Zimmermannsäxte über Deck.

      An diesem Nachmittag und Abend war in Plymouth die Hölle los. Der Friedensrichter Keymis, der an diesem Tag dem Tod nur ganz knapp entronnen war und das auch genau wußte, stürzte in der „Bloody Mary“ des dicken Plymson einen Whisky nach dem anderen herunter. Sein Spießgeselle Burton tat das gleiche.

      Der Kai, an dem noch vor wenigen Stunden die „Isabella VIII.“ gelegen hatte und auf dem der Seewolf samt seiner Crew hatte verhaftet und das nagelneue Schiff beschlagnahmt werden sollen, glich einem Heerlager. Die Soldaten hatten ihre Musketen zusammengestellt, die Berittenen ihre Pferde an den Pollern angebunden. Irgendein Schlaukopf hatte Holz aufgetrieben, und so flackerten auf dem Kai Feuer auf, an denen die Soldaten sich wärmten.

      Der königliche Hofbeamte war längst wieder in der Kutsche in Richtung London unterwegs, um dem Lordkanzler, Sir Battersby, Bericht zu erstatten. Keymis und Burton wußten das, und sie zitterten davor, obwohl sie ihre Schmach und Furcht hinter wüsten Beschimpfungen verbargen. Ihre Anweisung, ebenfalls in Plymouth zu verbleiben, bis man sich über die nächsten Schritte im klaren sei, hatte der königliche Hofbeamte einfach ignoriert und den beiden Verbrechern, die er längst durchschaute, auf diese Weise seine grenzenlose Verachtung ausgedrückt.

      Keymis und Burton saßen in einem Hinterzimmer der „Bloody Mary“. Ihre Sinne waren bereits umnebelt. Aber mit jedem Glas, das sie tranken, wuchs ihre Wut über die erneute Niederlage, die der Seewolf ihnen zugefügt hatte. Mehr noch: Sie waren beide vor ihm über das Kopfsteinpflaster der Pier gekrochen wie Hunde, die man gerade fürchterlich verprügelt hat. Keymis hatte sich vor Aufregung, Wut und Angst sogar in der Kutsche übergeben, in die er sich schließlich geflüchtet hatte.

      Der Friedensrichter fuhr aus seinem dumpfen Brüten hoch.

      „Wir müssen jetzt etwas unternehmen, Burton. Wir brauchen Erfolge, und zwar schnell, oder wir sind erledigt. Wir ...“

      Burton rülpste und sah Keymis aus seinen blutunterlaufenen Augen an.

      „Noch ist gar nichts verloren, Keymis. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn wir den Seewolf und seine Kerle jetzt dort vorn in Ketten auf der Pier liegen hätten. Aber so, wie die Dinge jetzt stehen, ist er der Rebellion schuldig. Ob die Krone will oder nicht, sie muß ihn jagen. Nur – um ihn zu jagen, müssen wir wissen, wohin er segeln wird. Das heißt, wir müssen herauskriegen, wo seine Frau steckt. Ich gehe jede Wette ein, daß die seine Pläne kennt.“

      Als ob seine Worte bestätigt werden sollten, erhob sich am Kai plötzlich allgemeiner Lärm. Die Soldaten waren aufgesprungen und blickten den beiden Schiffen entgegen, die soeben in den Hafen einliefen und sich anschickten, an der Pier festzumachen.

      Keymis war aufgesprungen, als der erste Böllerschuß über den Hafen dröhnte. Dann rannte er durch das Hinterzimmer, stieß die Tür zur Schankstube auf und stürzte ins Freie.

      Burton folgte ihm. Sie erkannten die beiden Schiffe sofort.

      „Die Kriegsgaleone – und da, etwas seitlich hinter ihr, die Kriegskaravelle! Der Lordadmiral hat sie also doch entsandt! Los, Burton“, stieß Keymis voller Erregung hervor. „Wir müssen sofort an Bord, sobald die Schiffe vertäut sind. Ich muß mit dem Kommandanten dieses Geschwaders reden, ihm meine Instruktionen geben!“

      Seine Rechte glitt in eine der Taschen seiner Jacke. Die Legitimation, aus der er seine Vollmachten bezog, war noch da. Er überlegte einen Moment.

      „Plymson!“ schrie er dann. „Plymson, du verfluchter Fettwanst, sofort her mit dir!“

      Der Wirt hörte das Geschrei, und ihm schwante nichts Gutes. Er sollte recht behalten.

      Plymson hastete heran. Er fürchtete Keymis, trotz der Demütigung, die der Friedensrichter in den vergangenen Stunden durch den Seewolf erlitten hatte. Aber den Seewolf uns seine Männer fürchtete der Schankwirt noch weit mehr Er hatte da so seine persönlichen Erfahrungen mit den Seewölfen hinter sich und nie auch nur eine Sekunde lang daran geglaubt, daß aus der Verhaftungsaktion etwas werden könnte.

      „Sir, Sie wünschen?“ fragte er und vollführte dabei einen Bückling, der ihm trotz seiner Körperfülle hervorragend gelang. Gleichzeitig angelte er nach seiner speckigen Perücke, die ihm schon wieder vom Schädel zu rutschen drohte.

      „Schaff mir Pete Bow herbei!“ blaffte der Friedensrichter ihn an. „Sofort! Ich will den Kerl noch einmal befragen. Er muß etwas über den Aufenthalt dieses Rebellenweibsbilds herausgefunden haben. Durch meinen überraschenden Aufbruch nach London hatte ich noch nicht genügend Zeit, mich mit diesem Bow zu befassen. Wenn er nicht innerhalb der nächsten Stunde hier auftaucht, dann ergeht es dir schlecht. Verstanden?“


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