Butler Parker 152 – Kriminalroman. Günter Dönges
Sie haben natürlich bereits Ermittlungen angestellt, wie?«
»Selbstverständlich, Rander«, erwiderte der Chief-Superintendent, »sie laufen auf Hochtouren.«
»Konnten die Augenzeugen belegen, Sir, ob es sich um echte Japaner handelte?« erkundigte sich Josuah Parker.
»Um echte Japaner?« McWarden sah den Butler verdutzt an. »Wie kommen Sie denn darauf? Wieso echte Japaner?!«
»Man berichtete Ihnen und Ihren werten Mitarbeitern von japanischen Rittern«, schickte Parker voraus, »diese Hinweise dürften sich auf die äußere Aufmachung beziehen. Die Frage erhebt sich jetzt, ob man es auch mit Japanern zu tun hatte.«
»Äh ... Daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht«, räumte McWarden ein und runzelte die Stirn, »aber Moment mal, Mr. Parker, diese Samurai trugen Masken, oder aber waren entsprechend geschminkt. Ob es echte Japaner gewesen sind? Tja, diese Frage kann ich wirklich nicht beantworten.«
»Eine Antwort könnte den Täterkreis natürlich mächtig eingrenzen«, ließ der Anwalt sich vernehmen, »darauf wollen Sie doch hinaus, Parker, oder?«
»In der Tat, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »darf ich mich erkühnen, eine weitere Frage zu stellen?«
»Natürlich, Mr. Parker.« McWarden nickte geradezu heftig. »Darum bin ich ja hier.«
»Gab es Verletzungen, Sir, die von den Samurai-Schwertern herrühren?«
»Nein, nein, ich sagte ja schon, die Augenzeugen und direkt Betroffenen waren vor Angst und Entsetzen wie erstarrt. Gott sein Dank, es gab keine Verletzungen.«
»Wie waren diese Ritter denn gekleidet?« Mike Rander sah den Chief-Superintendent gespannt an.
»Rüstungen eben«, meinte McWarden, »es waren Lederpanzer aus Teilstücken, wie es uns beschrieben wurde. Diese Teilstücke hingen an Eisenringen und überlappten sich wie Dachschindeln. Sie haben ja die Fernsehserie gesehen, Rander. So wie diese Ritter haben die Samurai ausgesehen.«
»Wie viele Überfälle und Raubzüge insgesamt, Sir, konnten bisher registriert werden?« Es war wieder Parker, der diese gezielte Frage stellte. »Und um wie viele Samurai handelte es sich jeweils?«
»Es traten immer drei japanische Ritter auf«, antwortete McWarden und seufzte, »und es fanden insgesamt sechs Überfälle statt, je zwei auf Supermärkte, Bankfilialen und Juweliergeschäfte. Ich fürchte, daß das alles nur Fingerübungen gewesen sind.«
»Wie soll ich denn das verstehen?« fragte der Anwalt.
»Der Riesencoup war’s bisher noch nicht«, redete McWarden weiter, »aber er wird mit Sicherheit kommen, verlassen Sie sich darauf. Und dann wird’s wahrscheinlich auch Tote geben, ich hab’s einfach so im Gefühl.«
»Sie haben bisher nichts an die Presse weitergegeben«, sagte der Anwalt, »in welchem Zeitraum sind diese Samurai denn aufgetreten?«
»Innerhalb der vergangenen drei Tage, Rander. Und die Presse haben wir absichtlich noch nicht informiert, doch daran werde ich jetzt wohl nicht mehr vorbeikommen. Ich bin bereits aus einigen Redaktionen angerufen worden.«
»Kann meine bescheidene Wenigkeit davon ausgehen, Sir, daß Ihr Sonderdezernat bereits eine interne Warnung an die einschlägige Geschäftswelt vorgenommen hat?« schaltete Josuah Parker sich ein.
»Selbstverständlich haben wir eine Warnung ausgegeben«, beantwortete Chief-Superintendent die Frage des Butlers, »und ich kann nur hoffen, daß man sie angenommen hat.«
»Warum, zum Teufel, ziehen diese Gangster als Samurais durch die Gegend?« Mike Rander war aufgestanden und wanderte vor seinem Schreibtisch hin und her. »Wo liegt da der Trick, wenn man mal von der Kostümierung absieht?«
»Der Trick, Sir, um Ihre Worte zu gebrauchen, liegt in der erwähnten Kostümierung«, bemerkte Josuah Parker, »Gangster mit Gesichtsmasken und Schußwaffen sind die Regel, um es mal so auszudrücken.«
»Richtig«, bestätigte McWarden, »ich kann nur noch mal wiederholen: Die Betroffenen standen alle unter einem tiefen Schock. Das Aussehen dieser Samurai-Gangster muß ihnen ganz schön in die Knochen gefahren sein. Ich glaube kaum, daß sich irgendein Betroffener dieser Wirkung entziehen kann. Man wird vor Angst und Überraschung wohl wie gelähmt sein!«
*
Die beiden japanischen Ritter, die aus dem Kastenaufbau des kleinen Lieferwagens gesprungen waren, rechneten nicht mit Gegenwehr. Sie sahen sich schließlich nur zwei Frauen gegenüber, die nach ihrer Erfahrung vor Schreck zu erstarren hatten. Die beiden Samurais ahnten nicht, mit wem sie es zu tun hatten.
