Seewölfe - Piraten der Weltmeere 58. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 58 - John  Curtis


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war und dort auch die Nacht verbracht hatte. Nur wußte auch Bow nicht, wo. Ebensowenig hatte er herauskriegen können, ob der Seewolf überhaupt bei seiner Frau oder bei jemand ganz anderem gewesen war.

      Und jetzt war Pete Bow nicht erreichbar, weil er nach seinem verschwundenen Bruder suchte, den die Seewölfe entweder umgebracht hatten oder noch gefangenhielten.

      „Sir – in einer Stunde, ich fürchte, das – das wird leider nicht möglich sein. Mister Bow stellt zur Zeit Nachforschungen nach seinem verschollenen Bruder an, ich weiß nicht, wo er sich im Moment aufhält, ich ...“

      „Es ist mir völlig gleichgültig, wo du ihn findest und wie du ihn herbeischaffst!“ schnarrte der Friedensrichter. „Sobald ich mit dem Geschwaderkommandanten der beiden Schiffe dort gesprochen habe, will ich ihn sehen, oder ...“

      „Sir, ich hätte da noch einen anderen Vorschlag, ich meine, wir sollten ganz unabhängig von Mister Bow in Bere Ferrers ...“ Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern, das kaum noch der unmittelbar neben Keymis stehende Burton verstand.

      Keymis hörte ihm aufmerksam zu. Hin und wieder zuckte sein Ziegenbart. Dann sah er den dicken Plymson nachdenklich an.

      „Du bist gar nicht so dumm“, sagte er. „Also los, besorge ein paar Männer, aber solche, die ihr Handwerk verstehen, klar? Und diesen Pete Bow will ich trotzdem sprechen!“

      Plymson zog sich dienernd zurück. Weder Keymis noch Burton ahnten, daß er über alles, was gerade besprochen worden war, längst seine eigenen Vorstellungen hatte. Das, was unlängst da vorn auf dem Kai passiert war und die erbärmliche Rolle, die Keymis und Burton dabei gespielt hatten, hatten ihn auf ein paar Ideen gebracht.

      Burton und Keymis verließen die „Bloody Mary“. Sie stolzierten zum Hafen hinüber, wo sich die beiden Schiffe eben anschickten, am Kai festzumachen.

      2.

      Die „Isabella VIII.“ hatte beigedreht. Carberry und Blacky hatten die dicke Bohlentür zur Vorpiek geöffnet.

      Ray Bow zuckte zurück, als er die beiden sah, deren Gesichter nichts Gutes verhießen. Seine Ketten klirrten, seine tiefliegenden Augen schienen im Schein der blakenden Öllaterne zu glühen.

      Der Profos hielt sich nicht mit langen Vorreden auf.

      „Los, her mit dir!“ fuhr er den Hageren an. Dabei hatte er schon den Schlüssel für die Hand- und Fußfesseln aus einer der Taschen seiner Jacke geangelt.

      Ray Bow war bis zur Wand zurückgewichen.

      „Was wollt ihr, ich verlange ...“

      Blacky sprang vor und wischte den viel schwereren Profos mit einer einzigen Bewegung seines rechten Armes zur Seite.

      „Du verlangst?“ brüllte er. „Was verlangst du? Daß ich dir jetzt gleich den Strick um den Hals lege und dich hochziehe? Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gern ich dir diesen Wunsch erfüllen würde!“

      Er packte den Hageren und zog ihn zu sich heran.

      „Damit du es weißt, unsere Geduld mit Mördern und Taugenichtsen, wie du einer bist, ist zu Ende. Gelichter von deiner Sorte wird zertreten wie eine Kakerlake, die sich zu weit vorgewagt hat. Wir hatten bisher nur leider noch keine Zeit, uns um dich zu kümmern.“

      Er zerrte den Mann zu Carberry hinüber, und weidete sich dabei an der Todesangst, die den Hageren befiel, denn er hatte Blackys Worte durchaus für bare Münze genommen.

      Der Profos schloß die Fesseln auf. Als auch die Beine frei waren, zog er eine Pistole aus dem Gürtel und spannte den Hahn.

      „Vorwärts. Bei der ersten Bewegung, die mir nicht gefällt, schieße ich!“

      Carberry und Blacky trieben den Hageren von der Back zum Hauptdeck und von dort zur Kuhl. Dort hatte sich die Mannschaft bereits versammelt. Finstere, verschlossene Gesichter blickten Ray Bow entgegen.

