Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman - Toni Waidacher


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ist sie denn jetzt?« fragte er.

      »Ich hab’ sie im Gästezimmer untergebracht«, erklärte die Haushälterin. »Stellen S’ sich vor, den ganzen Weg von Regensburg bis hierher ist sie zu Fuß gegangen.«

      Blasius Eggensteiner runzelte die Stirn.

      »Was will sie denn hier?« erkundigte er sich.

      »Schwester Klara ist im Auftrage der Mutter Oberin ihres Ordens unterwegs, um Spenden für ein Hilfsprojekt zu sammeln.«

      »Was, und da kommt sie hierher?« Der Geistliche schüttelte den Kopf. Merkwürdige Ideen hatten diese Nonnen.

      »Von uns kann sie jedenfalls nix bekommen«, meinte er. »Wir haben selbst kaum genug, um die Armen zu unterstützen.«

      Das stimmte zwar nicht ganz, denn allein die Kollekte der Heiligen Messe am Sonntag zeigte, wie großzügig die Engelsbacher waren. Aber Pfarrer Eggensteiner war von jeher sparsam gewesen, um nicht zu sagen, knauserig, und hielt sich mit milden Gaben eher zurück.

      Vor allem, wenn jemand aus einer fremden Gemeinde darum bat, und Regensburg lag ja nun wirklich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft.

      »Wir können essen«, erklärte Hermine Wollschläger. »Ich sag’ der Schwester Bescheid.«

      Blasius nickte brummig und ging in die Küche. Auf dem Tisch stand eine große Schüssel mit Salat. Alleine bei dem Gedanken an die saure Sauce, die seine Haushälterin sicher wieder zubereitet hatte, schüttelte es ihn.

      Außer Salat schien es nichts weiter zu geben.

      Nur gut, daß er schon gegessen hatte!

      Der Geistliche drehte sich um, als er hinter sich die Tür gehen hörte. Die Nonne stand hinter ihm und lächelte ihn an.

      »Gelobt sei Jesus Christus«, sagte sie.

      »In Ewigkeit, Amen«, nickte der Pfarrer.

      Sie reichte ihm die Hand.

      »Ich bin Schwester Klara. Meinen herzlichen Dank für die Gastfreundschaft, die ich in Ihrem Haus genießen darf.«

      »Es ist das Haus uns’res Herrn«, entgegnete Blasius Eggensteiner, »in dem jeder willkommen ist. Nehmen S’ Platz, Schwester.«

      Hermine Wollschläger holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und schenkte ein.

      »Vielleicht möchte unser Gast ja das Tischgebet sprechen«, sagte sie dabei.

      Ein eisiger Schreck durchfuhr die Frau, die sich Schwester Klara nannte.

      Auch das noch, dachte sie, ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal gebetet habe…

      Doch dann erinnerte sie sich an das Tischgebet, das immer in dem Heim aufgesagt wurde, in dem sie aufgewachsen war.

      Sie faltete die Hände und murmelte hastig: »Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast.«

      »Amen«, tönte Blasius Eggensteiners Stimme laut durch die Küche.

      Er nahm die Salatschüssel und reichte sie der Nonne. Dabei glaubte er, einen erstaunten Ausdruck in ihren Augen zu sehen. Offenbar war sie von dem Mittagessen genauso wenig begeistert wie er…

      Der Geistliche nahm selbst kaum etwas von dem Grünzeug, wie er das Gemisch aus Löwenzahn-, Brennessel- und Kopfsalatblättern insgeheim verächtlich nannte. Hermine Wollschlägers argwöhnische Blicke ignorierte er.

      »Haben S’ keinen Appetit?« erkundigte sich die Haushälterin auch prompt. »Sind S’ vielleicht krank?«

      »Nein, krank bin ich net«, gab er zurück. »Bloß Hunger hab’ ich keinen.«

      Hermine verdächtigte ihren Pfarrer schon lange, daß er sich, entgegen ihren Diätplänen, woanders den Bauch vollschlug. Aber bisher war es noch nicht gelungen, Beweise dafür zu finden. Aber sie vermutete stark, daß Hochwürden nicht immer nur Krankenbesuche machte oder dienstlich unterwegs war, wenn er das Pfarrhaus verließ…

      Trotzdem sagte sie jetzt nichts weiter, ermunterte aber die Nonne, tüchtig zuzugreifen.

