Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl

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in die finstere Nacht hinausgefahren. An der Thür ist die alte Lies gestanden, und ein Soldat hat ihr das Maul zugehalten, damit sie nit schreien sollte.

      Die ganze Nacht sind wir in einem fort gefahren, ich hab an mein Enkelkind denken müssen, und war mir so schwer in meinem Herzen. Am andern Morgen aber hab ich auch gesehen, daß es gen Neuburg geht.

      Den Weg hab ich vordem schon oft gemacht gehabt. Aber so sauer und so weit ist er mir noch niemalen vorkommen, als damalen in der heißen Zeit. Tag und Nacht sind wir in einem fort gefahren, bis zuletzt die Neuburger Türme sichtbar geworden sind. Ist ein trübselig Ding, wenn einer mit traurigen Gedanken so ganz allein sein muß.

      Zuletzt, vor sieben Jahren, bin ich auch in Neuburg gewest, dazumal, wo wir dem Jörgen sein schönes Weib, die Mannlichin, von Augsburg heimgeholt haben. Und in Neuburg hab ich dem Herrn Herzog aufgewartet, weil er mich zu ihm befohlen hat, und ward gar sehr geehret.

      Jetzt bin ich dieselbige Straßen gefahren auf dem Karren, und das Volk ist zusammengeloffen und haben den Missethäter angeschaut, und hab ich auch zuweilen meinen Namen hören müssen, dieweil den Richter von Hohendreß gar viele von den Hofdienern gekannt haben.

      Da bin ich froh gewest, wie sie mich haben vor dem Turm absteigen lassen.

      Hoch hinauf hab ich steigen müssen und wär nimmer allein hinaufgekommen, wenn mir die Soldaten nit geholfen hätten. War ganz krankmütig. Zuletzt hat der Büttel eine Stuben aufgesperrt und mich hineingehen geheißen. Da war ich also im Gefängnus.

      Wie ich allein war, hab ich mich auf das Bett hingesetzt und über mein Unglück nachgedacht. Da sind mir allerhand Bibelvers durch den Kopf gangen, und hat mich fast gewundert, wie viele auf mich just grad gepasset haben, als wären sie für mich geschrieben. Vornehmlich aber ist mir der Spruch nimmer aus dem Sinn gekommen, wo's heißt: »Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet.«

      Mit der Zeit ist's Abend worden, und in der Stadt drunten haben's die Lichtlein anzunden.

      Auch mir hat der Büttel ein Licht gebracht benebst der Speis. Aber ich hab keinen Bissen essen können, aber gar großen Durst hab ich gehabt, und der Wasserkrug ist bald leer gewest. Und mein Kopf war so schwer, und bald war mir's heiß, bald war mir's kalt, und hab mich letztlich zur Ruhe gelegt.

      In der Nacht bin ich von bösen Träumen heimgesuchet worden, hab den Vizekanzler mit den Soldaten bei dem brinnenden Holzstoß gesehen, die haben mit den Hacken unter die Bücher gestiert, und ich stand neben ihnen und warf mein Bibelbuch in das Feuer.

      Dann bin ich aufgewacht und hab nit gewußt, wo ich bin, und hernach bin ich wieder in Schlaf verfallen und wieder von meinem Seufzen erwecket worden. Ist eine greuliche Nacht gewesen.

      Gegen Morgen hab ich fester geschlafen. Da wach ich auf, weil sich etwas in der Stuben geregt hat, und seh gerad, wie durch die Thür eine große, schwarze Mannsgestalt kommt, die hat das Habit von denen Jesuitern an, ich hab's wohl gekennt.

      Der Jesuiter schaut auf mich herüber, und ich sehe, daß er ein arges Gesicht hat, hager, mit einer großen, krummen Nasen und ganz kohlschwarzen Augen.

      Der Jesuiter sagt kein Wort, nimmt ein Büchl aus seinem Ordenskleide und legt es schweigsam auf die Bank am Fenster. Hernach geht er fort, wie er gekommen war.

      Jetzt hab ich mich zum Aufstehen bereitet. Das ist mir aber gar sauer geworden, nur mit Not hab ich mich erheben können. Da hab ich an eine schwere Krankheit denken müssen.

      Dann hab ich mich auf die Bank gesetzt und nach dem Büchel gegriffen, so der Schwarze dagelassen. Das war nit groß, aber vorn auf der ersten Seiten stund geschrieben, daß es der Catechismus Petri Canisii wär.

      Da hat's mir gegraut im Herzen und hab an die Zeit denken müssen, wo der Herr Herzog hat im Land ausschreien lassen, wie daß er durch dem Canisius seine Schrift wieder zum alten katholischen Glauben gekommen wär. Ich hab das Büchlein niemalen gesehen gehabt und wollt's auch jetzt nit lesen; denn es ist mir gewesen, als ob die schwarzen Buchstaben lebendig wären und wollten mir wie böse Tierlein durch die Augen in den Kopf.