      Der Hagere taumelte unter einem Stoß Blackys. Dann befand er sich auch schon in dem Kreis der Männer, der sich vor ihm, Blacky und Carberry geöffnet hatte, sich aber sofort wieder schloß.

      Der Seewolf trat auf den Hageren zu. Seine eisblauen Augen blickten erbarmungslos.

      „Du bist des versuchten Mordes und des vollendeten Diebstahls in zwei Fällen am Eigentum dieser Männer hier überführt. Wir könnten dich hängen, denn das wäre die Strafe, die auf diese Verbrechen steht.“

      Hasard legte eine kleine Pause ein. Ihm war nicht entgangen, daß der Hagere bei seinen letzten Worten aufgeatmet hatte, und der Seewolf verpaßte ihm sofort einen gehörigen Dämpfer.

      „Du freust dich zu früh. Ungesühnt bleiben diese Verbrechen nicht. Darum haben wir beschlossen, dich auszubooten. Jetzt und hier. Du erhältst ein Floß, etwas Wasser, etwas Proviant. Gott sei dir gnädig!“

      Der Hagere war bei den letzten Worten des Seewolfs zurückgefahren. Sein Gesicht wurde kreidebleich.

      „Nein – das könnt ihr nicht tun – das ...“

      Hasard reagierte auf sein Gestammel nicht.

      „Du und dein Bruder, ihr habt auch nie danach gefragt, was eure Opfer empfanden. Wir lassen dich nur frei, weil wir uns an dir nicht die Finger beschmutzen wollen. Profos, walte deines Amtes.“

      Carberry trat auf den Verurteilten zu.

      „Vorwärts!“ befahl er. „Keine Faxen, du Bastard, oder ich werfe dich über Bord!“

      Der Kreis der Seeleute öffnete sich. Carberry trieb den Hageren zum Hauptdeck hinunter und dann zum Steuerbordschanzkleid hinüber.

      Er deutete auf ein Tau, das am Schanzkleid befestigt worden war.

      „Da ’runter mit dir, und ein bißchen plötzlich! Und sag deinem sauberen Bruder, falls du ihn je wiedersehen solltest: Wen wir von euch das nächstemal an Bord unseres Schiffes erwischen, den knüpfen wir auf. Sofort und ohne jede Verhandlung!“

      Er verpaßte dem Hageren einen derben Tritt in den Hintern, der ihn ans Schanzkleid katapultierte.

      Ray Bow begriff, daß er von dieser Crew keinen Pardon zu erwarten hatte. Er enterte über das Schanzkleid, hielt sich dort aber noch einen Augenblick fest.

      „Ihr denkt, ihr bringt mich um!“ schrie er in die Dunkelheit hinein, die sich inzwischen über das Schiff gelegt hatte. „Aber ihr hättet mich aufhängen sollen. Ich werde leben, und ich werde euch wieder begegnen, und dann rechne ich mit euch ab, wenn euch bis dahin nicht die beiden Kriegsschiffe erwischt haben, die Keymis und Burton euch auf den Hals gehetzt haben! Ich werde euch hängen sehen, euch alle, einen nach dem anderen, denn ihr seid Rebellen, dreckige Piraten, vogelfrei für jedermann!“

      Carberry stieß einen Wutschrei aus, aber noch schneller war Blacky. Er hechtete auf das Schanzkleid zu und wollte den Hageren packen, aber der war bereits weg.

      In seiner Wut zerrte Blacky wie ein Wahnsinniger an dem Tau und versuchte, den daranhängenden Ray Bow wieder hochzuziehen, aber Hasard gebot ihm Einhalt.

      „Ferris, kapp das Tau!“ wies er den Schiffszimmermann an.

      Der rothaarige Hüne holte aus. Die scharfe Schneide seiner Axt durchtrennte das Tau beim ersten Hieb.

      Ein lauter Fluch ertönte, dem das Geräusch eines ins Wasser klatschendes Körpers folgte.

      Blacky beugte sich über das Schanzkleid. Er sah das abtreibende Floß und den Hageren, der sich daran festklammerte und versuchte, sich hinaufzuziehen.

      „Gut so!“ brüllte Blacky, immer noch tobend vor Wut, „mit einem nassen Arsch wirst du an der Floßfahrt auch viel mehr Freude haben, du Dreckskerl! Grüß den Teufel von mir, wenn dich die Fische gefressen haben. Hoffentlich weißt du, daß es vor Cornwalls Küsten Haie gibt ...“

      Abermals tönten wüste Beschimpfungen herauf, aber Hasard bereitete dem Ganzen ein Ende.


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