      Die allerdings aß auch kaum etwas und entschuldigte sich mit dem belegten Brot, daß Hermine ihr gemacht hatte.

      »Dann können wir ja in mein Arbeitszimmer gehen und über Ihren Besuch sprechen«, sagte Pfarrer Eggensteiner und schob seinen Stuhl zurück.

      Schwester Klara nickte und stand ebenfalls auf. Hermine Wollschläger blieb mit der noch fast vollen Salatschüssel alleine zurück.

      *

      Wie gewöhnlich kam Max zum Essen ins Pfarrhaus. Der Bruder des Bergpfarrers, der als Polizist in St. Johann für Ruhe und Ordnung sorgte, staunte nicht weniger, als Sebastian am Morgen, als er die Geschichte der jungen Frau hörte, die mit am Mittagstisch saß.

      »Ich kann ja mal schau’n, ob ich im Zentralcomputer herausfinden kann, wo Tobias Starnmoser geboren ist«, bot er an.

      »Eine gute Idee«, nickte der Geistliche. »Und ich werd’ mit Pfarrer Eggensteiner sprechen. Wenn der Verstorbene in Engelsbach begraben ist, steht’s auf jeden Fall im Kirchenbuch von St. Anna.«

      Sophie Tappert hatte einen Gulasch gekocht, zu dem sie Kartoffelknödel und Salat servierte. Carla wunderte sich, als sie sah, welche Mengen Max Trenker davon verdrückte. Dabei sah der Polizeibeamte schlank und rank aus.

      Sie ahnte natürlich nicht, daß Max den Kochkünsten der Haushälterin verfallen war. Als alle anderen schon ihre Bestecke beiseite legten, um noch Platz für den Nachtisch zu lassen, langte er noch einmal ordentlich zu.

      Nach dem Mittagessen fuhren Sebastian und die Arzthelferin los. Es war doch ein herrlicher Sommertag geworden, obwohl es am Morgen nicht danach ausgesehen hatte. Leicht bekleidet spazierten die Urlauber durch den Ort, und als sie am Hotel vorbeikamen, konnten sie sehen, daß der Kaffeegarten regen Zulauf hatte.

      »Es ist wirklich sehr schön hier«, sagte Carla. »Schade, daß ich das nicht alles schon viel eher kennengelernt hab’.«

      Der Geistliche ahnte, was sie damit ausdrücken wollte.

      »Ich glaub’, Ihre Mutter hat absichtlich nie etwas über ihre Vergangenheit erzählt«, meinte er. »Nicht, weil sie sich dafür geschämt hätte, sondern vielmehr, um Ihnen, Carla, net die Kindheit zu nehmen, die Sie gehabt haben. Aus dem Brief geht eindeutig hervor, daß Ihre Mutter Sie beschützen wollte.«

      »Das versteh’ ich natürlich«, antwortete die junge Frau. »Und jetzt, wo ich weiß, daß Kurt Brinkmann nicht mein leiblicher Vater ist, weiß ich es um so mehr zu schätzen, was er alles für meine Mutter und mich getan hat.«

      Sie lächelte versonnen.

      »Besonders für mich«, setzte sie hinzu. »Er hat mich wirklich net einmal spüren lassen, daß er mich nur adoptiert hat. Er war wirklich der beste Vater, den man sich wünschen konnte.«

      Sie hatten längst das Dorf hinter sich gelassen und waren eine schmale Bergstraße hinaufgefahren. Auf den Wiesen standen Kühe und Ziegen, die sich an den saftigen Gräsern, Wildblumen und würzigen Kräutern labten. Darüber wuchsen schroffe Felsen in den Himmel.

      Ja, sie war wirklich schön, die Heimat ihrer Eltern!

      »Gleich sind wir da«, sagte der Bergpfarrer und deutete auf den Hof, der in einiger Entfernung schon zu sehen war.

      Carla schaute nach vorne, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Auch wenn sie wußte, daß sie dort niemanden aus ihrer Familie mehr antreffen würde, so war es doch ein merkwürdiges Gefühl, das sie beschlich.

      Pfarrer Trenker fuhr auf den Hof und parkte seinen Wagen neben der großen Scheune. Daneben standen der Kuhstall und ein Schuppen. Rechts lag das Bauernhaus.

      Sie stiegen aus, und ein Hund kam schwanzwedelnd auf sie zugelaufen.

      »Na, Harras, paßt’ schön auf, daß dir niemand deinen Knochen stiehlt?«


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