Lady Agatha befand sich längst wieder im Besitz ihres perlenbestickten Pompadours. Kathy Porter hob gerade den kleinen Koffer aus Bambus auf. Die beiden japanischen Ritter stießen dunkel klingende Kampfrufe aus und ließen ihre Schwerter durch die Luft zischen.
Lady Agatha nahm das fast wohlgefällig zur Kenntnis, witterte sie doch eine Möglichkeit, sich endlich wieder mal betätigen zu können. Einer der Samurais blieb ein wenig überrascht stehen, als die ältere Dame ihn grimmig anfunkelte. Der Pompadour war bereits in heftige Schwingungen geraten.
»Was soll das alberne Getue?« fragte Lady Agatha dann streng, »nehmen Sie gefälligst zur Kenntnis, daß sie einer Dame gegenüberstehen.«
Der Samurai holte mit seinem Schwert aus und schien die feste Absicht zu haben, Lady Agatha niederzustrecken. Bevor er das Schwert aber niedersausen lassen konnte, hatte die Attackierte bereits nachdrücklich zugelangt. Der im Pompadour befindliche »Glücksbringer« klatschte auf die linke Gesichtshälfte des Ritters, der laut und vernehmlich seufzte, um die Beine dann waagerecht in die Luft zu bringen. Dadurch vermochte er sein Körpergewicht nicht länger zu halten. Er krachte auf den Straßenbelang und hatte Mühe, wieder hochzukommen. Die Rüstung schien schwer zu sein und war sicher ein Hindernis. Hinzu kam die unkonventionelle Kampfweise der Agatha Simpson, die nicht gerade ladylike zu nennen war. Mylady holte mit dem rechten Fuß aus, der keineswegs zierlich ausgefallen war. Daher schätzte sie auch große, solide Schuhe, in denen sie Platz hatte. Die Spitze dieses Fußes landete vor dem Schienbein des Samurai, der es inzwischen geschafft hatte, halbwegs wieder hochzukommen.
Der Ritter stieß einen ordinären Fluch aus, und zwar in englischer Sprache. Dann fiel er zurück, landete auf dem Rücken und fischte mit der linken Hand verzweifelt nach dem Schwert, das einen halben Meter von ihm entfernt auf dem Asphalt lag.
Lady Agatha war schneller.
Sie hatte das schreckliche Kampfinstrument bereits an sich genommen und zeigte deutlich, daß sie bereit war, es auch gegen den Samurai zu verwenden. Lady Agatha, die eine begeisterte Bogenschützin und Golferin war, hatte keineswegs Angst vor dem gebogenen Schwert. Sie holte weit aus und glich in diesem Moment einer etwas reifen Amazone, die jugendliche Gewandtheit durch Robustheit ersetzte.
Der Samurai warf sich im letzten Moment entsetzt auf die Seite, als Lady Agatha zuschlug. Plötzlich ereignete sich etwas Überraschendes. Das blinkende Schwert knickte nach dem Aufschlag in der Mitte durch und zersplitterte. Der Samurai kniete hoch und beging den Fehler, Mylady die Kehrseite zu präsentieren.
Sie konnte einfach nicht wiederstehen, holte knapp aus und setzte ihren Fuß auf die rechte Hälfte dieser Kehrseite. Wie vom Katapult geschleudert, sauste der Mann auf dem Bauch gut anderthalb Meter über den dunklen Straßenbelag und näherte sich dem kleinen Lieferwagen. Zwei Ritter beugten sich heraus und griffen nach ihrem lädierten Kampfgenossen. Sie zerrten ihn in den Kastenaufbau.
Kathy Porter lachte und hatte Tränen in den Augen. Sie hatte alles genau verfolgt, da sie ihren Gegner längst niedergekämpft hatte. Dieser Samurai war von ihrer linken Handkante erwischt worden und lag halb auf jenem japanischen Ritter, der den Bambuskoffer verloren hatte. Lady Agatha hörte hinter und neben sich aufkommenden Applaus der Menge, die sich gebildet hatte. Die Detektivin wandte sich um und nickte wohlwollend. Sie genoß es offensichtlich, auf diese Art gefeiert zu werden.
In diesem Moment setzte der Kastenlieferwagen noch weiter zurück. In Sekundenschnelle