      Gar sehr langsam ist mir die Zeit hingangen. Ausgenommen den schweigsamen Büttel hab ich keinen Menschen zu schauen gekriegt. Hab auch schon gegen die Mittagszeit mein Lager aufgesucht, weil mir's gar elend zu Mute war.

      Die Nacht ist noch böser gewest als die vorige, und wie ich am andern Morgen aufwach, sitzt der Schwarze mit der Habichtsnasen an meinem Bett und schaut mit seinen Stechaugen unverwandt auf mich her. Ich auf ihn. Hernach fragt er: »Habt Ihr das heilsame Büchlein des Petri Canisii schon gelesen?«

      Ich: »Nein, denn ich bin ein Protestant und wollt mir solches nit geziemen.«

      Er: »Grade deswegen. Es wär recht gut für Eure Seel, wenn Ihr's recht bald thätet, ehe daß es zu spät ist.«

      Damit ist er aus der Thür gangen, ganz leise.

      Ich aber konnte heut nit aufstehen, habe den ganzen Tag an die weiße Decken hinaufgeschaut und immer an den kleinen Hans denken müssen. Gegen den Abend habe ich den Kerkermeister gebeten, er solle mir einen Physikus holen, ich wär krank. Antwortet er, er wollt's besorgen.

      Hat nit lang gewähret, so ist der Jesuiter zur Thür hereinkommen. Hat mich gefragt, ob ich den Canisius gelesen hätt. Sag ich: »Nein, denn ich bin krank.« Sagt er, daß der Canisius die beste Arzenei wär für alle Krankheiten, so von der Seel ausgehen. Und solchen Ursprung hätt auch meine Krankheit, die käm nur von meiner Herzenshärtigkeit. Hernach sagte er: »Weil Ihr also den Canisius nicht selber lesen wollt, so muß ich Euch wohl Unterweisung geben. Denn eher kommt Ihr nimmer aus dem Turm, bis Ihr Euren Unglauben abgeschworen habt.«

      Ich: »Das werde ich niemalen thun.«

      Da hat er zum erstenmal gelacht und gesagt, das verstehe ich nicht und werde schon noch anders davon denken. Wenn ein erleuchter Fürst sein Bekenntnis ändert, hernach werden's wohl auch die Unterthanen thun können.

      Jetzt hub er an und sprache viel über die katholische Religion, wie daß die seie die alleinseligmachende. Ich hab mit meinem müden Kopf nichts behalten können.

      Auf einmal hat er gefragt, wie alt mein Hans wär. Bin ich erschrocken, daß er von dem was wüßt, und sag: »Acht Jahr.« Da lacht er wieder verstohlens und steht auf. Bevor er hinausgangen ist, hat er mir ein Tränklein gemischt und gesagt, daß mir das helfen thäte. Ich hab's zu mir genommen, und ist mir besser worden.

      Aber die ganze Nacht hab ich an meinen Hans denken müssen, warum wohl der Schwarze so gefragt hätt. Konnt mir's nit beantworten.

      Am andern Morgen ist der Pater wieder an meinem Bett gesessen und hat gefragt, ob ich mich besonnen hätt.

      Ich: »Nein.«

      Nunmehr ist er mit seinen Unterweisungen fortgefahren und hat lange gesprochen. Ganz zuletzt hab ich ihn gefragt, was er wohl mit meinem Enkelkind gemeint hätt, wo denn das wäre. Da hat er gelacht: »Beim Pater Strobel ist's in der Unterweisung. Der hat mir auch geschrieben, daß es gute Talenta habe.«

      Da erschreck ich bis in den Tod. Denn ich hab's ja wohl gewußt, daß der Pater Strobel der Jesuit in Hohendreß ist. Der Schwarze aber hat mich fest angeschaut und gesagt: »Ja, Herr Richter, da wird sich gar viel verändern bis Ihr wieder heimkommt. Jetzt hat man den Prozeß gegen Euch angefangen von wegen Eurer Widersetzlichkeit gegen den Kommissar. Da wird's wohl so kommen, daß Ihr etliche Jahr im Kerker gehalten werdet. Und wenn Ihr hernach wieder herauskommt, dann ist Euer Hans ein gar stattlicher Bub und wohl befestiget in der katholischen Lehr.«

      Da hab ich meine Augen zugemacht und hab nichts mehr sehen wollen von der Bosheit an meinem Lager. Der Jesuit aber ist aufgestanden und gangen.

      Bis dahin hab ich's im Gedächtnis behalten, was an jedem Tag geschehen ist. Von da an aber kommt's mir durcheinander, weil die Krankheit wieder ärger worden ist und das Fieber, und draußen hat jeden Tag die Sonne gar heiß gescheinet. Immer am Morgen ist der Pater an meinem Lager gesessen, hat ruhig geredt, immer das nämliche. Zuweilen hat er mir auch eine Medizin geben, und da ist mir's hernach immer besser worden. Und wenn ich hab denken können, dann hab ich


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