Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher
in St. Johann befinden sollte, was aber net stimmt, wie sich herausgestellt hat. Jetzt sucht sie es überall im Wachnertal.«
Florian dachte an Carla, wie sie im Kaffeegarten des Hotels saß, an dieses hübsche Gesicht, das ihn nicht mehr losließ, seit er es gesehen hatte.
Die Arme, dachte er, es muß ein furchtbarer Schock für sie gewesen sein. Wenn er doch nur mit ihr reden könnte!
Eigentlich könnte er ja…, wenn da nicht Annette wäre, die auf ihn wartete.
Ob er die Verabredung absagen sollte?
Natürlich konnte er sich vorstellen, wie sie darauf reagierte. Begeistert würde sie ganz gewiß nicht sein.
Trotzdem – Florian wollte nicht warten, bis Carla Brinkmann am Samstagnachmittag zum Kaffee herkam. Noch heute abend wollte er sie sehen und ihr versichern, daß er sie bei ihren Bemühungen, das Grab ihres Vaters zu finden, unterstützen würde.
Er hatte es plötzlich sehr eilig, sein Abendbrot zu beenden. In der Pension Stubler wohne Carla, hatte seine Mutter gesagt.
Florian schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
»Ich muß noch mal weg«, sagte er.
»Triffst’ dich wieder mit der Annette?« fragte seine Mutter.
Der Bauernsohn schüttelte den Kopf.
»Nein, es handelt sich um was and’res«, erwiderte er kurz und war auch schon aus der Tür.
Die Bäuerin sah ihren Mann an.
»Glaubst’ ihm das?«
Josef Wagner hatte sich inzwischen in die Zeitung vertieft, die zu lesen er noch nicht die Zeit gehabt hatte. Er wußte, daß seine Frau über die Beziehung Florians zu der Bedienung aus dem Hotel nicht besonders glücklich war. Resl schwebte ein Madl von einem Hof als Schwiegertochter vor. Wenn dann vielleicht sogar noch eine schöne Mitgift ins Haus kam, um so besser!
»Weiß ich net«, antwortete er auf die Frage seiner Frau. »Aber sag’ mal, was hast denn eigentlich gegen die Annette?«
»Frag’ doch net«, erwiderte Resl. »Du weißt doch genau, daß das keine Frau für Florian ist. Auf den Hof gehört eine Bäuerin, eine, die etwas von der Landwirtschaft versteht, und net jemand, der Bier, Kaffee und Kuchen serviert.«
»Also, jetzt bist’ aber ungerecht«, tadelte ihr Mann. »Serviererin ist doch ein ehrenwerter Beruf. Außerdem ist der Florian längst volljährig und kann sich selbst aussuchen, wen er einmal heiraten wird.«
Wohl weil er selbst in seiner Jugend nichts hatte anbrennen lassen, zeigte sich der Wagnerbauer seinem Sohn gegenüber nachsichtig. Und mit der hübschen Annette Hamberger würde Florian wahrlich gar keine schlechte Wahl treffen.
Seine Frau sagte nichts weiter, aber sie dachte kummervoll, daß Josef leider recht hatte; Florian konnte sich wirklich aussuchen, welche Frau einmal Bäuerin auf dem Hornbacherhof werden sollte. Und genau das war ihr ganzer Kummer.
Wenn es am Samstagabend zum Tanzen ging, dann saß Resl Wagner oft an ihrem Tisch und ließ den Blick schweifen. Es gab so viele hübsche Madln im Wachnertal, und das eine oder andere stammte von einem Hof, dessen Besitzer als reich galt. So eine Braut, die wünschte sie sich für ihren Sohn. Aber leider hatte der ja seinen eigenen Kopf.
Seufzend machte sie sich daran, den Tisch abzuräumen.
Dabei dachte sie daran, was für einen Schrecken sie bekommen hatte, als Pfarrer Trenker mit Carla Brinkmann hergekommen war, und sie sich das Bild angeschaut hatten. Im ersten Moment glaubte sie wirklich, Florian würde die junge Frau kennen und noch mehr Interesse an ihr haben als an Annette Hamberger. Vermutlich hatte die noch weniger, als die Serviererin in eine Ehe mit einbringen konnte.
Das fehlte gerade noch, daß ihr Sohn sich in diese Frau verliebte!
*
Florian war erst ins Wohnzimmer gegangen und hatte im Hotel angerufen. Es dauerte eine Weile, bis die Kollegin an der Rezeption Annette ans Telefon geholt hatte. In der Zwischenzeit klopfte sein Herz heftig, weil Florian sich bewußt war, daß er jetzt lügen würde.
»Tut mir leid«, sprach er hastig, nachdem Annette sich gemeldet hatte, »mir ist was dazwischen gekommen; wir können uns heut’ abend net seh’n.«
»Ach, Flori’, das ist aber schade!« vernahm er ihre enttäuschte Stimme. »Was gibt’s denn so Dringendes?«
Genau diese Frage hatte er befürchtet.
»Ich muß halt was erledigen«, wich er einer direkten Antwort aus und hoffte, sie würde sich damit zufrieden geben.
»Na gut, da kann man nix machen«, hörte er zu seiner Erleichterung Annette sagen. »Aber morgen…?«
»Mal seh’n«, sagte Florian schnell. »Ich rufe dich an.«
Dann legte er auf und lief die Treppe hinauf ins Bad.
Nachdem er sich geduscht und umgezogen hatte, fuhr er nach St. Johann.
Carla, Carla Brinkmann!
Was für ein schöner Name, dachte er, paßt irgendwie zu ihr.
Er konnte es gar nicht erwarten, vor ihr zu stehen. Doch was er dann sagen würde, wußte er eigentlich gar nicht.
»Ich bin der Florian Wagner«, murmelte er vor sich hin. »Der Sohn vom Wagnerbauern. Meine Großeltern haben den Hof von Ihren Großeltern gekauft. Ich hab’ Sie gestern schon im Kaffeegarten geseh’n und mich auf der Stelle in Sie verliebt…«
Er brach ab, schüttelte den Kopf.
»So’n Quatsch!«
Natürlich würde er ihr nicht sagen, daß er sein Herz an sie verloren hatte, denn mit Carla Brinkmann, das spürte Florian, war es etwas anderes als mit den Madln, die er sonst betörte.
Vielleicht, überlegte er, vielleicht hatte alles so kommen müssen; daß sie erst jetzt erfahren hatte, woher ihre Mutter stammte und wer ihr Vater war. Damit sie herkam und ihn, Florian, kennenlernte…
Es muß ein Wink des Schicksals sein, davon war er überzeugt.
Als er am Hotel vorbeifuhr, hoffte er inständig, daß Annette nicht ausgerechnet jetzt aus dem Fenster schaute und ihn sah. Schnell fuhr er um die Kurve und bog in die Straße ein, in der die Pension war. Vor dem Haus stand ein Auto mit dem Kennzeichen von Landsberg am Lech. Sein Herz klopfte schneller; sie war also da.
Florian stellte sein Auto dahinter ab und stieg aus. Rasch sprang er die Stufen zur Tür hinauf und drückte auf den Klingelknopf. Nach einem Augenblick sah er einen Schatten hinter der Glastür, dann blickte Ria Stubler ihn fragend an.
»Guten Abend«, grüßte er sie höflich. »Ich bin der Florian Wagner vom Hornbacherhof. Könnt’ ich wohl die Frau Brinkmann sprechen?«
Die Pensionswirtin schüttelte bedauernd den Kopf.
»Da müssen S’ zum Pfarrhaus geh’n«, antwortete sie. »Hochwürden hat Frau Brinkmann zum Abendessen eingeladen.«
»Aha«, nickte er. »Haben Sie vielen Dank.«
Er ging die Stufen wieder hinunter und dachte nach.
Damit hatte er nicht gerechnet, aber die Auskunft, die er eben erhalten hatte, änderte natürlich alles. Schließlich konnte er nicht so einfach zum Pfarrhaus marschieren und Carla sprechen wollen.
Aber warum eigentlich net?
Schließlich war er ja hergekommen, um ihr seine Hilfe anzubieten. Pfarrer Trenker würde bestimmt nichts dagegen einzuwenden haben.
Florian ließ sein Auto vor der Pension stehen und ging die Straße hinauf. Allerdings wählte er nicht die Richtung am Hotel vorbei, sondern machte einen Umweg. Wenn er zu Fuß unterwegs war, war die Gefahr, daß Carla ihn sah, noch größer.
Schließlich erreichte er das Kirchengelände von der Rückseite